07:30
Die Hotelbar ist total leer, still. Sonst ist hier bereits ab 6:00 ein rechter Betrieb, Eingeborene beim Espresso, Gestikulieren, Multitasken (Zeitung durchblättern, Gipfeli mampfen, gleichzeitig telefonieren). Es sei Ferien, alles geschlossen, er werde nachher auch schliessen, sagt der Patron.
08:30
Ich versuche meine Reservation im Postauto vorzuverlegen – was will ich hier noch, die Stadt ist wie ausgestorben.
Info:
Für das Postauto muss man reservieren, es nimmt Velos mit! Zwei Stunden dauert die Fahrt nach Chur, über irgend einen Pass hier. Nachtrag: Es ist der San Bernardino.
08:34
Zu viele Rollkofferschlepper warten hier auf den Bus, ich lege mich doch lieber noch ein Stündchen hier am gemütlichen altertümlichen Bahnhof auf ein Bänklein oder in eine Blumenrabatte (ui, der Geruch – Ammoniak, Pisse?)
Das schöne an den alten Bahnhöfen: Die haben noch richtige WC-Anlagen, gratis!
9:30
Super – diesmal hat es noch mehr Rollkoffer, die auf das Postauto warten. Und eine ganze Schulklasse, Neunteler auf Abschlussreise offensichtlich. Die sich schon blonde Sorgen machen, ob wohl alle Platz finden würden. Die Lehrerin sagt ihnen, was sie tun müssen: „Dir müend aifach sofort d’Plätz bsetze!“ Schöne Aussichten…
Wir wuchten unsere Gepäckstücke in den Bauch des Busses, währenddem die Schulklasse den Bus stürmt. Ich hänge noch mein Velo hinten an, es hat übrigens Platz für vier oder fünf Velos in der Aufhängevorrichtung. Komme als letzter zum Bus hinein, der Chauffeur, gestresst, will nicht mal mein Billet sehen, ihm langt meine mündliche Bestätigung. Da sehe ich, oh Wunder, gleich zu vorderst einen freien Platz neben einem der Schüler. Ich setze mich sofort hin, worauf „Do isch aber scho bsetzt“, und ich nur „Was bsetzt?“, und mache definitiv klar, dass ich hier sitzen bleiben würde. Hahaha.
Die Lehrerin: „Wir haben hier reserviert“, und ich „Sicher nicht“… Bleibe sitzen. Höre ein paar Schlämperlige, zuerst von der Lehrerin, dann von den Kindern, so im Stil „Alte Sack, sicher 50, näi, 60“ – hahaha. Und „es git Lüt, für diä häts kä Platz uff däre Wält“… Na ja, bei der vorbildlichen Lehrerin kein Wunder.
Zum Glück bin ich als sporadischer Pendler durch überlastete Bahnhöfe (Biel, Bern) abgehärtet. Hehehe.
09:48
Danach aber ist Ruhe, die Kinder holen ihren Schlaf nach. Der Schüler neben mir hat sich nach hinten zu seinen Kollegen verzogen. Na ja. Mich hat er nicht gestört. Nochmals he he he?
12:00
Chur. Suche ein Restaurant. Aber irgendwie behagen mir die Angebote nicht. Hinterm Bahnhof, ein bloss alternatives Restaurant, so mit Sprossen auf irgendwelchen Schäumchen, aber sicher auch Fleisch, um doch bei der Wahrheit zu bleiben, aber halt nicht währschaft, das passt mir überhaupt nicht – glücklicherweise ist alles reserviert, sicher 30 oder mehr Plätze in einem lauschigen Gärtlein, so bin des Entscheids enthoben.
Aufgrund von Kritiken auf tripadvisor.fr hatte ich mich ursprünglich für das Hotel Drei Könige interessiert, aber dann sehe ich, auch dort müsste man reservieren. Und der Speiseplan an dem Tag war mir dann doch zu gewöhnlich, siehe Bild.
12:09
Ich nehme den Zug nach Sargans. Von dort aus will ich bis Altstätten fahren, ca. 50 Km auf dem Rheindamm, Höhendifferenz 80 m.
12:40
Kehre im Hotel Ritterhof Sargans ein, der Garten gefällt mir, auf der Tafel draussen ist ein Menü mit Aelplerhörnli und Apfelmus angeschrieben. Teigwaren sind immer gut vor einer langen Fahrt. Meine Ansprüche sind auch nicht allzu gross in dem Moment. Die Webseite voller Platitüden lese ich erst später, übrigens. ‚Seele baumeln lassen‘, ‚behagliches Ambiente‘, ‚gediegene Athmosphäre‘, ‚kulinarische Höhepunkte‘ – da hat jemand den Mund sehr voll genommen, lies weiter….
13:00

Die baumelnde Seele fühlt sich verköstigt und ist vor allem sehr zufrieden mit der freundlichen Bedienung. Die Küche gibt eher zu Kritik Anlass, das habts ja kommen sehen. Suppe fein, aber deutlich versalzen. Salat frisch, aber einfach ein paar Frisé-Blätter, übergossen mit einer crèmigweissen Sauce, hopp hopp. Apfelmus schmeckt so wie jenes aus der Dose. Ich will ja nichts unterstellen, ich hätte fragen können, aber wenn es schon so schmeckt…. Die Teigwaren etwas verkocht, der Koch hat das Nachgaren nicht einberechnet. Kartoffeln sind auch drin, gut so. Ein paar Schinkenstücke lassen sich ausmachen in der grosszügigen Menge heller Sauce. Ich tippe auf Carbonara-Sauce aus dem Päckli. Kurz – eine gute Idee durch lieblose Ausführung unnötig abgewertet.
14:10
Nach einer Stunde Fahrt in der Mittagshitze über einen völlig baumlosen Rheinuferdamm völlig kaputt, wohl ozonoid angeschlagen komme ich in Buchs an – Ende der Fahrt, ich kann nicht mehr. Ruhe mich aus in einer bedenklich desolaten Kleinstadt. Ein stickig stinkiger Bahnhof, Übelkeit steigt hoch. Eine ruhige bäumchenbestandene Einkaufsstrasse, viele Snacks, Imbisse und dergleichen mit Bänken draussen, ein paar Leute verlieren sich vor ihrer Billigkonsumation, Kebab, Pizza, Eistee, Bier – ruhig, zu ruhig, eher trist.
Höhepunkt ist der Tschibo-Laden mit geilen Ipod-Zubehören, Boom-Boxen, violette Ipad-Hüllen für 14.90 – hätte ich einen solchen, hätte ich die ganze Produktelinie gekauft, inklusive eine schreiend farbige, einrollbare Gummitastatur – Pimp Up My Apple, Designer Jobs stürbe tausend Tode. Fehlt noch ein Tschibo-Kleber, um den penetrant leuchtenden Apfel auf dem Bildschirm abzudecken.
15:00
Endlich der Zug nach Altstätten – ich verdurste, der Bahnhof scheint ohne anständige Wasserversorgung, einzig ein dünnstrahliges Bassin bei den Veloständern, belagert von einer ganzen Schulklasse, die ihre Wasserflaschen zu füllen versucht.
15:30
Finde im Brockenhaus Altstätten, gleich neben dem Bahnhof, drei Vintage American Optical Fliegerbrillen, höchsten 60er Jahre, wenn nicht noch älter. Und das, nachdem ich für meine vor einem halben Jahr verzweifelt weltweit Ersatzteile (Bügel) gesucht und mich mit Replikas zufrieden geben musste. Nun schwimme ich in einem Ersatzteillager. Es gibt eine Gerechtigkeit auf der Welt. Glaubzmer.


Die Verwöhnung setzte ein, als ich die 

Wie das wohl die Live bloggenden Journalisten machen werden, in so einem Fall, Bericht von einem Bahnreisli mit Alt-Bundesrat Adolf Ogi etwa (der in letzter Zeit plötzlich wieder extrem präsent ist, ist wohl was im Busch?)?. – Glücklicherweise macht die Webcam des Notebook kleinste Bilder, ab 3 Kilo. Das hier ist fast doppelt so gross, mit 5 KB.
Genau so geht es mir. Seit ich den Kindle habe, eigentlich eher versehenlich bestellt, lege ich ihn fast nicht mehr aus den Händen, lese die wildesten Sachen, ersetze Laufmeter an Laufmeter an Büchern durch ein paar wenige Mega auf der 2-Giga-Speicherkarte. Halb voll ist er möglicherweise schon fast, ist aber kein Hindernis, weiter auszubauen. Kann ja auf den PC auslagern.
Wo die Männer wie pensionierte Badmeister aussehen, da ist jetzt mein Zuhause – für die nächsten paar Tage noch. Zum Glück bin ich mit dem Velo da. Ohne hätte ich wahrscheinlich weder mein günstiges Hotel noch die angesagte Arbeiterbeiz gefunden, mit Primo, Secundo, Tertio und Dessert, alles für 19 Franken, Supplement kein Problem.
Endlich Legende. Boost!
Zuerst hatte ich ein kleines Männerzimmer, ein Bett, etwas Umschwung wie Lavabo, Schrank, 3 Quadratmeter freie Bodenfläche. In der nächsten Woche, also jetzt, wurde ich dann in ein besseres Zimmer einquartiert, eigentlich ein Doppel zur Einzelnutzung, mit Balkon!
Hin zur Strasse dafür, vorher war Blick auf den Hinterhof und Ruhe. Jetzt habe ich Blick auf das hupende Leben, das zuverlässig nach dem Fussballmatch beginnt, aber schlagartig um 00:30 aufhört – wilde Jugend! Ob ich das Zimmer deshalb bekommen habe? Nein nein, ich bin halt einfach der sympathische Typ. Nächste Woche kriege ich sicher die Privatwohnung des Ehepaares. Danach werde ich aber dann nicht mehr hingehen, die Tochter ist nicht mein Typ, und ich will auch nicht heiraten.
Ich habe es nicht darauf ankommen lassen. Es gibt da ein wunderbares Bähnli von Brig nach Göschenen, tucker tucker, dauert ewig, aber die haben sogar Velowagen dabei, absolut zu empfehlen, die Landschaft ist zum reinbeissen, saftige Hügel, wilde Flüsse, und in Brig vor dem Bahnhof kann man französische Aprikosen kaufen. Unbedingt viel Wasser mitnehmen, es ist heiss und stickig in diesen Zügen, manchmal wenigstens.
la triperie: meine Radiostation spielt meine Platten, Kassetten, CD
Calypso Now Tapes (nicht Hula Hula!)