Veloverlad – ein interessante Blog, glaubzmer

02/08/2013

Heisse Hölle Solothurn SBB

Filed under: Unterwegs — Schlagwörter: , , , , , — Hotcha @ 14:00

Und in Solothurn dann die totale Ernüchterung – eine mehrere Quadratkilometer weite Betonsteppe legt sich um den Bahnhof. Ich habe das Gefühl durch einen Teller Erbsensuppe zu atmen. Gelberbs mit Speck, normalerweise ein Hochgenuss. Aber jetzt, im Hochsommer, bei wahrscheinlich so 35 Grad nachmittags um drei, jetzt liegt mir der Sinn ganz einfach nach Wasser. Aber aussichtslos, hier in Solothurn SBB einen öffentlichen Wasserhahn zu finden. Zur Sicherheit erkundige ich mich noch bei der schweissgebadeten Schalterbeamtin, um hier niemandem Unrecht zu tun.

Nun, erstaunlich ist es nicht, als Veloverlader lernt man die Zeichen deuten. Und das Zeichen hier ist die Blechtafel beim Eingang, wo stolz geschrieben steht: Mehr Bahnhof in Solothurn. Und darunter nur Shops gelistet werden. Die Toiletten befinden sich in der Unterführung in einem Chromstahlcontainer, 1 Franken muss eingeworfen werden, trotz der hochmodernen Anlage gibt es nicht mal Rückgeld.

Willkommen bei den Abzockern.

Bei der Hitze verlade ich das Velo bis Biel, wo ich heute morgen um 9:00 aufgebrochen bin, um zur Blutspende nach Burgdorf zu fahren. Möglicherweise war das eine Schnapsidee, aber ich hatte den Blutspendebus in Biel und Nidau am letzten Wochenende verpasst und gleichzeitig wollte ich meine erste Tour im abgesteckten Veloland Schweiz machen.
Wegweiser bei Burgdorf
Die Route 24 führt von Biel nach Burgdorf, und ich will es kurz machen: Ich bin hell begeistert. Eigentlich sollte ich die Route ja nicht empfehlen, um ihr nicht eines ihrer Merkmale zu nehmen. Ich war nämlich weitgehend alleine, zumindest auf der ganzen Strecke von Diessbach fast bis nach Lyssbach. Um genau zu sein, fast bis nach 3309 Kernenried. Schweizer Jugend säuftDort begann wieder die Zivilisation, mit Landmaschinen, den tiefer gelegten Funmobiles der Landjugend und aber auch Stauffer’s Landmetzg. Eine wirklich schöne Metzgerei mit einem grossen Innenhof, wo sogar noch selbst geschlachtet wird. Ich gehe davon aus, dass hier die Tiere nicht kilometerweit transportiert werden. Trotz der Hitze habe ich deshalb den Kauf eines Schwingerschnitzels gewagt, es wird den Transport über mehrere Stunden bestimmt gut überstehen. Auf den afrikanischen Märkten gibt’s schliesslich auch keine Kühlschränke, dort soll das rohe Fleisch auch über mehrere Stunden an den Markständen ausliegen, den Fliegen zur Freude. Man müsse es einfach lange genug kochen, dann sei das überhaupt kein Problem, erzählte eine Freundin aus Burkina Faso. Na also.

Der erste Teil der Strecke bis Dotzigen ist nicht sehr velofreundlich, mit Kindern würde ich bis dorthin den Zug nehmen. Warum ich jetzt grad an Kinder denke? Vielleicht weil eine halbgare Studie kürzlich vor ihrem Abschluss in der NZZ hämische Schlagzeilen gemacht hat, die Velonutzung bei Kindern gehe zurück? NZZ, übrigens, hier neuerdings definitiv unverlinkbar aus Qualitätsgründen. Warum, steht im vorherigen Beitrag auf diesem Blog.

Ab Dotzigen dann bis zur Passhöhe purer Veloweg, durchgehend asphaltiert (wichtig für mein Rennvelo, Feldwege sind Schlauchkiller). Unterwegs die herrlichsten Landschaften und Waldsträsslein, Bibiili und sonstige Tierli, nur leider keine Brünnelein. Oder nur solche mit Warnschildern. Also: genug Wasser mitführen.
Veloweg

In Burgdorf dann das eigentliche Ziel meiner Tour, der Blutspendebus vor dem Einkaufszentrum. Das eher konsternierte Personal gibt mir zu verstehen, dass in meinem Zustand an eine Blutspende nicht zu denken ist. Ich muss wie eine überhitzte Blutwurst kurz vor dem Platzen wirken. Dabei bin ich doch ziemlich gemütlich diese 30 Km in 3 Stunden eher gezuckelt als gefahren. Wir machen dann das Administrative klar (Krankheiten, Medikamente, Lebenswandel, Umgang, Reisen, Operationen, Adresse) – so kann ich dann in Biel im stationären Zentrum nur noch Abzapfen lassen. Den Fragebogen allerdings werde ich bestimmt nochmals ausfüllen müssen. Die Sicherheitsbestimmungen sind unterdessen extrem, der Fragebogen erstreckt sich über zwei gedrängte Spalten. Finde ich gut. Wenn ich das vergleiche mit meiner Beobachtung in Wien, wo in den heruntergekommenen Quartieren ganz gezielt über Plakataktionen Geld gegen Blut geboten wird, hoffe ich auf eine Länderkennzeichnung des Spenderblutes. Denn es ist klar, dass bei einem Blutdeal auch mal gelogen wird, etwa bei den Fragen nach dem Sex der letzten 6 Monate. Haben die in Oesterreich eigentlich keine Ethikkommission?

Ich könnte jetzt noch stundenlang so weiter erzählen, vielleicht auch ein wenig aus Protest gegen die tl;dr-Marotte? (Too long, didn’t read – wird von Langschreibern auch gern als Kurzfassungstag zweckentfremdet, Ironie oder Opportunismus?) Aber dann komme ich ja nicht mehr zum Fahren. Vielleicht später mehr aus einer anderen Veloregion. Ich habe ja diese Velowege bisher unterschätzt, nicht gewusst, dass es solch erfreuliche Routen gibt, wo die Schweiz wirklich noch über Kilometer echtes Gotthelfland ist.

Früher fand ich das bünzlig, heute fehlt es mir.

12/01/2013

Gegrillte Entenzungen, gekochter Schweinsdarm – die echte Wiener Küche

Noch nie hatte ich eine Ferienwoche so minutiös vorbereitet – die ganze Nacht vor der Abreise hab ich mir den Bildschirm um die Ohren geschlagen, um ja kein kulinarisches Highlight Wiens zu verpassen. Beiz um Beiz habe ich ins OneNote gedruckt, mein eigener Restaurantführer am Bildschirmrand.

Gut, es war bei allem Zeitaufwand relativ einfach, weil ich ziemlich rasch auf die total schräge Seite restauranttester.at stiess. Irgendwie Spinner, dachte ich bei mir, obsessive Hobbytester, die sich des Langen und Breiten über den Eingang zur Beiz, die Speisekarte, das Nichtlächeln des Personals, fehlendes Nachfragen, ob Dessert, aufhalten können. Am Schluss wird sich noch die Toilette kontrolliert, und wehe, es ist nur ein gewöhnliches WC. Weiters laden sie dutzende Bilder von der Eingangstür hoch, zwischendurch glückt auch ein Schnappschuss einer Speise, oft unscharf wegen der geheimdienstlichen Mission, aber die Bilder geben halt Punkte.

Punkte wozu? Wer so fragt, hat keine Ahnung von gelungener Motivation, weiss nicht, wie einfach Menschen zu gratis Fronarbeit bereit sind, wenn man ihnen Anerkennung bietet – sie beispielsweise als ‚Experte‘ zu betiteln beginnt, wenn sie nur genug derer Punkte gesammelt.

Noch ein Schlenker gefällig? Gerne doch. Die Experten bewerten doch tatsächlich regelmässig und ganz ernsthaft das abgezapfte Bier im Chinarestaurant. Wien. Grien.

Ich reiste also an mit sicher 50 Restauranttipps im Köcher. Für fünf Tage.

Ohne Velo, natürlich. Wien hat ja erst seit Kurzem einen Fahrradbeauftragten. Da warten wir noch ein bisschen, bis er Wirkung entfaltet. Sie haben dort übrigens, ganz neu, eine Fussgängerbeauftragte. Irgendwo habe ich gelesen, auch eine Hundekegelbeauftragte. Wien, k.u.k., heute noch.

Ich habe noch nie versucht, das Velo in den Railjet der OeBB zu verladen. Wozu auch? Wien ist die Stadt der U-Bahnen, Strassenbahnen, Nahverkehrszüge und der Busse. Bei fast jeder Haltestelle leiert der Lautsprecher adrett zusammengesetzte Textbausteine herunter, an welches Verkehrsmittel man hier nun Anschluss hätte – blöd, ich habe es nicht aufgenommen, weil das wird so richtig hart aneinandergeschnitten, mit verschiedenen Stimmen und Tonfällen, es ist jedesmal ein Zusammenzucken, wenn am Schluss der Durchsage in doppelter Lautstärke noch ertönt „UND AN DIE ZüGE DES REGIONALVERKEHRS!“

Um diesen Teil zu Ende zu bringen, hier die Konsumenteninformationen. Am Montag anreisen, ein Wochenticket für die Kernzone 100 = Stadt Wien = alles was man braucht kaufen, 15 €, danach freier Verkehr auf allen Verkehrsmitteln. Der Hammer, sag ich euch. Die U-Bahnen fahren permament ab ca. 5:00 bis 0:30, ich habe nie länger als 5 Minuten auf eine Bahn gewartet. Die Feinverteilung dann mit dem Tram ist ähnlich effizient, Wartezeit war bei mir maximal 10 Minuten. Und da man sich ja nix zu tun hat, ausser nach Beisln Ausschau halten, deren es an jeder Ecke mehrere hat, ist da überhaupt keine Eile notwendig, kein Druck parat (ich versuche mich übrigens gerne ein wenig in Wiener Grammatik, hätten’s gmerkt?).

Damit wären wir wieder beim Thema. Beizen. Essen. Das einzige, was die Wiener mit Leidenschaft zu betreiben scheinen. Ausser Einkaufen. Oder Bier trinken. Oder granteln. Sie nennen das scheints Schmäh. Euphemismus ist eine Wiener Erfindung. Weil beim Wort Schmäh denken sich alle Auswärtigen an etwas Kulturelles. Dabei – Zürcher sind gegen diese Wiener so richtig ein fröhliches, weltoffenes Völklein. In neuster Zeit scheint das allerdings sogar zu stimmen. Ich muss mir meine Züri-Aversion glaubs langsam abschminken. Schon wieder ein Alleinstellungsmerkmal weniger.

Der Empfangschef im Hotel Cyrus, wo ich zu einem Hammerpreis unterkam, hatte einen Akzent, war wohl kein Original Wiener – richtig freundlich war er, ich kam mir für einmal nicht wie ein Dorfdepp vor, der stumpfsinnig lächelnd auf die Leute zugeht, um wieder und wieder durch kalte Indifferenz abgebügelt zu werden. Auch die kleine Bar gegenüber, Gloria, ein echtes Raucherlokal, konnte mich wieder mit der Welt versöhnen. Ein nettes Inhaberpaar, sie an der Bar, er sorgt für den Umsatz, indem er sich dem Kartenspiel mit den Kunden hingibt. Und sie haben richtig schnelles Wlan. Und Budweiser vom Fass.

Das ist die Laxenburgerstrasse. Im 10. Bezirk. Nicht grad das Wien des Opernballs; der grösste Laden war ein Sexshop mit wirklich tollen Ganzkörperpijamas in Rosa, getigert oder mit Löchern überall, um nur 49 Euro. Es hat nicht viel gefehlt – vielleicht nächstes Mal dann.

Und dann Schallplatten Brigitte. Ein schöner Laden, noch voll im Schuss, obwohl laut Zettel an der Tür schon seit einiger Zeit geschlossen, Schlager und volkstümlicher Schlager in allen Fenstern, und in der Mitte dieses Schild.

Michael Jackson Singles lagernd

Dieses Quartier musste mir einfach gefallen. Da haben sich zwei gesucht und gefunden.

Viele Wettlokale. Sportwetten an jeder Ecke. Die Filiale der Stadtbibliothek im Bezirk ist spezialisiert auf fremdsprachige Literatur. Serbisch, kroatisch, türkisch. Der Saturn am Columbusplatz: riesig, vor allem Wasch- und andere Haushaltsmaschinen, Kids, die sich um die neusten Pads scharen, ein paar uninteressante CD und DVD. Der Mainstream des Mainstreams.

Im selben Gebäude der neuste Gag der Wiener Gastronomie: ein Running Sushi. Schlappe, nässende rosa und grüne Teilchen laufen den ganzen Tag an einem Fliessband an den paar Gästen vorbei, die nur den Arm ausstrecken brauchen, um sich soviel zu fischen wie sie mögen, zu einem lächerlichen Pauschalpreis. Es war grad Grippesaison in Wien in dieser Woche. Hoffentlich sind die ungeschützten Sushi nicht krank geworden, so nah, so oft im Kreise gedreht.

Ja, das Quartier ist Hardcore. Aber es geht sich noch härter – eine Station weiter, Endstation der U-Bahn, Reumannplatz. Dort hatte ich ein eher unwohles Gefühl, im Dunkeln, schlecht beleuchtete Ecken. Es war grad Überfallsaison in Wien – Vergewaltigungen und sonstige Gewalt in der U-Bahn, der videoüberwachten, Handtaschenräuberpärchen, so stand es jedenfalls in der Zeitung. Allerdings gibt es in Wien nur Boulevardzeitungen, wenigstens fast. Da ist unser Blick ein gehobenes Intelligenzblatt dagegen. Nicht eine einzige Meldung, die frei von Ressentiments, Hetze oder ideologischer Verdrehung wäre. Unglaublich.

Seid Ihr noch da? Nun, im Titel war ja nie die Rede von Engelszungen.

Kommen wir zu den Entenzungen. Ich habe die ganzen Tage in Wien nie anders als asiatisch gegegessen. Und ich war nur in zwei Restaurants zweimal. Halt, im Wok & More dreimal. Die Berichte in restauranttester.at würdet ihr am besten selbst nachlesen. Dort wo noch nicht alles gesagt war habe ich mich zu Wort gemeldet. Habe dafür den B.B. wieder hervor geholt. Am Ende des Beitrags hier stehen dann die Links.

Nur eins noch: Ich wollte es auf restauranttester.at nicht so offen schreiben, aber der Schweinedarm hatte tatsächlich noch diesen leichten Geruch von Darmausgang. Vor allem dann, wenn ich Rosette kaute. He, das ist überhaupt kein Problem. Es war alles geputzt und sauber. Aber das ist halt wie mit dem Zigarettenrauch. Den bringt man auch nicht mehr weg.

Hier war es gut

Wok & More am Karlsplatz, fein
Die Entenzungen…
Mein erster Wiener Chinese, zeitlich gesehen
Die Top-Empfehlung von mir!
Das Hotel

Noch was:


Ist es Zufall, dass in der Gegend ein sogenannter Plasmapunkt war, ein wenig abseits in einer Seitengasse, klandestin die Tür verschlossen, kein Klingelschild, wohl nur auf Anmeldung. Und in der U-Bahn diese Plakate hingen, wo an den Heldenmut der Spender appeliert wurde und gleichzeitig eine Aufwandsentschädigung „für Ihre Zeit“ von 20 Euro ausgelobt war, und dass die Plakate ausgerechnet in den härteren Gegenden zu finden waren? Ein Argument war auch noch, dass man dann grad gratis ärztlich untersucht ist.

Das härteste in Wien aber ist sowie der alte Lugner mit seiner Katzi. Die Nachfolgerin von Mausi. Der Mann hat seinen eigenen Stadtteil, die Lugner City. Mit eigener Haltestelle. Das muss man gesehen haben. Das Foto, wenn der Link denn bleibt, ist in der Lugner City aufgenommen. Trash as trash can.

Ich glaube, ich liebe diese Stadt.

PS: Im Zug, zurück in der Schweiz, der erste Zeitungsartikel im 20 Minuten: Designerin und Model Blanda Eggenschwiler (27) ist frisch verliebt. Ich weiss, es liegt an mir, wenn sie nicht kenne. Designerin? Ah, da steht’s ja: Blanda stellt heute Abend im Club Cabaret ihre Kollektion von selber designten Handyhüllen vor.

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