Veloverlad – ein interessante Blog, glaubzmer

19/11/2012

Pendeln lernen heisst Siegen lernen

Filed under: Fahrradmitnahme — Schlagwörter: , — Hotcha @ 18:15

Ganz objektiv gesehen war ich um den entscheidenden Sekundenbruchteil eher an der Stelle, an der unsere Wege sich kreuzen mussten. Also musste sie kurz vor dem Zusammenprall ihre Schritte ein wenig verlangsamen oder auch zwanzig Zentimeter vom geraden Weg abweichen.

Wieder einmal habe ich meine Pendlernerven unter Beweis gestellt. Ich habe es endlich begriffen. Wer höflich sein will, soll sich zu Stosszeiten nicht auf die gut frequentierten Plätze der Stadt begeben, nicht auf den Bahnhofplatz, vor allem aber nicht in den Bahnhof, nicht aufs Perron, vor allem aber nicht in die Züge. Wer höflich ist und ausweicht, macht unversehens nur noch das: Ausweichen nach links, ausweichen nach rechts. Wer andern den Vortritt lässt, wird mit Garantie als Letzter durchs Nadelöhr gehen, sei es eine Tür, ein Aufzug, eine Rolltreppe. Wer mit dem Ausstieg aus dem Zug nur ein wenig zögert, wird unweigerlich von der einsteigenden Schlange am Verlassen des Zuges gehindert, ausser er setze sich dezidiert durch, auf oberflächlich gesehen ziemlich brüske und nicht ganz höfliche Art.

Wie weit ist es mit mir gekommen? Ich, der noch vor wenigen Jahren sich als Gentleman alter Schule gerierte, der sich nichts armseligeres vorstellen konnte als diese Aussage einer finnischen Politikerin: „Wenn ich Blumen will, kann ich mir die selber kaufen“…. Ich weiss, an den Blumen herbeigezogen, dieser Abschwenker, aber dieser Tiefpunkt der Mann-Frau-Beziehung ist mir direkt durch die Zirbeldrüse ins Gehirn gefahren und wird bei jeder Gelegenheit wieder aktiviert. Schlenker hier vorbei.

Und jetzt widerstrebt es mir schon, drei Mädchen auszuweichen, die mit eingeknickten Handtaschenarmen dahertrippeln, weil ich die Pendlerangewohnheiten schon so stark verinnerlicht habe, ja keine unangebrachten Wartereien anzuzetteln – und Vortritt lassen führt an einer anderen Stelle eben immer zu einer kleinen Verzögerung, mit der Gefahr eines veritablen Staus. Jedenfalls haben alle diese Angst im Nacken und verhalten sich entsprechend.

Mir langt’s nun. Ich kehre wieder zurück zu meiner Kinderstube, lasse wieder den Vortritt, weiche wahrscheinlich gar wieder vermehrt aus, auch wenn es mit dem Velo an der Hand umständlicher ist als ohne. Rücksicht nehmen, auch wenn ich vielleicht lieber schwierig täte. Ich lasse mich doch nicht von der Hetze zum Bünzli machen.

So aufgewertet wird Warten, Zaudern, Schlendern direkt zum Inbegriff von allem was wir alle gern sein möchten.

16/11/2012

Velofahrer Egofahrer?

Filed under: Fahrradmitnahme — Schlagwörter: , , , — Hotcha @ 06:21

Wer Veloverlader ist, hat schon seine negativen Erfahrungen mit der Velopolitik der SBB gemacht. Und kann sie auch mit einigen wenigen Sätzen beschreiben.

Selbstversuch: Wieviele Sätze brauche ich?

  1. Vorrang haben die Passagiere
  2. Velos sollen sich den Platz mit Kinderwagen teilen, die Besitzer der jeweiligen Fahrzeuge sollen sich untereinander arrangieren
  3. Infrastruktur für Velomitnahme wird nicht ausgebaut, sondern es werden die Velovermietungen an den Bahnhöfen forciert
  4. und, ah ja, sperrige Gepäckstücke wie Riesenrollkoffer dürfen ruhig die wenigen Veloabteile mitbenutzen

Dass der Tagesanzeiger heute schreibt, „Die SBB könnte viel velofreundlicher sein“, das bringt mich nur noch müde zum Lächeln. Die im naiven Grundton gehaltene Erzählung ist nur auf Entrüstung gebürstet und bringt wieder mal all die Gruselstories von lüftelnden Zugbegleiterinnen, Fast-Prügeleien mit dem Kondi oder Animositäten gegenüber den anderen Zugbenutzern zum Vorschein.

Man spürt die Absicht und ist verstimmt – purer Populismus, Klickfängerei.

Statt rumzujammern könnte die Zeitung ja mal das Thema recherchieren. Der Fragen wären genug:

  • Wie hoch sind die SBB eigentlich genau subventioniert?
  • Was sieht der Leistungsauftrag des Bundes eigentlich vor zum Thema Velo?
  • Wieviel würde es die SBB denn kosten, die Bedürfnisse der Velo-, Tandem(!)- und Elektro(!)velofahrer zu befriedigen, d.h. an jeden Zug wieder einen Güterwagen anzuhängen?

Denn so wie es aussieht, ist der Politik das Velo so ziemlich egal. Damit sind keine Wählerstimmen zu gewinnen; man vertäubt damit eher die Autofahrer, 80% der Erwachsenen.

Es braucht einen konkreten Auftrag an die SBB, sonst wird hier nie etwas passieren. Denn die Absicht der SBB ist klar, sie war vor Kurzem in der selben Zeitung zu lesen, in der Annette Michel bloggt… Daraus habe ich oben auch die Haltung der SBB destilliert. Es wäre also an der Zeit, Neues zum Thema beizutragen, Tagesanzeiger.

Ein wenig schäme ich mich immer, wenn ich auf ruppige Kinderwagenwegsteller treffe, die Platz für ihr Velo schaffen – schliesslich seien sie die einzigen, die extra dafür bezahlen. Sie finden sich logischerweise in der Kommentarschlange zu Michels Blogbeitrag ein. Lest selber.

Als ob die Gepäckmitschlepper und die Kinderwagen nicht auch ein Recht auf Mitnahme hätten.

Wir, Velofahrer, Kinderwägeler, Rollkofferschlepper, Kondi und Zugbegleiterinnen etc. sollten uns alle ein wenig entspannen, es hat keinen Sinn, sich gegenseitig auf den Grind zu geben. Denn genau das ist eine der Absichten der SBB-Führung, sie betreiben ganz offensichtlich eine Teile-und-Herrsche-Politik. In diese Falle sollten wir nicht laufen.

Der Jammerbeitrag im TA von heute
Das hätte Annette Michel vor dem Jammern mal lesen sollen
Eine interessante Recherche hat z.B. Michael Lütscher hier begonnen

Soll ich jetzt noch über die neue Mode fluchen, als Velofahrer in der Stadt den Tunnelblick aufzusetzen, durch Quartiersträssli zu rasen und Bummler wie mich unversehens und ohne Warnung mit Vollgas rechts zu überholen? Ein andermal vielleicht, für heute nur soviel:

Solche Velofahrer gehören nicht auf die Strasse. Keine Solidarität mit diesem Egopack.

PS: ich habe seit Jahren das Velo-GA, fahre damit überall hin, auch wenn ich etwa irgendwohin in die Pampa zur Arbeit muss – das Velo kommt immer mit. Wenn’s sein muss im Bag.

PPS: ein eingeheirateter Verwandter ist Lokführer auf diesen Intercity-Zügen, wo reserviert werden muss. Er hat die Veloverlader total auf dem Kieker, weil das Veloabteil an die Führerkabine grenzt. Wenn Velos einfach so reingestellt werden, versperren sie seinen Fluchtweg, den Notausgang. Ich kann mich des Verständnisses für seinen Ärger nicht ganz erwehren….

14/11/2012

Bellinzona im Winter: Willy Ritschard spinnt.

Filed under: Unterwegs — Schlagwörter: , , , — Hotcha @ 08:59

Bellinzona im Winter ist wahrscheinlich fast schlimmer als Lyss das ganze Jahr. Ruhig, tot, wo im Sommer eine grosse Pizzeria lockte, zeigt sich heute ein leerer Vorplatz, der zu einem Pub gehört. Die hatten offenbar einfach unter dem Vordach mit zusätzlichem Zelt gewirtet. Zum Glück habe ich dort nie gegessen. In einem Pub essen, eine schauderhafte Vorstellung.

Fast so schlimm wie ein Speisewagen der SBB von Starbucks. Die sollen ja bald kommen. Liebe SBB, dann lasst die Speisewagen lieber weiterhin unbedient mitfahren, so wie heute morgen auf der Rückreise, über Olten nach Biel.

Die ich mit Willy Ritschard antrat. So heisst der Zug von Bombardier und Pininfarina, der wahrscheinlich mit grossem Pomp durch einweihungsfrohe Notablen einer gerührten Öffentlichkeit übergeben worden ist.

«Willy Ritschard, Sohn des Ernst und der Anna Ritschard, volksnah, Sozialdemokrat, liebt das Wandern, liebt Gespräche.»

Dies der Refrain des grandiosen Ohrwurms der Zürcher Hertz, 1982 als Single erschienen, der Text soll aus der offiziellen Biographie des damaligen Bundesrats stammen.

Es ist halt so eine Sache mit den Denkmälern. In Frankreich sieht man ja fast in jedem Dorf diese ehemals edlen Tafeln, „Mort pour la France“, darauf die Namen der gefallenen Söhne im ersten und zweiten Weltkrieg. Und öfters als erwartet sind solche anrührenden Ehrenbezeugungen in einem schlechten Zustand, nicht nur ungepflegt, sondern kaputt, Buchstaben fehlen. Oder ist das in Italien? Oder in Deutschland? In der Schweiz?

In der Schweiz kann es ja nicht sein. Schindluder mit der publikumswirksam eingeweihten Erinnerungsstätte wird diskreter betrieben.

Ich denke noch heute angewidert an die Verschleuderung des Legats des Bieler Bäckermeisters Ganz durch die Migros zurück. Dieser noble Mann hat über Jahrzehnte junge Kunst gesammelt und unterstützt und dann seine umfangreiche Sammlung der Migros vermacht. Während Jahren konnte man im Migros Restaurant Madretsch Bieler Kunst aus dem Nachlass Ganz bewundern. Und ich rede hier nicht von Helgen, sondern von Werken unterdessen arrivierter Künstler.

Ganz rotiert bestimmt in seinem Grab. Oder er ist bereits zurück gekommen und hat Rache genommen. Ich weiss nicht um das persönliche Schicksal der Migroskader, die nach dem Umbau des Restaurants die Werke so definitiv entsorgten, dass auf spätere Nachfrage einer Zeitung die Migros nicht sagen konnte, wo Ganz‘ Erbe abgeblieben ist. Da wird wohl mancher sein Schnäppchen gemacht haben. Und Ganz, der seinem Nachlass Öffentlichkeit garantieren wollte, vermodert vergessen und desavouiert. Dermassen vergessen, dass ich nicht mal mehr seinen Namen im Netz finden kann. Darum kann es übrigens sein, dass ich diesen falsch in Erinnerung habe. Die Verluderung seiner Nachlasses durch die Migros aber, die habe ich noch sehr gut im Kopf.

Warum wohl fällt mir diese Geschichte jetzt ein, hier im Zug „Willy Ritschard“ der SBB? Wahrscheinlich, weil sie mir sowieso immer präsent ist, wenn ich ein Migros-Restaurant sehe. Oder generell Kunst im Öffentlichen Raum. Immer wieder hört man in diesem Zusammenhang von plötzlich fehlenden Kostbarkeiten. Sei es. Zurück zu Willy.

Da stehen ja immer so schöne Sprüche in diesen Zügen.

“ Der liebe Gott hat die Welt erschaffen aus dem Nichts, und das schimmert halt immer ein wenig durch. Willy Ritschard“

Das steht hier. Ich tippe zwar eher auf Peter Bichsel als Autor des träfen Zitats. Bichsel, der so manche Ritschard-Rede geschrieben hat.

„Besserwisser gibt es bekanntlich nur einen einzigen Bessermacher. Willy Ritschard“

Das steht auf der anderen Seite des Gangs. Da muss Bichsel irgendwie ein Blackout gehabt haben. Oder versteht jemand diesen Satz?

Ein kurzes Googeln bringt es an den Tag. Der Satz ist aus irgendeinem Grund verstümmelt, es fehlt ein wichtiger Teil. Komisch. Bin ich der erste, der die Sprüche in den Zügen liest? Ist etwas nicht in Ordnung mit mir? Ist das Absicht, um den Besserwisser, der das liest, sofort als Besserwisser zu entlarven, weil er es ja eben besser weiss (bzw. ergoogelt)?

Wahrscheinlich wurde da mal ein Panel ausgewechselt und ein Satzteil beim neu beschriften einfach vergessen. Die Beschriftung hat man vielleicht in China billig neu machen lassen. Niemand hat mal kurz kontrolliert.

Denn nach der Einweihung ist ja so ein Denkmal nur noch ein Kostenfaktor.

Eigentlich sollte mir das ja egal sein. Ist es aber nicht. Denn wenn das Denkmal nur bei der Einweihung interessiert, dann sind mir die Kosten für einen einmaligen Akt zu hoch, der vermutlich vor allem der Beweihräucherung der Einweihenden dient. Denn bezahlt wurde es auch aus meinem Geld.

Steuergeld.

Und es ist mir nicht egal, weil ich solche Heucheleien unerträglich finde.

P.S.: in Olten umgestiegen in den Zug C.F. Ramuz. Ich konnte es mir nicht verkneifen, einen kurzen Blick auf das erstbeste Zitat zu werfen. Und wurde nicht überrascht. Aber wir wollen jetzt nicht auch noch fehlende Buchstaben monieren, das wäre dann doch zu kleinlich. Oder?

PPS: In Facebook einen Gruss von Terrazza Da Teo erhalten, „Danke für den Besuch“ – leider war nur über Mittag geöffnet, da langte es mir nicht für eine der famosen Pizzas/Pizzae/Pizzi wieauchimmer. Die sehr herzliche Begrüssung aber, wie ein Mitglied der Familie, das hat entschädigt.

Bei Tripadvisor habe ich die Pizzeria schon mal gelobt, die Fotos dürftet ihr kennen. Auch das Hotel Moderno, wo ich diesmal wieder zum unschlagbaren Preis sehr gut logierte. Wehe, ich komme das nächste Mal hin und es ist alles durch Leser dieses Blog belegt!

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