[das ist halt direkt aus meinem Arbeitsjournal]
19:45 den Ranzen endlich vollschlagen können. In St-Maurice ist das gar nicht so einfach. Ich wäre lieber in Martigny geblieben, wohin es mich per Irrtum verschlagen hat. Aber das ist eine lange Geschichte. Auf jeden Fall hat es dort Dutzende interessanter Beizen gehabt, sogar einen Fastfood-Chinesen, der gar nicht so übel ausgesehen hat. Viele Leute auf Stühlen, in Gassen auf Plätzen und Terrassen. Da scheint Leben. In St-Maurice irgendwie die pure Depression. Vielleicht erfahre ich morgen mehr darüber. Ob das eine dieser vom Militär verlassenen Städte ist?
Auf jeden Fall habe ich sicher während einer Stunde Runden gedreht, Menükarten ausgecheckt, in düstere Höhlen geschaut (Beizen Pubs Restaurants), Hölle Hölle Hölle, tut mir leid. Am Bahnhof war ich kurz versucht, für einen geschätzten Totalbetrag von 40 Franken mich auf die Cuisine du terroir valaisan einzulassen. Habe das Restaurant betreten, allerdings schon im Vorgarten, wo eine nicht allzu abgefuckte Grossfamilie irgendwas lokales durchhechelte, dort überkam mich schon ein metaphysisches Gruseln – es passte alles einfach nicht zu den grossen Worten von ‚Spécialités du Valais‘, ’notre boucher local‘ blabla – und dann drinnen wieder das nackte Grauen, düster, ein Mann in Kochjacke am Kreuzworträtsel lösen, eine subtil keifende Frau hinter der Bar, ich nix wie weg. (Gut, die Kochjacke habe ich mir glaubs eingebildet, er sah einfach aus wie einer von dort). Niemand hatte meinen Gruss erwidert. Die Beiz sonst total leer. Um 19 Uhr. An einem Donnerstag. Selten war ein Fake so offensichtlich.
Der lokale Asiate dann mit einer langen Riemen von Karte, sicher 99 Gerichte. Wie soll da irgend etwas frisch sein? Setchuan war auch aufgeführt, ich war kurz versucht, der Berichterstattung halber dort zu essen, aber was soll ich mich einiger träfen Tiefschläge wegen, zu denen ich mich als Rechercheur in China-Cuisine nun mal berufen fühlte, zu Tode frustrieren lassen? Auch dort – obzwar geöffnet, alles dunkel. Und natürlich leer. Gerichte um die 18 Franken. Manche lernens einfach nie. Unverkennbar in der Todesspirale.
Tastatur klemmt schon wieder . Pause. Speichern. Datenverlust droht. Foto vom schlussendlich gewählten Restaurant. War irgendwie geil. Der macht den Beizern Feuer unterm Arsch, bloss merken die das nicht. Zwei Kebab! Im selbstgemachten Brot, Spitze. Drei Bier (portugiesisch, kalt)! 25 Franken. Vollgefressen.
Der Name ist die Provokation: Au pouce GOURMAND! Drinnen hängen die Kabel überall rum, es ist einfach herrlich. Dabei sagen sie auf der Webseite, es sei frisch renoviert. Muss unbedingt mal mit Mehmet da hinfahren.
Warum ich schlussendlich dort gegessen habe, ist ganz einfach. Habe den Besitzer gefragt, ob die Falafel hausgemacht seien. Er hat mich fast ausgelacht, nein, natürlich nicht. Ehrlichkeit währt einfach am Längsten.