Veloverlad – ein interessante Blog, glaubzmer

11/05/2014

Von Billigfliegern und Billigessern

Filed under: Uncategorized — Hotcha @ 09:54

Mit Verlaub, das ist ein wenig lang, aber ist halt direkt aus meinem Arbeitsjournal gepastet:

08:50 Kürzlich Michael Moore über Kapitalismus dozieren gehört, in einem seiner zahllosen Filme, die immer nach dem selben Muster gestrickt scheinen. Ihm selber geht es offensichtlich materiell fantastisch, das ist doch ein wenig irritierend. Dieses fettleibige Rumjetten, also ich weiss wirklich nicht, dieses mit Vorwürfen um sich schmeissen, dieses populistische Aufrühren ohne Aussichten auf Erfolg für die Opfer der Gesellschaft, für welche er ja ohne Zweifel eintritt. Kurz, sein massives Ego steht ihm im Weg. Ich kann ihn nicht ernst nehmen. Ich traue ihm etwa so viel wie seinem Schweizer Namensvetter, Ueli Muhrer. Und so nahm ich sein kürzlich gehörtes Statement auch nicht ernst, dass in den 50ern und 60ern eine amerikanische Familie noch von einem Einkommen leben konnte, was heute nicht mehr der Fall ist.

Bis ich dann meine Eltern in den Zeugenstand rief, sozusagen. Sie sind als junges Paar kurz nach dem Krieg, welcher heute übrigens vielen Schülern nicht mehr bekannt ist, der Arbeit hinterher gezogen. Ich mache hier die Kriegsklammer auf und zu: Letzte Woche am See zwei Jugendliche gehört, sie reden über eine Prüfung, für die sie lernen. Sie fragen sich gegenseitig ab. Frage: Was waren die wichtigsten Gründe, die zur europäischen Vereinigung, EU und so, geführt haben. Puuhh – und so gibt die andere die Antwort vom Lösungsblatt: Die zwei Weltkriege blabla… die andere: Ouh nei, das kann ich mir nie merken.

So, zurück in der Handlung: eine Lieblingsgeschichte meiner Mutter handelt von ihrem ersten Poulet, das sie in Zürich gekauft habe, da war sie wohl Zwanzig. So viele Franken hat das Poulet auch gekostet, also genauer gesagt, das Huhn, ein Suppenhuhn also. Aus der Metzgerei, Discount gabs ja damals noch nicht. Und wie sie es dann in der Küche verdorben hat, weil sie so etwas gar nicht kannte. Ich glaub, sie hat das ganze Huhn auf jeder Seite 10 Minuten gebraten oder so was, war natürlich steinhart, die Enttäuschung. Das Huhn war im Verhältnis so teuer wie heute ein Occasionsvelo. Heute werden Suppenhühner bei uns nur noch durch ganz wenige Kenner wie ich überhaupt gegessen.

Diese Eltern habe ich also gefragt, ob das stimmt, die Geschichte mit dem einen Einkommen. Sie, die wie alle älteren Herrschaften gerne die Härte der alten Zeiten betonen, bestätigten mir wider Erwarten des Moores Geschwätz – war also kein Geschwätz, sorry.

Und nun habe ich heute einen französischen Dokumentarfilm gesehen, der dem Ursprung des Discount und seinen Auswirkungen in der heutigen Gesellschaft nachgeht. Erschlagend ist das.

Der Film, französische Version

Am Beispiel von Ryanair sieht man, welches die immensen sozialen Kosten der Discountfliegerei sind. Die Angestellten werden ausnahmslos auf allerschlimmste ausgebeutet, ich brauche solche Schlagworte nicht gerne, aber hier gibt es die Verhältnisse perfekt wider. Stewardessen, denen nur die Flugzeit bezahlt wird, die Arbeit vor- und nachher ist gratis zu leisten. Sie müssen vorher eine Ausbildung für 3000 Euro bei einer externen Firma absolvieren, die aber auch Ryan gehört. Sie müssen die Uniform selber bezahlen. Piloten werden in extra gegründete Gesellschaften in anderen Ländern ausgelagert, um die Sozialkosten zu umgehen.

Oder Aldi, die es irgendwie geschafft haben, ein einigermassen cooles Migros-Budget-Image zu kriegen, sind im Besitz der zwei Gründer, Brüder Albrecht, Milliardäre, reich wie Bill Gates. Diesen Reichtum haben sie sich geschaffen in einer Tieflohnbranche, man muss sich das mal vorstellen, diese Schere, diese himmelschreiende Absurdität.

Wir sehen, wie die Produktion für die paar wenigen Ketten, die uns alle mit Gütern versorgen, Länder wie Rumänien kaputt machen. Hier im Nachbarshaus wurde vor ein paar Jahren eine Kontaktbar eröffnet, offenbar von einem Rumänenpaar, immer mal wieder kommen neue Frauen, Stil, Schminke, Habitus unverkennbar aus diesem globalen Einheitslook der grossen Modeketten übernommen, aber es stimmt noch nicht so richtig zusammen wie bei denen, die damit aufgewachsen sind, die schon immer im Discountparadies Schweiz leben. Es hat etwas angestrengtes, neureiches. Typisches Merkmal: Diese absurden dünnen Zigaretten, perfektes Symbol der Verschwendung, des Lebens im Überfluss. Es hat etwas trauriges. Ganz am Anfang konnte man die Verwandlung noch gut beobachten, die Frauen verkehrten zum Teil tagsüber auch bei Mehmet drüben. Sie hatten etwas rustikales an sich, und von Monat zu Monat wurde die Verwandlung sichtbarer, zuerst wurden die Nägel mit farbigem Plastik überklebt, die Legins wichen Designerjeanskopien – heute wären diese Legins glaub wieder der letzte Schrei, oder? Kurz, wenn man im Film dieses Land sieht mit arbeitssuchenden Männern an den Bahnhöfen, dann versteht man auch besser den Weg dieser Frauen. Sie sind die Generation, die hierher kommen, um ihren künftigen Kindern ein besseres Leben zu bieten, wie es vor ihnen die Russinnen oder Ukrainerinnen waren. Ich habe hier einen Kleingewerbler vor Augen, der Bauer schlechthin, ältlich, leicht schwablig überm Hosenbund, schwammig, mit seiner jungen schönen Frau, die dann in Nullkommanichts eine Tochter auf die Welt stellen konnte, man merkt ihr einfach an, sie erwartet für sich selber nichts, sondern sie sieht sich als Brücke für diese Tochter in die reiche Welt des Westens. Diesen Kleingewerbler gibt es, ist keine Erfindung von mir und sicher auch eine Art Normalfall jenes Schweizer Mannes, der den einheimischen Frauen nicht gewachsen ist. Figuren wie aus einem Roman von Emile Zola.

Im Film sieht man sehr gut, wie Ausbeuter und Ausgebeutete miteinander verquickt sind, oder wie ich heute in einem Kommentar beim Freitag lesen konnte, „niemand ist schuld am Kapitalismus“. Wenn die Aldi-Verkäuferin über die Zerstörung durch Discounter klagt, mit ihren Plastiknägeln in ihrer Plastikwohnung unter ihren Plastikfrisur, was soll man dann wohl denken über ihr Einkaufsverhalten? Wer ist hier ohne Schuld? Wer denkt bei seinen Einkäufen und Reisen an die Infrastruktur, die dadurch kaputt geht? Wer billigfliegt nicht, discountet nicht? Wenn der Ryansche Zynismus so erfolgreich ist, der die Ausbeutung sogar noch in der Werbung durch Zurschaustellung seiner Hostessen in Unterwäsche richtiggehend zelebriert, wie soll man dann noch am echten Volkswillen zweifeln? Eine Spirale ohne Ende.

03/05/2014

Veloverlad wird gratis, für mich wenigstens

Filed under: Uncategorized — Hotcha @ 07:39

Gut, ich weiss nicht, ob überhaupt Blogs noch gelesen werden. Würde mich schon noch wunder nehmen. Bis ich das weiss, klebe ich hier halt mal einfach velorelevante Auszüge aus meinem Kulturtagebuch, dem Dokuwiki auf webdreinull.ch.

09:25 historischer Tag: Ich sitze im Zug in die Ostschweiz, und zum ersten Mal seit vielen Jahren habe ich kein Velo dabei. Mein Jahresabonnement für die Fahrradmitnahme läuft am 24. Mai aus. In letzter Zeit habe ich mich zunehmend genervt über die Preispolitik der SBB, welche zusätzlich zu den jährlich 220 Franken ungeniert einen Fünfliber für jede Platzreservation heuscht. Die Platzreservationen sind wohlgemerkt obligatorisch in den Intercity-Zügen, es ist zum Teil gar nicht mehr möglich, einen reservationsbefreiten Zug zu finden. Das Toupet dabei dann noch: Die Reservation gilt pro Zug, wenn man also umsteigen muss, ist wieder ein Schnägg fällig. Das ist keine Preispolitik mehr, das ist eine Abschreckungspolitik, und es wird Jahr für Jahr schlimmer. Also werde ich vorderhand auf die Jahreskarte verzichten, das Velo nur noch mitnehmen wo es mir wirklich was bringt und es halt in den Transbag stecken, den ich ja mal gekauft habe, zusätzlich zur Velokarte, um der Reservationspflicht zu entgehen.

Nun werde ich das Velo also künftig gratis mitnehmen. Muss es halt immer einpacken. Da verstehen die Kondüktöre gar keinen Spass. Spare ich runde 300 Franken pro Jahr. Doofe SBB.

Powered by WordPress , using Bruder Bernhard's theme of the Nackthalshuhn