Veloverlad – ein interessante Blog, glaubzmer

30/10/2013

Griessbrei in St. Louis

Filed under: Essen,Unterwegs — Schlagwörter: , , , — Hotcha @ 08:03

Darmbakterien, MRSA-Erreger (im Volksmund auch Spitalkäfer – multiresistente Bakterien), dann aber auch Hundescheisse, Spöifer, Köderlig, Grüne – das tummelt sich alles auf den Böden unserer Züge. Deshalb solle man niemals eine Tasche auf den Boden stellen, die dann später auf Stühle gelegt, aufs Bett geworfen, auf einen Tisch gehoben wird. Irgendwie einsichtig und doch überraschend, oder nicht? Wer denkt denn schon an sowas?

Vis-à-vis von mir, die Dame im Basler Trämli inspiriert sich sichtlich vom Daig, also den oberen paar Dutzend der Basler Bourgeoisie. Soll ich es ihr wohl sagen? Da nimmt sie aus ihrem Säckli ein Heft „NZZ Residence“ hervor, ganz offensichtlich die gehobene Variante von „Schöner Wohnen“. Sie würde besser „Heim und Keim“ lesen, vielleicht stellte sie dann ihr über alle Massen gediegenes Papiertäschli aus der Edelboutique Irgendwas, Paris nicht auf den Fussboden.

Hösch!

Ich verfahre immer noch mein 2-Wochen-Ferien-GA – heute wollte ich mal ganz ganz früh auf die Piste, um 6 Uhr war ich schon am Bahnhof und in einen Bummler nach Neuchâtel-Yverdon-Morges gestiegen. Nur hatte ich dummerweise meine ganzen Geräte nicht aufgeladen über Nacht, und in diesen Zügen wird mit Steckdosen noch gegeizt. Ich fand jedenfalls keine. Und musste deshalb in Neuchâtel aussteigen, um einen Zug mit Auflademöglichkeit zu finden. Das war nicht ganz einfach. In allen Regionalzügen: Kein Strom.

Und so landete ich dann in Basel, frisch aufgeladen. Immer noch in aller Frühe. Wohin jetzt? Ins Tram nach St. Louis, grad an der Grenze. Noch eine halbe Stunde Fussweg, und man steht mitten im irgendwie elsässischen Städtchen. Grad hinter der Grenze regiert noch der Depro, geschlossene Restaurants, ein paar Bewohner führen ihren Hund aus, meist nur notdürftig bekleidet, im Trainer, hinten drauf steht noch ‚Novartis‘.

Im Städtchen ein richtig schöner Buchladen mit Papeterie, Filmen, CD, eine gute Auswahl. Sie hebt sich angenehm ab von den Panikbuchläden in der Schweiz, die mit Engels- und sonstiger Esoliteratur zu überleben versuchen. Im Inneren Zettel, man solle sie doch durch Einkäufe unterstützen, sie würden bald von ihrer Kette ausgegliedert und durch die Angestellten übernommen, Einkäufe sicherten Arbeitsplätze. Fast wäre ich eingeknickt und hätte die Memoiren von Salman Rushdie gekauft, aber die französische Übersetzung kann mich nicht richtig packen. Oder George A. Romeros ‚Zombies – The Dawn Of The Living Dead‘ für nur 9.99 € stelle ich wieder zurück ins Regal – jetzt habe ich den doch grad vor ein paar Tagen anderswo gefunden.

Stunden scheinen vergangen – ich komme an einem elsässer Markt vorbei und kaufe frisches Geflügel, um dann aber endlich am Ziel meiner Wünsche anzulangen: Eine richtige französische Beiz, ein Wirtshaus, Leute sitzen draussen an der Sonne, weitere bilden eine kleinere Traube am Tresen. Da will ich essen, auf der Tafel steht auch Osso Bucco angeschrieben.

Eine hohe Decke, ein recht grosser Saal, effiziente Damen im Service und ein imposanter Wirt, der die meisten Gäste persönlich begrüsst. Es ist 11 Uhr, die Tische werden für das Mittagessen gedeckt, der riesige Flachbildfernseher mit dem Regionalprogramm angeworfen, zwischendurch ein Schwätzchen mit einem der Gäste, die immer mal wieder zum Rauchen auf die sonnige Terrasse raustreten, alle schon älter, dem Apéro zugetan, die Jackenärmel gern auf Halbmast raufgekrempelt, der frischen Herbstluft zum Trotz. Das ist das Restaurant La Poste in St. Louis, Frankreich – in komfortabler Gehdistanz vom Basler Zoll.

Das wird hier jetzt zu lang, Essen kennen wir ja alle, ihr wisst unterdessen auch was ich gern habe: Alles was aufwendig lange gekocht oder gebraten oder geschmort werden muss. Hier bin ich voll auf meine Rechnung gekommen: Das Entrée war ein Kruditätsteller mit ausgezeichnetem Schinken, und dann der Hammer: Osso Bucco, etwa 4 der Pfoten, lange geschmort, schon fast ein wenig karamelisiert, und dazu Semoule de blé, Griessbrei! Aber so wunderbar fein, ein wenig wie Polenta, aber cremiger. Eine Überraschung, ja eine Inspiration.

Wieder mal Das Kochbuch für den hauswirtschaftlichen Unterricht aus dem Regal ziehen. Unbedingt.

PS: habe das im Migros Restaurant Grenchen fertig geschrieben, zwischen zwei Zügen. Als ich den letzten Schluck Kafi runterschütte und mich eilig ans Aufschliessen meines Velos mache, kommt schon eine alte Frau auf die Terrasse und weist mich zurecht: „Und de wägruume, do mues me wägruume!“

Das Wort hat Marc, Stude. Im Hintergrund: Besagte Terrasse.

25/10/2013

In die Pfanne gehauen

Filed under: Essen,Unterwegs — Schlagwörter: — Hotcha @ 13:43

Viele gute Erinnerungen verbinden mich mit der deutschen Küche. Angefangen bei den Schäufele in Nürnberg mit babykopfgrossem Kloss dazu, der Wirt bot jedem 100 DM, der ihn aufisst. Die Währung, die scheinbar viele wiederhaben wollen, steht auch für die Epoche – das war in den 80ern. Für uns kleine Schweizerlein, auf Tour in West- und Ostdeutschland, war die dortige Küche immer wieder für eine Offenbarung gut. Und sei es auch die berüchtigte Brühwurst auf DDR-Autobahnen für 1 DM – unser Schlagzeuger war danach eine ganze Nacht lang ernsthaft krank, ich habe die Geschichte auf meinem Musikblog mal erzählt.

Doch nicht nur schlechtes Essen wurde gekotzt, auch gutes. Weil Mass halten ist nicht mein Ding, es wurde mir mal das Goldfischsyndrom attestiert (frisst so lange es hat, kann dadurch zum Platzen gebracht werden). Balkanplatte ist mein grosser Favorit, verschiedenste Sorten Fleisch, Reis und Pommes Frites! Wir hatten auch schon mal unser Essen am Tisch stehend, in der Kälte draussen, turnend sozusagen eingenommen. Warum? Weil die Balkanplatte so fein und üppig war, dass wir fortlaufend Kalorien verbrauchen wollten, um den Genuss so richtig auszudehnen.

Ich bin also vom Fach.

Mein liebster Nachbar ist Mehmet, er vom Balkangrillhouse Bözingen. Bei ihm esse ich häufig, in den Sommerferien schon fast täglich. Dadurch habe ich guten Einblick in die Möglichkeiten und Grenzen eines Restaurantkochs. Das ist bei uns immer wieder unerschöpfliches Gesprächsthema: Wo kauft man die besten Pommes ein, wer verkauft anständiges Lammfleisch zu einem günstigen Preis, wer frisches Gemüse.

Das Wohl unserer Gäste liegt uns sehr am Herzen. Deshalb legen wir großen Wert auf Service und Gastfreundschaft. (Aus der Webseite des Restaurants Dionysos Rheinfelden).

Das sagen sie alle, die griechischen Restaurants in Deutschland. Die müssen alle denselben Werbetexter haben.

Dann sollte aber folgendes nicht passieren:

  • Ich erblicke fritierte Sardinen auf der Liste der Vorspeisen (€ 4.90). Sardinen, da kann ich nie widerstehen. Zur Sicherheit frage ich nach, ob es sie denn heute auch gäbe. Der Kellner, welcher übrigens den Geruch kalten Schweisses ausdünstet: „Alles was auf der Karte ist gibt es auch. Was nicht auf der Karte ist gibt es nicht“. Paff! Ok. Ich war gerade mal 10 Minuten im Lokal.
  • Da ich auch Lust auf den Bauernsalat und das selbst gebackene Brot habe, bestelle ich diese, nachdem ich mich vorher beim Keller vergewissert hatte, dass die Sardinen mir nicht schon im Vorfeld den Magen füllen würden. Wieviele Sardinen es denn sein würden? „Das weiss ich nicht, wenn Koch Lust hat, sind es viele, wenn keine Lust, sind es weniger“. Schladaing!

Als ich mich beim Abrechnen am Schluss noch neugierig erkundige, ob die sechs Sardellen nun viel oder wenig waren, weiss er es plötzlich ganz genau: „Es sind immer sechs, weil dann kann man dekorieren drei links und drei rechts. Mit allem ist das so, Fisch, Crevetten.“

Aber genug des armen Teufels – er scheint seinen Beruf wirklich nicht zu mögen, das will ich ihm nicht verdenken, ich stehe immer noch ganz intuitiv auf der Seite des Ausgebeuteten, des Lohnabhängigen, ich sentimentaler Trottel.

Lasst uns nun über das Essen sprechen.

Die Fische habe ich ja bereits erwähnt. Etwas tranig, wenig gesalzen, aber dafür gibt es ja das Salz auf dem Tisch. Sechs Stück, fingerlang (bei mir 7 cm). Ich mag das. Mit 4.90 knapp an der Grenze zur entlarvenden 5. Gleichzeitig wird mir ein bauernartiger Salat gebracht, wenig gewürzt, wenig Essig, viel billiges Öl, sicherlich nicht aus Oliven rausgepresst. Griechenland = Oliven, wir entsinnen uns?

Vorher einen feinen Ouzo, den hatte ich vergessen, sorry. Und das Hefeweizen. Perfekt. Und absolut notwendig, um das nun folgende runterzuspülen. Folgte nämlich ein Teller mit etwas schrumpligen Frites, einem Hämpfelchen Reis, dieser tadellos, und etwa sieben Stücken Fleisch, darunter ein billig wirkendes Lammkotelettchen. Und ein weisser schwerer Haufen ohne rechten Geschmack, wohl das Tsatsiki Zaziki Du ficksch mi. Letzteres gedacht über den Mann in der Küche, dem seine Griechità wohl völlig einerlei ist, so was unstolzes gibt es sonst nur noch in der Käseabteilung der Migros, diese Käseattrappen ohne Geschmack, drauf steht wahlweise Emmentaler, Appenzeller, Greyerzer und was der heiligen Namen mehr sind. Schindluder unter dem Deckmantel einer Nationalküche hier wie dort.

Fatalerweise lag über all dem der Geruch von altem Fett.

Nun weiss ich von meinem guten Kollegen vom Kebabgrillhouse Bözingen zwei Sachen mit Sicherheit: Es ist möglich, auch bei knappem Budget ausgezeichnete Frites einzukaufen. Er macht das nämlich. Seine Quelle will ich hier nicht preisgeben, aber es handelt sich um einen Discounter, er hat nach umfangreichen Tests sich für die von Aldi entschieden. Ich bin kein Freund von Discountern, aber ich muss zugeben, eine gute Wahl.

Zweitens weiss ich, wie wichtig ein regelmässiger Oelwechsel ist. Und das ist nicht billig, für den Betrag konnte ich jeweils meinen alten VW-Bus volltanken.

Kurz und gut: Wer mit grossen Worten um sich wirft, sollte diese nicht durch Taten strafen. Und ich habe möglicherweise für eine Weile genug von Experimenten dieser Art. Aber noch muss ich mein Ferienabo amortisieren, eine Woche bleibt mir. Ob es mich nochmals nach Rheinfelden zieht, diesmal zum beliebten Chinesen oder zum andern Griechen, das bleibt jetzt noch offen, solange ich noch den dumpfen, leicht bitteren Nachgeschmack des Altöls in der Kehle habe.

Doch da kommt Biel in Sicht – jetzt sofort nach Hause zu einem ganz dicken ganz süssen ganz grossen Espresso vom Italienerladen an der Ecke.

21/10/2013

Burka gesucht

Filed under: Essen,Fahrradmitnahme,Tessin — Hotcha @ 14:41

Das ist jetzt schön blöd: Auf dem Weg ins Tessin habe ich meine welsche Sonntagszeitung im Zug entsorgt, heute Montag morgen. Dabei wollte ich doch noch der aus den Augenwinkeln gelesenen Bemerkung auf den Grund gehen, die SP Frauen Schweiz hätten eine differenzierte Haltung zum Burkaverbot gefunden. Man wolle nun einfach die Männer strafrechtlich belangen.

Damit hätte die Burkahysterie wohl eine neue Absurdität geworfen. Denn würde das nicht bedeuten, dass hinter jeder anstössig gekleideten Frau ein Mann steht? Cherchez l’homme… Denn wird die Burka für den Mann getragen, gilt das wohl in verstärktem Masse für Minis, Hotpants, Brust- und Arschpolster, Brust- und Vaginastraffungen etc. Dann hätte Frau ja keinen freien Willen, sondern sie wäre eben eine ‚Puppet On A String‘.

Lange habe ich auf der Seite der Tribune Le Matin nach dem entsprechenden Artikel gesucht – ich glaube, es stund im Interview mit dem Fribourgischen Bischof, ein angenehm gelassener Mensch. Google half dann, im Nouvelliste kann man es nachlesen. Das ist denen wirklich ernst. Ich hätte es nicht gedacht.

Aber die würden ja auch die Schamhaarrasur verbieten wollen, könnten sie damit bei der Populistik punkten. Solche Sätze gehen mir bei andern auf den Keks, jetzt mach‘ ich’s auch. Total unwitzige und überdehnte Extrapolationen. Sorry. Lösch!

Heute morgen bin ich bis ins Tessin hinunter gefahren, um eventuell mal eine Burka in ihrem natürlichen Lebensraum bewundern zu können. Ohne Erfolg. Dafür aber konnte ich endlich endlich wieder einmal bei La Terrazza Da Teo in Bellinzona einkehren.

Es gab Spaghetti Carbonara mit feinem Köhlergeschmack, danach einen schönen gemischten Salat (fünf Sorten) mit der Original Teo Haus-Sauce, danach Risotto mit merguezdünnen Tessiner Würstli (vier), danach eine Nonnentorte, Kastanien waren schon ausgegangen. Mit dem Merlot 26 Franken. Und einfach grossartig.

Seit ich letztes Jahr fleissig dort eingekehrt bin, hat sich eines geändert: Auf Tripadvisor ist die Terrazza nun als „Sur réservation“ ausgeschildert. Nun, so schlimm ist es wohl nicht, ein Plätzli hat sich noch immer gefunden. Aber sonst hier die Telefonnummer: 091 825 60 64.

Übrigens, Teo fährt auch Velo.

PS: Dank dem Hinweis von Frau Frogg weiss ich um die Existenz der SBB-Ferienpässe. Und habe die Luxusausgabe für 219 Franken gekauft, zwei Wochen freie Fahrt.

Macht euch auf etwas gefasst.

Powered by WordPress , using Bruder Bernhard's theme of the Nackthalshuhn