Darmbakterien, MRSA-Erreger (im Volksmund auch Spitalkäfer – multiresistente Bakterien), dann aber auch Hundescheisse, Spöifer, Köderlig, Grüne – das tummelt sich alles auf den Böden unserer Züge. Deshalb solle man niemals eine Tasche auf den Boden stellen, die dann später auf Stühle gelegt, aufs Bett geworfen, auf einen Tisch gehoben wird. Irgendwie einsichtig und doch überraschend, oder nicht? Wer denkt denn schon an sowas?
Vis-à-vis von mir, die Dame im Basler Trämli inspiriert sich sichtlich vom Daig, also den oberen paar Dutzend der Basler Bourgeoisie. Soll ich es ihr wohl sagen? Da nimmt sie aus ihrem Säckli ein Heft „NZZ Residence“ hervor, ganz offensichtlich die gehobene Variante von „Schöner Wohnen“. Sie würde besser „Heim und Keim“ lesen, vielleicht stellte sie dann ihr über alle Massen gediegenes Papiertäschli aus der Edelboutique Irgendwas, Paris nicht auf den Fussboden.
Hösch!
Ich verfahre immer noch mein 2-Wochen-Ferien-GA – heute wollte ich mal ganz ganz früh auf die Piste, um 6 Uhr war ich schon am Bahnhof und in einen Bummler nach Neuchâtel-Yverdon-Morges gestiegen. Nur hatte ich dummerweise meine ganzen Geräte nicht aufgeladen über Nacht, und in diesen Zügen wird mit Steckdosen noch gegeizt. Ich fand jedenfalls keine. Und musste deshalb in Neuchâtel aussteigen, um einen Zug mit Auflademöglichkeit zu finden. Das war nicht ganz einfach. In allen Regionalzügen: Kein Strom.
Und so landete ich dann in Basel, frisch aufgeladen. Immer noch in aller Frühe. Wohin jetzt? Ins Tram nach St. Louis, grad an der Grenze. Noch eine halbe Stunde Fussweg, und man steht mitten im irgendwie elsässischen Städtchen. Grad hinter der Grenze regiert noch der Depro, geschlossene Restaurants, ein paar Bewohner führen ihren Hund aus, meist nur notdürftig bekleidet, im Trainer, hinten drauf steht noch ‚Novartis‘.
Im Städtchen ein richtig schöner Buchladen mit Papeterie, Filmen, CD, eine gute Auswahl. Sie hebt sich angenehm ab von den Panikbuchläden in der Schweiz, die mit Engels- und sonstiger Esoliteratur zu überleben versuchen. Im Inneren Zettel, man solle sie doch durch Einkäufe unterstützen, sie würden bald von ihrer Kette ausgegliedert und durch die Angestellten übernommen, Einkäufe sicherten Arbeitsplätze. Fast wäre ich eingeknickt und hätte die Memoiren von Salman Rushdie gekauft, aber die französische Übersetzung kann mich nicht richtig packen. Oder George A. Romeros ‚Zombies – The Dawn Of The Living Dead‘ für nur 9.99 € stelle ich wieder zurück ins Regal – jetzt habe ich den doch grad vor ein paar Tagen anderswo gefunden.
Stunden scheinen vergangen – ich komme an einem elsässer Markt vorbei und kaufe frisches Geflügel, um dann aber endlich am Ziel meiner Wünsche anzulangen: Eine richtige französische Beiz, ein Wirtshaus, Leute sitzen draussen an der Sonne, weitere bilden eine kleinere Traube am Tresen. Da will ich essen, auf der Tafel steht auch Osso Bucco angeschrieben.
Eine hohe Decke, ein recht grosser Saal, effiziente Damen im Service und ein imposanter Wirt, der die meisten Gäste persönlich begrüsst. Es ist 11 Uhr, die Tische werden für das Mittagessen gedeckt, der riesige Flachbildfernseher mit dem Regionalprogramm angeworfen, zwischendurch ein Schwätzchen mit einem der Gäste, die immer mal wieder zum Rauchen auf die sonnige Terrasse raustreten, alle schon älter, dem Apéro zugetan, die Jackenärmel gern auf Halbmast raufgekrempelt, der frischen Herbstluft zum Trotz. Das ist das Restaurant La Poste in St. Louis, Frankreich – in komfortabler Gehdistanz vom Basler Zoll.
Das wird hier jetzt zu lang, Essen kennen wir ja alle, ihr wisst unterdessen auch was ich gern habe: Alles was aufwendig lange gekocht oder gebraten oder geschmort werden muss. Hier bin ich voll auf meine Rechnung gekommen: Das Entrée war ein Kruditätsteller mit ausgezeichnetem Schinken, und dann der Hammer: Osso Bucco, etwa 4 der Pfoten, lange geschmort, schon fast ein wenig karamelisiert, und dazu Semoule de blé, Griessbrei! Aber so wunderbar fein, ein wenig wie Polenta, aber cremiger. Eine Überraschung, ja eine Inspiration.
Wieder mal Das Kochbuch für den hauswirtschaftlichen Unterricht aus dem Regal ziehen. Unbedingt.
PS: habe das im Migros Restaurant Grenchen fertig geschrieben, zwischen zwei Zügen. Als ich den letzten Schluck Kafi runterschütte und mich eilig ans Aufschliessen meines Velos mache, kommt schon eine alte Frau auf die Terrasse und weist mich zurecht: „Und de wägruume, do mues me wägruume!“
Das Wort hat Marc, Stude. Im Hintergrund: Besagte Terrasse.