Wo die Männer wie pensionierte Badmeister aussehen, da ist jetzt mein Zuhause – für die nächsten paar Tage noch. Zum Glück bin ich mit dem Velo da. Ohne hätte ich wahrscheinlich weder mein günstiges Hotel noch die angesagte Arbeiterbeiz gefunden, mit Primo, Secundo, Tertio und Dessert, alles für 19 Franken, Supplement kein Problem. La Terrazza Da Teo, immer Mittags, Do/Fr auch am Abend.
Das beginnt zuerst mal mit einem Fuder Teigwaren. Dann ein grosser gemischter Salat, die Sauce hausgemacht in Literflaschen, die von Tisch zu Tisch gehen. Der Hauptgang heute: Irgendein Fussknöchel vom Schwein, im Ofen geschmort, mit echtem Gemüse: Zucchini, Pataten, Rüebli, siehe Foto. Kickt all diese unsäglichen deutschschweizer Jammerwirte mit ihrer Gemüsegarnitur, ihrem Gemüsebouquet ins Abseits – würden sie doch endlich ganz verschwinden, statt hoffnungsvoll in Faulheit ihre Pensionskasseneinlagen zu verbraten, bis dann der Konkursverwalter kommt, kurz danach der hoffnungsvolle Nachfolger, ebenfalls hoffnungslos abschiffend. Wobei mir grad auffällt: Ich habe hier noch kein einziges Fumoir gesehen. Scheint also doch nicht am Rauchen zu liegen, wenn die Beizen nicht laufen. Hier laufen die Beizen. Sieht auf jeden Fall so aus. Ich weiss auch warum: Da wird noch gekocht. Richtig. Nicht einfach aufgewärmt. Und es gibt Sachen, die ich nicht genauso gut bzw. besser selber auch machen kann zu Hause. Diese deutschschweizer Wirte, was setzen die mir vor: Teufel auch, Spaghetti Bolo, Salat aus dem Päckli, Sauce von Knorr; eine der damals besseren Schweizer Bands, Ladyshave, sangen dazu: It’s Coming Up, Es Chunnt Mer Opsi. Zu diesem Thema dann mehr, wenn das neue Buch über Schweizer Punk in den 80ern erscheint, Nachfolger zu Hot Love 1976 – 1980, remember, hier habt ihr es zuerst gelesen. Und ich bin dann drin. Endlich Legende. Boost!
Der Kaffee kostet hier 2.50, sagte man mir. Im Hotel Gamper, die mit der ausgezeichneten Pizzeria, ich ass hier die besten Spaghetti Frutta di Mare ever, gar 2.30!
Zum Schlafen empfehle ich das Hotel Moderno, so alt wie sein Name, aber sauber, praktisch, sehr günstig, ich glaube das billigste Hotel am Platz, und sympathisch. Ein knochentrockenes Tessiner Ehepaar in meinem Alter hält die Bar unten an der Ecke, oben haben sie ein paar Zimmer, so ein Dutzend, auf zwei Etagen verteilt, WC/Dusche auf dem Gang, gemeinsam. Ich zahle 60 Franken die Nacht, mit Dusche im Zimmer soll es auch geben, das wäre dann 100. Völlig korrekt – unnötigen Tand soll man hoch besteuern.
Zuerst hatte ich ein kleines Männerzimmer, ein Bett, etwas Umschwung wie Lavabo, Schrank, 3 Quadratmeter freie Bodenfläche. In der nächsten Woche, also jetzt, wurde ich dann in ein besseres Zimmer einquartiert, eigentlich ein Doppel zur Einzelnutzung, mit Balkon! Hin zur Strasse dafür, vorher war Blick auf den Hinterhof und Ruhe. Jetzt habe ich Blick auf das hupende Leben, das zuverlässig nach dem Fussballmatch beginnt, aber schlagartig um 00:30 aufhört – wilde Jugend! Ob ich das Zimmer deshalb bekommen habe? Nein nein, ich bin halt einfach der sympathische Typ. Nächste Woche kriege ich sicher die Privatwohnung des Ehepaares. Danach werde ich aber dann nicht mehr hingehen, die Tochter ist nicht mein Typ, und ich will auch nicht heiraten.
Man kann in der kleinen Bar auch essen, das Mittagessen ist wie richtig, Osso Bucco stand mal auf der Karte! Mit Kartoffelstock! Es war 30 Grad draussen! Am Abend dann nur Snacks, Toast zum Beispiel, oder die typischen Süssigkeiten aus der Vitrine, trockenes Zeug in farbigen Päckli, glaube ich, ich habe nicht näher hin gesehen, wollte nicht enttäuscht werden. Zum Frühstück, dieses inbegriffen, unverändert Kaffee vom Typ Doppelter Espresso, ein Staubgipfeli (ist viel gesünder als dieses fettige Palmfettzeugs bei uns), hellstes Weissbrot, immer die gleichen zwei Konfitüren, viel Butter. Mir recht. Mit was die anderen Hotels jeweils ihr ‚Frühstücksbuffet‘ aufpeppen, gezuckerte Müsli, gezuckerte Yoghurt mit Palmfett, Hinterstinken äh -Schinken (oder ist der Vordere der Billige?) – ich breche hier mal ab. Draussen wartet das Leben. Hier in Bellinzona. Glaubzmer!