Wie versprochen: Meine Erfahrungen mit dem Kindle 4, Amazon-locked, welch ein Schreck. Wirklich? Read on…. And on… And on… And on…
Genau so geht es mir. Seit ich den Kindle habe, eigentlich eher versehenlich bestellt, lege ich ihn fast nicht mehr aus den Händen, lese die wildesten Sachen, ersetze Laufmeter an Laufmeter an Büchern durch ein paar wenige Mega auf der 2-Giga-Speicherkarte. Halb voll ist er möglicherweise schon fast, ist aber kein Hindernis, weiter auszubauen. Kann ja auf den PC auslagern.
Der Kindle 4 ist der kleinste, einfachste und natürlich billigste Reader auf dem Markt, der überhaupt was taugt. Rund 120 Eier. Bei mir stand er in Konkurrenz zum Sony Reader PRS-T1, immerhin 200 Dukaten im Ladengeschäft. Als androider Open Sourcer war der Sony eigentlich gesetzt, aber für 200 Kröten gibt’s recht viele Papier- oder E-Bücher, oder ein Jahresabo von Libération auf dem Kindle. Bin ich blöd?
Was sprach für den Sony? Er liest PDF, scheint’s aber nicht sehr toll; er geht per WLan ins Netz, scheint’s aber nicht so toll; man kann damit auch Musik hören, aber dafür habe ich schon genügend Geräte, z.B. das Smartphone; er liest das Gutenberg’sche Epub-Format, und das war das Wichtigste. Ich war auch sehr angetan von der Möglichkeit, mit einem Stift Notizen zu zeichnen, in die Bücher zu kritzeln.
Und nun habe ich trotzdem den Kindle. Und möchte nicht mehr tauschen. Ich möchte auch keinen anderen, grösseren und damit auch schwereren Kindle, einen mit Tastatur oder Streichelbildschirm. Es gibt absolut keinen Grund dafür. Zumal ich auch beim kleinen, 180 Gramm schweren Klein-Kindle Anmerkungen machen kann – tue ich selten – und ich wichtiges unterstreichen kann, um es dann in einem Buchauszug wieder zu finden, als Sprungmarke zurück ins Buch. Bewährt sich total gut für Fachliteratur, die man diagonal durchliest und die Highlights bzw. das, was man brauchen kann, markiert. Wirklich, ausgezeichnet. In jeglichem Sinne.
Zunächst mal habe ich auf dem Kindle bereits die wichtigsten Klassiker der mir so lieben französischen Literatur des 19. Jahrhundert. Will ich noch mehr, brauch‘ ich unbedingt mehr Lesezeit. Dumas, Flaubert, Stendhal, Zola, Balzac, der grosse Michelet! Etwas Rousseau (wer will das schon alles lesen?), einzig von Chateaubriand fehlt mir bisher ein Band seiner Memoiren – den werde ich halt gelegentlich auf Papier kaufen, aus unerfindlichen Gründen ist es derselbe, der mir in den Pléïades abhanden gekommen ist. So, Ende Bildungshuberei, aber das musste jetzt sein. Ah, noch nicht fertig, Victor Hugo, Daniel Defoe (english), dann die ganzen Zeitungsfortsetzungsromänler wie Eugène Sue, Paul Féval, den ganzen Rouletabille, es hört nimmer auf – von George Sand bin ich abgekommen, seid ich ihr dümmliches Mallorca-Buch gelesen habe. Schade, die Idee mit dem schwülstigen Orientalismus war gut.
Also, all diese Sachen gibt’s bei Amazon, sei es gratis in Einzelausgaben, sei es in Gesamtausgaben für runde 2 Taler je. Habe ich in den letzten Tagen runtergeladen. Bald sind ja Ferien. Nicht falsch verstehen, ich lese schon jetzt wie halbwild.
Dann gibt’s die Zeitungen: Libération, Zeit, Süddeutsche, Le Monde. Eine Tageszeitung für rund 1.50 Pistolen, die Zeit etwas mehr, deutlich billiger aber als am Kiosk. Teilweise nicht mal halb so teuer. Die Süddeutsche kostet bei uns mehr als 5 Eier! Der bittere Tropfen: Die Zeitungen werden von Amazon zusammen gestellt, nicht von der Redaktion. Am Anfang soll das ein Problem gewesen sein, unterdessen merkt man keinen Unterschied zwischen Original und Kindle-Ausgabe mehr, inhaltlich wenigstens. Die Präsentation ist am Anfang schockierend, irgendwie wird das kleinste Schnipsel aus der Zeitung gleich wichtig wie die ganzseitige Reportage behandelt. Zwei, drei Ausgaben gelesen, und man hat’s im Griff und navigiert darin herum wie im Papierblatt. Vorteil: Überall erhältlich, wo es Wlan gibt. Und nochmals: Der Preis! Wenn ich nur denke, immer dieses Gerenne in den Ferien, um eine halbwegs anständige Zeitung zu kriegen. Heute reicht mir ein Campingplatz in der Pampa mit Wlan-Anschluss, und ich bins zufrieden. Übrigens: Ich suche immer noch einen günstigen Campingplatz in oder um Bellinzona, so für die Zeit um den 6. Juli, wenn ich dann Zeit habe, so hoffe ich wenigstens.
Schweizer Zeitungen gibt es glaub’s noch nicht – habe ich aber nicht überprüft, wozu auch? Dumm ist der Fall bei Le Monde: die habe ich schon elektrisch abonniert, kann sie aber aus dieser Quelle nur auf dem Smartphone lesen. Für den Kindle müsste ich sie ein zweites Mal abonnieren. Im Extremfall würde ich sie halt einzeln kaufen oder für einen Monat abonnieren, 11 Zechinen. Aber das Smartphone habe ich ja immer dabei, ziehe die Zeitung über dessen Wlan-Anschluss herunter, also nicht mal ein künstliches Problem, das. Ebenso die PDF-Ausgabe von Le Temps.
Mehr zu den PDF: kein Spitz, die mit Calibrate oder so nach Kindle zu konvertieren, die Zeilenumbrüche bilden ein total irritierendes Treppenmuster, kein konzentriertes Lesen möglich. Schade, ich hätte gerne die 350 Bände der Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe mit mir herumgetragen. Was wären das, rund 10’000 Seiten wirres Zeugs, ich mag so was. Aber dafür habe ich den Panizza gefunden, auch bei Amazon, auch gratis, die waren jahrzehntelang richtiggehend verboten, die Erben schämten sich des punkigen Literaten und klemmten einfach – manchmal konnte man eine Raubkopie finden, aber das ist auch schon 30 Jahre her… Nun ist das Urheberrecht verfallen, so lange ist der Mann also schon tot, 70 Jahre gab es ihn einfach nicht mehr!
Ein letzter Vorteil: Alles, was ich im Amazon Shop zu vollen Preisen gekauft habe, ein paar Fachbücher sind das, kann ich nun auch auf dem Kindle dabei haben. Und was ich nicht von Amazon, sondern vom Verlag direkt gekauft habe, lese ich auf dem Smartphone. So.
In Kombination mit dem internettauglichen Smartphone für mich perfekt. Und der Kindle kostet mich ja jetzt nichts mehr, keine Verbindungskosten, und das Schriftbild ist halt unschlagbar. Kein Vergleich zum Lesen auf den gepixelten Monitoren von Handy, Tablett, Note- oder Netbook.
Die Verbindung von Notebook zu Kindle geht mit dem beigelegten USB-Kabel, zum Aufladen habe ich ein USB-Universalaufladegerät gekauft, war etwa 12 Einerli, damit kann ich nun jedes Gerät mit PowerOnUSB aufladen, das Telefon z.B. Keine Angst, es ist leicht, und etwa so gross wie eine Aprikose.
Hat man ein solches Gerät, merkt man, wohin die Reise der Buchkultur geht. Irgendwann stirbt das Papier wirklich aus, die Geräte werden ihre Software verbessern, und vielleicht bleibt am Schluss ein einziger Anbieter übrig, dann kostet alles wieder wie vorher. Sony hat eine ähnliche Strategie wie Amazon, sie bieten auch vor allem den Zugriff auf die Klassiker von Gutenberg – und die freibeuterhaft eingescannten Google-Books.
Kann sein, dass man allein für diese mal noch den Sony kaufen muss. Wäre das so schlimm?
Für die Hapdick kann man ja anderes anfassen, wenn einem das so wahnsinnig fehlt. Blödes „Untergang der Kultur“-Gejammer.
Das alles geschrieben nach der besten Pizza Calzone meines Lebens, wirklich. Frische knackige Pilze waren drin, feiner Qualitätsschinken, nicht dieses Gummizeugs wie sonst. 40 cm war sie lang! Und nur Killer drin, keine Filler, wie sonst immer. Danke, Terrazza Da Teo, Bellinzona – bald wieder.
PS: die letzten 2 cm habe ich einfach nicht mehr geschafft – zum Glück hatte ich heute kein Mittagessen!
PPS: Vor dem Kauf habe ich hin und her überlegt, Kindle, Sony? Und im Netz nach einem guten Vergleich, einem echten Erfahrungsbericht gesucht, nicht einfach so Techblog „Wir packen mal das Gerät aus und reden über das erste Einschalten“-Rattenfänger-Talk. Habe ich nirgends gefunden. Dies ist also somit der bisher beste Vergleich der zwei Geräte von einem echten Leser, nicht einem Techfuzzy. Ausschneiden und Aufbewahren, zusammen mit den Silva-Pünkten im Wohnzimmerbuffet.
Darum noch ein paar Anmerkungen: Mein Gerät hat Werbeeinblendungen. Ich hätte darauf verzichtet und die 20 Nuggets mehr bezahlt, normalerweise, war aber nicht erhältlich. Nun stören die aber gar nicht, es ist also nicht so, dass die plötzlich beim Umblättern oder so dazwischen funken, sondern in einer längeren Lesepause erscheinen sie als Bildschirmschoner. Also, kein Problem. Zur Akkulaufzeit: Amazon gibt die mit zwei Wochen an, wenn Wlan ausgeschaltet ist. Mit eingeschaltetem Wlan ist er innert ein bis maximal zwei Tagen leer. Aber auch das kein Problem. Wlan muss nur eingeschaltet werden, wenn man einkauft. Dann einfach wieder ausmachen. Das einzige: Bei jedem erneuten Einschalten muss man den Code wieder über die Tastatur eingeben, und dann braucht es manchmal mehrere Versuche, bis die Verbindung steht. Sobald man sich daran gewöhnt hat, findet man den optimalen Zeitpunkt zum hysterischen Gerät in Richtung Router ausrichten – einfach total Zen bleiben, es geht dann schon. Und noch ein Letztes: Die Bildschirmtastatur scheint auf dem Prospekt der Ablöscher, aber so schlimm wie all die Touchscreentastaturen ist sie beileibe nicht. Nur so im Fall.
PPPS: Vorsicht ist angebracht, wenn Leseproben heruntergeladen werden. Ist mir passiert, ich öffne die, klicke ein wenig zu schnell, schon ist der Titel gekauft. Nun, bei 2 Hupen kein Problem, ich hätte ihn aber auch grad zurückgeben können. Einfach aufpassen. – so, und jetzt kauf‘ ich mir noch den Proust, nach dieser Anstrengung hier.
PPPPS: Der Kindle hat ein paar Wörterbücher drauf, Larousse, Duden, englische, italienische, aber entgegen dem nun entstandenen Eindruck kein Synonymwörterbuch. Ist alles von mir geprägt, die Münzen. Glaubzmer!