Veloverlad – ein interessante Blog, glaubzmer

25/10/2013

In die Pfanne gehauen

Filed under: Essen,Unterwegs — Schlagwörter: — Hotcha @ 13:43

Viele gute Erinnerungen verbinden mich mit der deutschen Küche. Angefangen bei den Schäufele in Nürnberg mit babykopfgrossem Kloss dazu, der Wirt bot jedem 100 DM, der ihn aufisst. Die Währung, die scheinbar viele wiederhaben wollen, steht auch für die Epoche – das war in den 80ern. Für uns kleine Schweizerlein, auf Tour in West- und Ostdeutschland, war die dortige Küche immer wieder für eine Offenbarung gut. Und sei es auch die berüchtigte Brühwurst auf DDR-Autobahnen für 1 DM – unser Schlagzeuger war danach eine ganze Nacht lang ernsthaft krank, ich habe die Geschichte auf meinem Musikblog mal erzählt.

Doch nicht nur schlechtes Essen wurde gekotzt, auch gutes. Weil Mass halten ist nicht mein Ding, es wurde mir mal das Goldfischsyndrom attestiert (frisst so lange es hat, kann dadurch zum Platzen gebracht werden). Balkanplatte ist mein grosser Favorit, verschiedenste Sorten Fleisch, Reis und Pommes Frites! Wir hatten auch schon mal unser Essen am Tisch stehend, in der Kälte draussen, turnend sozusagen eingenommen. Warum? Weil die Balkanplatte so fein und üppig war, dass wir fortlaufend Kalorien verbrauchen wollten, um den Genuss so richtig auszudehnen.

Ich bin also vom Fach.

Mein liebster Nachbar ist Mehmet, er vom Balkangrillhouse Bözingen. Bei ihm esse ich häufig, in den Sommerferien schon fast täglich. Dadurch habe ich guten Einblick in die Möglichkeiten und Grenzen eines Restaurantkochs. Das ist bei uns immer wieder unerschöpfliches Gesprächsthema: Wo kauft man die besten Pommes ein, wer verkauft anständiges Lammfleisch zu einem günstigen Preis, wer frisches Gemüse.

Das Wohl unserer Gäste liegt uns sehr am Herzen. Deshalb legen wir großen Wert auf Service und Gastfreundschaft. (Aus der Webseite des Restaurants Dionysos Rheinfelden).

Das sagen sie alle, die griechischen Restaurants in Deutschland. Die müssen alle denselben Werbetexter haben.

Dann sollte aber folgendes nicht passieren:

  • Ich erblicke fritierte Sardinen auf der Liste der Vorspeisen (€ 4.90). Sardinen, da kann ich nie widerstehen. Zur Sicherheit frage ich nach, ob es sie denn heute auch gäbe. Der Kellner, welcher übrigens den Geruch kalten Schweisses ausdünstet: „Alles was auf der Karte ist gibt es auch. Was nicht auf der Karte ist gibt es nicht“. Paff! Ok. Ich war gerade mal 10 Minuten im Lokal.
  • Da ich auch Lust auf den Bauernsalat und das selbst gebackene Brot habe, bestelle ich diese, nachdem ich mich vorher beim Keller vergewissert hatte, dass die Sardinen mir nicht schon im Vorfeld den Magen füllen würden. Wieviele Sardinen es denn sein würden? „Das weiss ich nicht, wenn Koch Lust hat, sind es viele, wenn keine Lust, sind es weniger“. Schladaing!

Als ich mich beim Abrechnen am Schluss noch neugierig erkundige, ob die sechs Sardellen nun viel oder wenig waren, weiss er es plötzlich ganz genau: „Es sind immer sechs, weil dann kann man dekorieren drei links und drei rechts. Mit allem ist das so, Fisch, Crevetten.“

Aber genug des armen Teufels – er scheint seinen Beruf wirklich nicht zu mögen, das will ich ihm nicht verdenken, ich stehe immer noch ganz intuitiv auf der Seite des Ausgebeuteten, des Lohnabhängigen, ich sentimentaler Trottel.

Lasst uns nun über das Essen sprechen.

Die Fische habe ich ja bereits erwähnt. Etwas tranig, wenig gesalzen, aber dafür gibt es ja das Salz auf dem Tisch. Sechs Stück, fingerlang (bei mir 7 cm). Ich mag das. Mit 4.90 knapp an der Grenze zur entlarvenden 5. Gleichzeitig wird mir ein bauernartiger Salat gebracht, wenig gewürzt, wenig Essig, viel billiges Öl, sicherlich nicht aus Oliven rausgepresst. Griechenland = Oliven, wir entsinnen uns?

Vorher einen feinen Ouzo, den hatte ich vergessen, sorry. Und das Hefeweizen. Perfekt. Und absolut notwendig, um das nun folgende runterzuspülen. Folgte nämlich ein Teller mit etwas schrumpligen Frites, einem Hämpfelchen Reis, dieser tadellos, und etwa sieben Stücken Fleisch, darunter ein billig wirkendes Lammkotelettchen. Und ein weisser schwerer Haufen ohne rechten Geschmack, wohl das Tsatsiki Zaziki Du ficksch mi. Letzteres gedacht über den Mann in der Küche, dem seine Griechità wohl völlig einerlei ist, so was unstolzes gibt es sonst nur noch in der Käseabteilung der Migros, diese Käseattrappen ohne Geschmack, drauf steht wahlweise Emmentaler, Appenzeller, Greyerzer und was der heiligen Namen mehr sind. Schindluder unter dem Deckmantel einer Nationalküche hier wie dort.

Fatalerweise lag über all dem der Geruch von altem Fett.

Nun weiss ich von meinem guten Kollegen vom Kebabgrillhouse Bözingen zwei Sachen mit Sicherheit: Es ist möglich, auch bei knappem Budget ausgezeichnete Frites einzukaufen. Er macht das nämlich. Seine Quelle will ich hier nicht preisgeben, aber es handelt sich um einen Discounter, er hat nach umfangreichen Tests sich für die von Aldi entschieden. Ich bin kein Freund von Discountern, aber ich muss zugeben, eine gute Wahl.

Zweitens weiss ich, wie wichtig ein regelmässiger Oelwechsel ist. Und das ist nicht billig, für den Betrag konnte ich jeweils meinen alten VW-Bus volltanken.

Kurz und gut: Wer mit grossen Worten um sich wirft, sollte diese nicht durch Taten strafen. Und ich habe möglicherweise für eine Weile genug von Experimenten dieser Art. Aber noch muss ich mein Ferienabo amortisieren, eine Woche bleibt mir. Ob es mich nochmals nach Rheinfelden zieht, diesmal zum beliebten Chinesen oder zum andern Griechen, das bleibt jetzt noch offen, solange ich noch den dumpfen, leicht bitteren Nachgeschmack des Altöls in der Kehle habe.

Doch da kommt Biel in Sicht – jetzt sofort nach Hause zu einem ganz dicken ganz süssen ganz grossen Espresso vom Italienerladen an der Ecke.

21/10/2013

Burka gesucht

Filed under: Essen,Fahrradmitnahme,Tessin — Hotcha @ 14:41

Das ist jetzt schön blöd: Auf dem Weg ins Tessin habe ich meine welsche Sonntagszeitung im Zug entsorgt, heute Montag morgen. Dabei wollte ich doch noch der aus den Augenwinkeln gelesenen Bemerkung auf den Grund gehen, die SP Frauen Schweiz hätten eine differenzierte Haltung zum Burkaverbot gefunden. Man wolle nun einfach die Männer strafrechtlich belangen.

Damit hätte die Burkahysterie wohl eine neue Absurdität geworfen. Denn würde das nicht bedeuten, dass hinter jeder anstössig gekleideten Frau ein Mann steht? Cherchez l’homme… Denn wird die Burka für den Mann getragen, gilt das wohl in verstärktem Masse für Minis, Hotpants, Brust- und Arschpolster, Brust- und Vaginastraffungen etc. Dann hätte Frau ja keinen freien Willen, sondern sie wäre eben eine ‚Puppet On A String‘.

Lange habe ich auf der Seite der Tribune Le Matin nach dem entsprechenden Artikel gesucht – ich glaube, es stund im Interview mit dem Fribourgischen Bischof, ein angenehm gelassener Mensch. Google half dann, im Nouvelliste kann man es nachlesen. Das ist denen wirklich ernst. Ich hätte es nicht gedacht.

Aber die würden ja auch die Schamhaarrasur verbieten wollen, könnten sie damit bei der Populistik punkten. Solche Sätze gehen mir bei andern auf den Keks, jetzt mach‘ ich’s auch. Total unwitzige und überdehnte Extrapolationen. Sorry. Lösch!

Heute morgen bin ich bis ins Tessin hinunter gefahren, um eventuell mal eine Burka in ihrem natürlichen Lebensraum bewundern zu können. Ohne Erfolg. Dafür aber konnte ich endlich endlich wieder einmal bei La Terrazza Da Teo in Bellinzona einkehren.

Es gab Spaghetti Carbonara mit feinem Köhlergeschmack, danach einen schönen gemischten Salat (fünf Sorten) mit der Original Teo Haus-Sauce, danach Risotto mit merguezdünnen Tessiner Würstli (vier), danach eine Nonnentorte, Kastanien waren schon ausgegangen. Mit dem Merlot 26 Franken. Und einfach grossartig.

Seit ich letztes Jahr fleissig dort eingekehrt bin, hat sich eines geändert: Auf Tripadvisor ist die Terrazza nun als „Sur réservation“ ausgeschildert. Nun, so schlimm ist es wohl nicht, ein Plätzli hat sich noch immer gefunden. Aber sonst hier die Telefonnummer: 091 825 60 64.

Übrigens, Teo fährt auch Velo.

PS: Dank dem Hinweis von Frau Frogg weiss ich um die Existenz der SBB-Ferienpässe. Und habe die Luxusausgabe für 219 Franken gekauft, zwei Wochen freie Fahrt.

Macht euch auf etwas gefasst.

05/09/2013

Rassismus wieder salonfähig

Filed under: Lesen — Schlagwörter: , , , , — Hotcha @ 14:18

Nun lese ich ihn auch in der „Zeit“, den neuen Schlöterlig „weisse alte Männer“ – fehlt noch das „privilegierte“, dann ist das Totschlagargument perfekt. Oder?

Ich kenne ihn erst so richtig seit der berühmt-berüchtigen #aufschrei-Debatte, die möglicherweise bald zur Implosion der deutschen Überfliegerpartei Die Piraten beigetragen haben wird, den Kampfbegriff „Privilegierte alte weisse Männer“, er kommt gern im selben Atemzug mit „Women Of Color“ oder „People Of Color“. Kein Monat, wo nicht irgendwo im Netz damit gekämpft wird.

Darf ich sagen, dass es mich graust?

Vor ein paar Jahren habe ich in einem Antiquariat einen Bericht der Unesco von 1960 entdeckt, „Le racisme devant la science“. Ich war ehrlich bass erstaunt, dass die wissenschaftliche Widerlegung des Rassebegriffs so alt ist. Über 50 Jahre ist das nun her. Damals herrschte noch politische Steinzeit. Und doch konnte schon damals jeder lesen, dass der Begriff der Rasse nicht haltbar ist, es keine Rassen gibt. Dass die Unterschiede innerhalb einer Population grösser sind als die Unterschiede zwischen Individuen verschiedener Völker.

Ich mag das hier nicht referieren, ich empfehle einfach mal das Standardwerk von Cavalli-Sforza, „Genes, Peoples and Languages“. Oder googelt euch durchs Netz, dies ist halt der Stand der Forschung.

Es sind wieder mal die gesellschaftlich unglaublich rückständigen USA, denen wir das Comeback des Rassebegriffs auch unter europäischen Intellektuellen verdanken. Dort wird ja die Race immer noch im Pass eingetragen, von dort werden solche Kategorien in der sog. Frauen- und Geschlechterforschung aufgenommen.

Bitte ‚intellektuell‘ nicht mit ‚intelligent‘ oder ‚gescheit‘ gleichsetzen. Intellektuelle sind nicht unbedingt klug, ihr Werkzeug ist das Denken, das ist auch grad alles.

Man kann ein Werkzeug eben auch schlecht oder gar nicht beherrschen.

Wer heute mit Rassen oder gar Farben die Menschen einteilen will, beherrscht sein Werkzeug nicht – er will bloss pöbeln, einen Gegner reizen und vor allem als nicht satisfaktionsfähig ins Abseits stellen.

Da steht ein riesiger Elefant im Raum, warum nur tun alle so, als sähen sie ihn nicht? Wie oft muss ich in letzter Zeit lesen, jemand sei ‚weiss‘. Hahaha – ich kenne viele graue, hellbraune, grünliche, rötliche, ockerfarbene, schwarze, gefleckte und gestreifte Menschen. Weisse Menschen habe ich noch nie im Leben gesehen.

Ausser Donald Duck und seine Familie – die sind tatsächlich alle weiss.

Es hat etwas pubertäres, dieses Revival der Rasse. Es soll provozieren, diskriminieren, seinen eigenen Standpunkt legitimieren. Und dabei zeigt es nur einen Mangel an Argumenten. Häufig wird dieser neue Rassismus übrigens in Blogs verwendet, die strikte Kommentarregeln aufgestellt haben, wo ‚der Gegner‘ nicht oder nur sehr eingeschränkt zu Wort kommen soll.

Ein peinliches Schauspiel.

Links:

Der Kommentar in der Zeit vom 5.9.2013
Wo endet Toleranz, wo beginnt Zensur – carta.info

22/08/2013

Das Beste am Thurgau ist …. der direkte Zug Weinfelden – Biel

Ich werfe dem ca. 9-jährigen Knaben mein verschwörerisches Velofahrerlächeln zu – der Nachwuchs gehört schliesslich gepflegt, aufgemuntert, motiviert. Sein Rad ist an Vater’s Velo angehängt, man kennt diese ad hoc Tandems. Beide mit Helm. Eine künftige Velodynastie? Da darf ich natürlich nicht blicklos dran vorbei fahren, da wird gegrüsst.

Allein, der Knabe sieht mich gar nicht. Sein Blick geht nach hinten, sehnend, bewundernd, wo irgend ein knallgelber Tiefgelegter, Ferrari oder so, in der Tiefe der Landstrasse verschwindet.

Ein Thurgauer halt. Ein hoffnungsloser Fall, sobald er sich von Vater’s Hinterrad emanzipieren darf.

Kurz vorher die Strasse nach Roggwil (TG), nach einer langgezogenen Linkskurve eines dieser Strassenopfermemorials: Ein Kreuz, vertrocknete Blumen, verdreckte Kerzen, plastifizierte Föteli liegen im Staub („Wir vermissen Dich – Deine Klassenkameraden“). Zwei Daten, 12.12. 1990, 11.9.2011. Ein Name, Nico. Ein Kreuz, RIP. Eine Aufnahme von zwei geilen Autos bei einem wahrscheinlich gestellten Überholmanöver, die Strasse nass. Ein Computerausdruck hängt an der Mauer.

Lieber Gott, vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern …..
Gib auch ihnen die Kraft, das Geschehene zu verarbeiten und erfülle ihre Herzen mit Zuversicht, Licht und Liebe. Wir hegen weder Groll noch Vergeltung, wir wünschen uns lediglich, dass wir alle wieder glücklich werden.

Nico’s Wesen soll uns Vorbild sein.

Irgendwo dazwischen noch ein Foto eines besten Freundes, „ich bin so dankbar, dass ich dich kennen lernen durfte“, mit mir unverständlichen Schlagwörtern garniert („Industria automobilia“).

Ganz offensichtlich hat da einer die Kurve nicht erwischt und ist in die Mauer geprallt. Diese sieht aus wie eine Friedhofsmauer, jetzt mit dem Kreuz dran sowieso. Dahinter aber nur irgendein Gelände.

Ob im Thurgau oft gestorben wird? Auf jeden Fall ist Velo fahren in diesem Kanton brandgefährlich, obwohl scheinbar ein dichtes Netz von Velowegen signalisiert ist. Velowege?

Von Biel zum Bodensee, zurück über die Rheinroute Basel – Jura, das war der Plan. Die erste Etappe liess ich schon in Fislisbach (AG) ausklingen, nach zwei herrlichen Bratwürsten und ebensovielen Flaschen Bier beim Metzger Häusermann in Lenzburg. Ich schlage mich in den Forst, da weit und breit kein Campingplatz zu finden ist. Pflanze mein Zelt in den weichen Waldboden und verkrieche mich – nach 20 Minuten schlafe ich tief wie ein Ziehbrunnen.

Da, plötzlich, um vier Uhr früh ein blökendes schreiendes heiseres lautes Bellen, stossweise, in grösseren Abständen. Mein Herz rast: Ein wildernder Hund? Ich schäle mich aus dem Zelt, so leise wie möglich natürlich, und hetze zu Tale, ins nächste Dorf, wo ich auf dem Dorfplatz unter Linden zwei Stunden auf die Dämmerung warte. Kein Witz.

Unterdessen habe ich mir sagen lassen, es sei wahrscheinlich ein Hirsch gewesen.

Item, so kann ich wenigstens in aller Frühe weiter fahren. Zurück zum Wald, Zelt zusammenräumen, um sieben Uhr bin ich schon wieder auf der Strecke. Gondle bald durch frühlingshafte Aussenquartiere von Zürich, Vöglein pfeifen, Kräutlein riechen – wer hier wohnt, wohnt fantastisch, mit Blick auf die Stadt weiter unten. Wunderbar. Ruhige Tea-Rooms, beschauliche Terrassen, belehrende Slogans wie „kill den bullen – im revier und in dir!!“. Doppelte Ausrufezeichen machen mich immer vorsichtig – da haben wir es mit Hysterikern zu tun. Ich hätte es mir vielleicht noch überlegt – aber so????

Gegen Mittag bin ich in Winterthur, die Stadt ist ruhig. Irgendwie habe ich keine Lust auf die Strecke nach St. Gallen und entscheide mich stattdessen für den längeren Weg via Frauenfeld – Kreuzlingen. Keine so gute Idee. Viel Verkehr und trotzdem beschleunigt unterwegs, von Sicherheitsabstand haben viele noch nie was gehört. Ich werde häufig knapper überholt als gewohnt, kämpfe mich in grosser Hitze meinem Ziel entgegen, schliesslich wird die Mutter mit Garantie eine Ankunft zur normalen Essenszeit erwarten.

Anderntags nehme ich den Rückweg unter die Räder. Der Plan ist, in drei Tagen über Singen – Waldshut – Basel nach Biel zu fahren. Ein heisser Sonntag. Eine idyllische Uferpromenade bei Rorschach. Ein Netz von Velowegen, die urplötzlich in Kieswege münden, unvermittelt in die Hügel hinein führen, in weiten Schleifen durch die Rheinauen sich winden. Nach einem Umweg von 10 km auf einer Distanz von deren 30 wird es mir dann zu viel. Da ohne Karte unklar ist, wohin diese Wege letzlich führen werden und wie deren Beschaffenheit ist, erfahrungsgemäss eher holprig, ergebe ich mich in mein Schicksal als Veloverlader. Und suche die Station heraus, die einen direkten Zug nach Biel anbietet. Weinfelden.

Es geht nun darum, auf dem direktesten Weg von Rorschach nach Weinfelden zu kommen. Die Velowege habe ich frustriert aufgegeben. Die Landstrassen aber, die sind wie weiter oben schon gesagt im Thurgau brandgefährlich. Die erfrechen sich tatsächlich, einen Velostreifen von nur einem Meter mit einer durchbrochenen gelben Linie abzutrennen. Ein Meter. Dabei beträgt der Sicherheitsabstand schon 1 Meter 50! Den natürlich kein Thurgauer einzuhalten gedenkt. Witzigerweise aber ändert sich das, kaum habe ich meine gelbe Signalweste angezogen, der Hitze zum Trotz. Jetzt machen die Kerle doch tatsächlich einen Bogen!

Ich werde mir eine Signalweste mit dem Aufdruck „Polizei“ beschaffen müssen, das wird Wunder wirken.

Man kann nun nicht sagen, das Thurgauer Strassenverkehrsamt oder die Thurgauer Polizei, kurz die Behörden täten zu wenig für das Velo. Schliesslich will der Kanton ja auch eine Tourismusregion sein. Scheint allerdings nicht super zu laufen, ich sehe etliche Übernachtungsangebote für nur 45 Franken. Das entspricht einem Abschlag von mindestens 50 Prozent, schätze ich.

Da gibt es wie gesagt die Velowege. Gut für kleine Ausflüge. Nichts für den Tourenfahrer. Dem sei die Strasse empfohlen. Für die Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung sorgen fix installierte Radarfallen. Sie sind schon von weitem zu sehen, die Standorte wohl bekannt, bei einem Beispiel sah ich sogar so 20 Meter vorher noch das Warnschild „Halt bevor’s knallt“ – und ich muss wirklich sagen, die Massnahme tut ihre sichtbare Wirkung.

Ich habe dort eine Weile fotografiert – Bremslichter habe ich fotografiert. Weil nämlich fast jedes Auto diese kurz vor dem Passieren der Anlage aufleuchten liess.

PS: !!!!!

02/08/2013

Heisse Hölle Solothurn SBB

Filed under: Unterwegs — Schlagwörter: , , , , , — Hotcha @ 14:00

Und in Solothurn dann die totale Ernüchterung – eine mehrere Quadratkilometer weite Betonsteppe legt sich um den Bahnhof. Ich habe das Gefühl durch einen Teller Erbsensuppe zu atmen. Gelberbs mit Speck, normalerweise ein Hochgenuss. Aber jetzt, im Hochsommer, bei wahrscheinlich so 35 Grad nachmittags um drei, jetzt liegt mir der Sinn ganz einfach nach Wasser. Aber aussichtslos, hier in Solothurn SBB einen öffentlichen Wasserhahn zu finden. Zur Sicherheit erkundige ich mich noch bei der schweissgebadeten Schalterbeamtin, um hier niemandem Unrecht zu tun.

Nun, erstaunlich ist es nicht, als Veloverlader lernt man die Zeichen deuten. Und das Zeichen hier ist die Blechtafel beim Eingang, wo stolz geschrieben steht: Mehr Bahnhof in Solothurn. Und darunter nur Shops gelistet werden. Die Toiletten befinden sich in der Unterführung in einem Chromstahlcontainer, 1 Franken muss eingeworfen werden, trotz der hochmodernen Anlage gibt es nicht mal Rückgeld.

Willkommen bei den Abzockern.

Bei der Hitze verlade ich das Velo bis Biel, wo ich heute morgen um 9:00 aufgebrochen bin, um zur Blutspende nach Burgdorf zu fahren. Möglicherweise war das eine Schnapsidee, aber ich hatte den Blutspendebus in Biel und Nidau am letzten Wochenende verpasst und gleichzeitig wollte ich meine erste Tour im abgesteckten Veloland Schweiz machen.
Wegweiser bei Burgdorf
Die Route 24 führt von Biel nach Burgdorf, und ich will es kurz machen: Ich bin hell begeistert. Eigentlich sollte ich die Route ja nicht empfehlen, um ihr nicht eines ihrer Merkmale zu nehmen. Ich war nämlich weitgehend alleine, zumindest auf der ganzen Strecke von Diessbach fast bis nach Lyssbach. Um genau zu sein, fast bis nach 3309 Kernenried. Schweizer Jugend säuftDort begann wieder die Zivilisation, mit Landmaschinen, den tiefer gelegten Funmobiles der Landjugend und aber auch Stauffer’s Landmetzg. Eine wirklich schöne Metzgerei mit einem grossen Innenhof, wo sogar noch selbst geschlachtet wird. Ich gehe davon aus, dass hier die Tiere nicht kilometerweit transportiert werden. Trotz der Hitze habe ich deshalb den Kauf eines Schwingerschnitzels gewagt, es wird den Transport über mehrere Stunden bestimmt gut überstehen. Auf den afrikanischen Märkten gibt’s schliesslich auch keine Kühlschränke, dort soll das rohe Fleisch auch über mehrere Stunden an den Markständen ausliegen, den Fliegen zur Freude. Man müsse es einfach lange genug kochen, dann sei das überhaupt kein Problem, erzählte eine Freundin aus Burkina Faso. Na also.

Der erste Teil der Strecke bis Dotzigen ist nicht sehr velofreundlich, mit Kindern würde ich bis dorthin den Zug nehmen. Warum ich jetzt grad an Kinder denke? Vielleicht weil eine halbgare Studie kürzlich vor ihrem Abschluss in der NZZ hämische Schlagzeilen gemacht hat, die Velonutzung bei Kindern gehe zurück? NZZ, übrigens, hier neuerdings definitiv unverlinkbar aus Qualitätsgründen. Warum, steht im vorherigen Beitrag auf diesem Blog.

Ab Dotzigen dann bis zur Passhöhe purer Veloweg, durchgehend asphaltiert (wichtig für mein Rennvelo, Feldwege sind Schlauchkiller). Unterwegs die herrlichsten Landschaften und Waldsträsslein, Bibiili und sonstige Tierli, nur leider keine Brünnelein. Oder nur solche mit Warnschildern. Also: genug Wasser mitführen.
Veloweg

In Burgdorf dann das eigentliche Ziel meiner Tour, der Blutspendebus vor dem Einkaufszentrum. Das eher konsternierte Personal gibt mir zu verstehen, dass in meinem Zustand an eine Blutspende nicht zu denken ist. Ich muss wie eine überhitzte Blutwurst kurz vor dem Platzen wirken. Dabei bin ich doch ziemlich gemütlich diese 30 Km in 3 Stunden eher gezuckelt als gefahren. Wir machen dann das Administrative klar (Krankheiten, Medikamente, Lebenswandel, Umgang, Reisen, Operationen, Adresse) – so kann ich dann in Biel im stationären Zentrum nur noch Abzapfen lassen. Den Fragebogen allerdings werde ich bestimmt nochmals ausfüllen müssen. Die Sicherheitsbestimmungen sind unterdessen extrem, der Fragebogen erstreckt sich über zwei gedrängte Spalten. Finde ich gut. Wenn ich das vergleiche mit meiner Beobachtung in Wien, wo in den heruntergekommenen Quartieren ganz gezielt über Plakataktionen Geld gegen Blut geboten wird, hoffe ich auf eine Länderkennzeichnung des Spenderblutes. Denn es ist klar, dass bei einem Blutdeal auch mal gelogen wird, etwa bei den Fragen nach dem Sex der letzten 6 Monate. Haben die in Oesterreich eigentlich keine Ethikkommission?

Ich könnte jetzt noch stundenlang so weiter erzählen, vielleicht auch ein wenig aus Protest gegen die tl;dr-Marotte? (Too long, didn’t read – wird von Langschreibern auch gern als Kurzfassungstag zweckentfremdet, Ironie oder Opportunismus?) Aber dann komme ich ja nicht mehr zum Fahren. Vielleicht später mehr aus einer anderen Veloregion. Ich habe ja diese Velowege bisher unterschätzt, nicht gewusst, dass es solch erfreuliche Routen gibt, wo die Schweiz wirklich noch über Kilometer echtes Gotthelfland ist.

Früher fand ich das bünzlig, heute fehlt es mir.

18/07/2013

Diese furchtbare Qualitätspresse, exekutiert am Beispiel NZZ

Filed under: Lesen — Schlagwörter: , , , , , — Hotcha @ 12:48

Ich könnte die Wände hochgehen vor Ärger, wenn ich solchen Pseudojournalismus lese wie die völlig unkritische, gar absolut lügnerische Berichterstattung über einen sogenannten Heiler; es ärgert mich im Krankenkassenheftli, es ärgert mich im Le Matin Dimanche, es ärgert mich am Radio Suisse Romande, es ärgert mich auch in der NZZ. Am Radio ärgert es mich mehr, weil wir das ja zwangsfinanzieren, aber darüber will ich heute nicht berichten. Obwohl: Ein dicker Hund ist es schon, wie die welschen Kollegen immer wieder für die Alternativmedizinslobby Werbung machen. Hätte ich Zeit, würde ich mich dem mal widmen. Aber vielleicht macht das ja mal ein Organ der Qualitätspresse? Oder eines der Gegenöffentlichkeit, wie Infosperber?

Nun aber zur NZZ. Sie hat rechtzeitig zur Sauregurkenzeit einem Schlachtross des esoterischen Behauptungsjournalismus eine ganze Seite zur freien Verfügung überlassen, und so kam es dann auch heraus. Der Blogger Andreas Von Gunten hat den Artikel gelesen und bei sich verlinkt. Lest es dort mal nach, es lohnt sich.

Warum geht es dort? Der Rieder Georg hat einen Dreh gefunden, wie er seiner Bestimmung als Restaurantkoch entgehen konnte. Er behauptet einfach, er habe einen Röntgenblick, könne die Aura einer Person sehen, die Organe und die Knochen gar, und hat damit ein Gewerbe angemeldet, in Österreich geht das. Obwohl „auch in Österreich ausschliesslich Schulmediziner Diagnosen stellen dürfen“. Er stellt also keine Diagnosen, sondern stellt sich vor die Person hin und guckt, während diese sich um die eigene Achse drehen muss. Das heilt. Fünf bis sechs Gläubige braucht er pro Tag, damit hat er sein Auskommen. Gut, er sagt, mehr sei nicht zu schaffen, es strenge halt so wahnsinnig an. Früher hätte er bis zum Kopfweh durch die Wände hindurch die Nachbarn beim Sex beobachtet, das will er uns tatsächlich glauben machen. Ich meine, wer das glaubt, der glaubt jetzt wirklich alles.

Der glaubt auch, dass der Rieder Schorsch bei einem wissenschaftlichen Test 198 von 200 Personen richtig diagnostiziert hätte. Diagnostiziert! Nicht einfach Erleichterung verschafft, was sich ja durch Placebo und andere Effekte ohne Weiteres erklären lässt. Nein, diagnostiziert. Mit einer praktisch 100%igen Trefferquote! Warum der Rieder Schorsch die Million von James Randi noch nicht abgeholt hat, ist mir allerdings schleierhaft. Eventuell, weil der Test zwar durch einen „Coach mit Doktortitel“ durchgeführt wurde, wie die NZZ-Journalistin Schaum schlägt, aber der Doktortitel hat halt erstens mal mit Naturwissenschaften gar nichts zu tun, und der Test ist unter Garantie nicht echt, sondern pure Reklame. Wahrscheinlich nicht mal auf dem Niveau der Tests der Kosmetikindustrie, wo etwa 30 Sekretärinnen des Herstellers sich auf einer Wohlfühlskala eintragen, nachdem sie ein Falten-Weg-Produkt während zwei Wochen verwendet haben. Kein Witz, lest mal das Kleingedruckte in der Kosmetikareklame.

Der glaubt natürlich auch, dass sogar Ärzte sich vom Rieder Schorsch helfen lassen.

Öffentlich zugeben wolle das jedoch keiner von ihnen. «Die fürchten alle um einen Imageverlust, wenn rauskommt, dass sie sich mit einem wie mir eingelassen haben», sagt Rieder, und er sagt es spöttisch.
(NZZ vom 7. Juli 2013).

Na schau mal, da wacht einer einfach so auf mit der Gabe, dem Geschenk, dem Geheimnis und kann natürlich hinabblicken auf jene, die einer jahrelangen Ausbildung bedürfen und dann trotzdem nicht auf eine fast 100%ige Diagnosesicherheit kommen. Tja, da ist Spott wohl angebracht – Spott nicht über den Schorsch, sondern über die Journalistin, die so was allen Ernstes hinschreibt. Und nicht eine einzige Relativierung des Humbugs zu Stande bringt. Beispielsweise, indem sie der Expertise des „Coach mit Doktortitel“ mal auf den Grund geht. Oder die „bisher einzige wissenschaftliche Ausbeute“ einer Untersuchung des deutschen Physikers „Günter Haffelder in seinem Institut für Kommunikation und Gehirnforschung in Stuttgart“ wenigstens pro Forma hinterfragt.

Da sie das also nicht tut, kann sich der Veloverlader hier mal kurz auf die Spurensuche machen. Und wird natürlich sofort fündig.

So ist etwa Sylvie-Sophie Schindler schon vorher als PR-Schreiberin für Scharlatansmedizin aufgefallen, bei Kathrin Zinkant kann man es nachlesen. Weitere Belege müssen mühsam zusammen gesucht werden, da Sylvie-Sophie Schindler zwar fleissig aus dem Web zitiert, aber keine Adressen angibt, wo man eventuell der geballten Scharlatanerie gewahr werden könnte.

Ich habe immerhin die Webseite des Schorsch gefunden, und dort wird es dann so richtig gefährlich. Denn der Schorsch erzählt gleich auf der Startseite, dass er 100 Menschen von Krebs geheilt hat. Er sagt es zwar nicht so, das wäre wohl juristisch nicht möglich, aber er meint es ganz klar so.

Es gibt über 100 gut dokumentierte Fälle von krebskranken Menschen, welche seinem
Wirken ihre Genesung zuschreiben. (www.georgrieder.com)

Spätestens hier zeigt sich, wie verfälschend die Berichterstattung von Sylvie-Sophie Schindler ist. Denn mit den Hoffnungen von Krebspatienten zu spielen und diese zu leicht verdientem Geld zu machen, das geht nun gar nicht. Und ist in Heilerkreisen in diesem Ausmass auch nicht grad gang und gäbe. Ein Grund mehr, es in einem Stück Qualitätsjournalismus zu erwähnen. NZZ, habt ihr denn nicht mal ansatzweise ein wenig gegoogelt?

Nun, die NZZ-Leser scheinen es getan zu haben. Allerdings nur, um dann im Forum Bitten um Rückrufe zu hinterlassen, mit kompletter Telefonnummer oder Mailadresse. Wie sehr Rieder und seinesgleichen mit den Hoffnungen der Leute spielen, zeigt dann auch ein aktueller Eintrag:

soeben habe ich einen Artikel in der NZZ -CH,von ihren Fähigkeiten gelesen.
meine Enkeltochter 8monate alt,leidet unter Metochondrinstöhrungen,können sie helfen?sie ist taub und die Ärzte geben ihr keine hohe Lebenserwartung,3-4j.
mein Sohn lebt mit der Familie in Hong-Kong,kommt aber fast jeden Monat mit der Tochter zur Untersuchung und Behandlund,in die CH.
Sehen sie eine Möglichkeit,ihrerseits,ihr helfen zu können?
auf eine antwort wartend verbleibe ich mit freundlichen Grüssen

Oder gehen wir mal auf die Webseite von Dr. Franz Minister, der Coach mit dem Doktortitel, der Rieder angeblich getestet hat. Minister ist Dr. rer. oec., hat Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studiert. Und der geht hin und will die Richtigkeit medizinischer Diagnosen testen? Wohlweislich hat uns die NZZ diese Information unterschlagen.

Fehlt noch das Institut für Kommunikation und Gehirnforschung in Stuttgart, das nachweist, dass der Rieder Schorsch andere Hirnströme zeigt, wenn er ‚heilt‘. Abgesehen davon, dass das gar nichts bedeutet, handelt es sich hier selbstverständlich um ein privates Institut. Selbstverständlich ist es wissenschaftlich fundiert, wenigstens wird das behauptet.

Arbeitsgrundlage ist ein vom Institutsleiter Günter Haffelder weiterentwickeltes EEG-spectralanalytisches Messverfahren, das in der Forschung und Anwendung eingesetzt wird. Es gibt als bildgebendes Verfahren einen Einblick in funktionelle und dynamische Prozesse des Gehirns in bisher unbekannter Tiefe und ermöglicht differenzierte Aussagen zu individuellen Zusammenhängen von Lernen, Gedächtnis und emotionalen Themen. Interpretationsgrundlage ist die dreidimensional darstellbare Messung, die über ein empirisch validiertes, standardisiertes Testverfahren erfolgt. Die Einsatzgebiete der EEG-Spectralanalyse sind vielfältig und werden über zahlreiche Forschungsprojekte dokumentiert.

„In bisher unbekannter Tiefe“ – spätestens hier müsste man doch hellhörig werden. Die Hirnforschung ist die Vorzeigedisziplin heute, die bis in esoterische Kreise interessiert, und dann kommt da dieser Haffelder und dringt in bisher unbekannte Tiefen vor. Man muss sich nur mal die Webseite anschauen. Grümscheliger geht fast nicht mehr. Ich kann mich noch entsinnen an diese Webseiten mit grauem Hintergrund, Navigation im Frame links, Schrift Times New Roman. Das war der letzte Schrei anno 1995 mit Netscape Navigator 2.0. Wahrscheinlich hat der Gute die Seite selber gebastelt, mit Frontpage 1.0.

Aber klar, Internet ist Tand – Forschung ist es die zählt. Und da schöpft das Institut aus dem Vollen.

Im Institut arbeiten verschiedene wissenschaftliche Mitarbeiter aus den Fachrichtungen Physik, Psychologie, Pädagogik, Sprachen, Biologie, Informatik, Musik und Medizin.

Und woran forschen diese vielen Leute? Da gibt es eine Liste auf der Seite, die schaut etwa so aus:

Forschungsprojekte (Auswahl)

1. Lern- und Cerebralforschung

        Einzelmessungen von Personen mit Lernstörungen, Wirkung von neuroaktiver Musik auf Lernprozesse
        Schulprojekte über Lernen
        Einzelmessungen von Personen mit diversen Cerebralschäden wie Wachkoma, Apoplex, Alzheimer, Parkinson, Multiple Sklerose und Spina bifida, Projekte in Zusammenarbeit mit Ärzten; Wirkung und Anwendung von neuroaktiver Musik
        Neuroplastizität des Gehirns
        usw.

     

2. Geräte und deren Einfluß auf das Gehirn

        diverse Magnetgeräte
        Cave (Cyberraum)
        Elektrosmog in Räumen, Energiesparlampen
        Energiegeräte
        Suggestions-CD
        usw.

 
3. Medizinische Techniken und Medikamente

        Atlastherapie
        Cranio-Sacral-Therapie
        Elektro-Akupunktur
        Siener-Methode
        Kieferschiene
        Homöopathika
        Essenzen
        Bachblüten
        usw.

 
4. Therapien auf manueller Ebene

        Bioenergetik
        Kinesiologie
        Krabbeln
        Fußmassage
        usw.

 
5. Wirkungen von Gesprächs- und Interventionstechniken

        Psychotherapie
        Psychiatrie
        Entspannungstechniken
        usw.

 
6. Kunst

        Tanz
        Musik: Klavier, Streichinstrumente, Didgeridoo
        Theater (Theaterstück im Liegen)
        Akrobatik / Seiltanz / Jonglieren
        interaktive Kunst / Transmedia / cynetart
        Heilgesang
        Sonologie
        usw.

 
7. Kommunikation

        Lehrer - Schüler
        Arzt - Patient
        usw.

 
8. Trainingsmethoden

        Management
        Sportler / Hochleistungssportler
        Gedächtnis- und Rechenkünstler
        usw.

 
9. Verschiedene

        schwangere Frauen
        Schach
        vielsprachige Menschen
        usw.

Genau ein Projekt ist gen aussen verlinkt, zur Uni Bielefeld. Allerdings ist der Link tot.

Was man auf dieser Seite auch anschaut, absolut nichts erweckt das geringste Vertrauen. Ganz offenbar ist das Institut ein Fake, bar jeglicher wissenschaftlichen Reputation, darauf angelegt, verängstigten Kranken Messungen, Geräte und eine individuelle „Neuroaktive CD“, u.a. für cerebral geschädigte zu verkaufen. Schlangenöl. Psiram übrigens belegt diesen Eindruck.

Wo man auch hinschaut, beim Rieder Schorsch, beim ‚Institut‘, beim ‚Coach mit Doktortitel‘, nichts würde die Behauptungen im Artikel der NZZ auch nur ansatzweise unterstützen. Es sind pure Erfindungen, Phantastereien, zum Teil gar blanke schamlose Lügen. Alle ‚Quellen‘ kommen eindeutig aus dem Esoterik- und Geldmacherbereich, was häufig Hand in Hand geht. Ich muss ehrlich sagen, mir gruselt es.

Mir gruselt, weil das Muster ist sattsam bekannt: Etwas behaupten und als Beleg fachfremde Quellen angeben, die schon beim zweiten Hinsehen sich als windig erweisen. Mir gruselt, weil die NZZ so was macht. Mir gruselt, weil die Manipulation nicht immer so einfach zu entdecken ist.

Ich denke oft an Colonel Parker seelig, Elvis‘ Manager. Er hat es auf den Punkt gebracht mit seinem

There’s a sucker born every minute

.

31/05/2013

SBB App liest meine Handy-Kontakte

Filed under: Uncategorized — Schlagwörter: , — Hotcha @ 08:22

Apps sind ein Segen für die Anwender. Meistens gratis oder wenigstens sackbillig. Viele habe ich nicht installiert, die Analyse mit Bitdefender Clueful listet rund 70 auf. Einige mit hohem Risiko für meine Privatsphäre, die habe ich grad allesamt gelöscht, Hals über Sturz, kann also nicht mehr sagen welche es waren. So unerwartete Kandidaten wie ein Stimmgerät waren dabei und noch ein paar, von denen ich nicht mal mehr wusste, dass ich die installiert hätte. Übrigens ein typisches Muster: installiert, nie gebraucht, und jetzt entpuppen sie sich als Voyeure. Die sogar meine SMS lesen konnten!

Ich habe aber sehr gestaunt, in der mittleren Kategorie ‚Applications à risque modéré‘ die SBB-Apps ‚Mobile CFF‘ und ‚Business‘ zu finden. Auch die habe ich mal installiert in irgend einer Hoffnung, keine Ahnung mehr, welche das war. Jedenfalls habe ich sie dann nie richtig gebraucht, weil man sich vorher glaub’s noch über einen herkömmlichen Weg identifizieren musste oder so, meine Erinnerung kann trügen, ist sicher schon zwei Jahre her. Item, von der SBB brauche ich nach wie vor nur die Fahrplanabfrage Schweiz.

Aber zurück zum Risiko für mein Privatleben. Ich finde unter den 23 Apps dieser Kategorie mittleren Risikos Sachen wie Ricardo (kann mit meinem Telefon anrufen, meinen Kalender lesen, mich lokalisieren); JuiceDefender (kann SMS empfangen, mich lokalisieren); Speed Test (lokalisieren); Wattpad (verschickt Passwort unverschlüsselt für jeden lesbar! Schickt die eindeutige ID meines Telefons an einen Server, der mein Verhalten über mehrere Apps hinweg aufzeichnen kann!); und eben die SBB, die mein Adressbuch liest, hier gehört auch ein Ausrufezeichen hin, so!

Ich habe natürlich zuerst über Facebook nachgefragt und sofort eine Antwort erhalten.

Facebook Screenshot

Ich bin frei zu akzeptieren oder nicht. Danke. Und die SBB respektiert den Datenschutz. Wer hätte das gedacht? Das ist schliesslich nicht freiwillig, sondern Gesetz. Wo Argumente fehlen, argumentiert man gerne mit Selbstverständlichkeiten, „wir befolgen im Fall die Gesetze“. Aber heisst Datenschutz nicht auch, nur die Daten zu sammeln, die auch für die Erfüllung der Aufgabe nötig sind?

Jetzt fehlt mir also noch eine Begründung, warum die SBB meine Kontaktdaten ausliest. Ob man die jemals erhält? Immerhin geht es hier auch um den Billetkauf per Handy, der sich wohl bald als Standard durchsetzen wird. Und da wollen die einfach mal so mein vertrauliches intimes Adressbuch herunterladen?

Wenn ihr jetzt Werbung aufs Handy kriegt, ist vielleicht da der Grund zu finden. Kollegen wie ich, die ratzfatz ihr Adressbuch freigegeben haben. Datenschutzerklärung hin oder her.

Affaire à suivre, wie der Lateiner sagt…

28/05/2013

Bad Bonn Kilbi mit Jandek (Phantom)

Filed under: Unterwegs — Schlagwörter: , , , , , — Hotcha @ 08:00

Das war ein echter Schock, sowohl Jandek wie auch die Flaming Lips fanden sich plötzlich nicht mehr auf dem Programm der Bad Bonn Kilbi. Und ich hatte doch extra den Samstag eingekauft, am ersten Vorverkaufstag schon. Später wäre es wohl gar nicht mehr möglich gewesen, die Festivalpässe gingen alle schon in der ersten Stunde weg. Und nun das: die einzigen Acts, die mich ausserordentlich interessiert hatten, abgesagt?

Man hat mich dann darauf hingewiesen, also das Internet hat mich darauf hingewiesen, dass ich das Programm des Vorjahres konsultiert hatte. Alles gut also. Und ich musste nun herausfinden, wie ich bei dem Hudelwetter ins abgelegene Düdingen komme, besser gesagt, was mache ich nach den Konzerten um 2:00 Uhr morgens ohne Zelt, ohne Hotel sowieso, ohne Schlafplatz?

Um eine lange Geschichte kurz zu schneiden, kann man auch direkt zum Thema springen, hier:
1 – Kilbi………
2 – Jandek………Hinfahrt………Rückfahrt

Hinfahrt

Schon klar, die Hinfahrt ist ein Klacks; einzig die Verpflegungsfrage stellt ein Problem. Ich meine, in den Bahnhofunterführungen zu extrem überhöhten Preisen diesen bizarren Ex-und-Hopp-Food verzehren, der seltsamerweise noch als „gesund“ angepriesen wird, ich bin doch nicht blöd.

In Bahnhöfen Essen verkaufen heisst Lügen lernen.

Im Bahnhof essen

Wenigstens findet sich unter all den Blinden ein Einäugiger – eine Migros Fast Food Insel. Dort kaufe ich mir ein

Steinofenbrot.

Als es mir über die Theke gereicht wird, beim ersten Drücken schon bereue ich den Kauf. Ich hätte den Mut haben sollen, das Geld zurück zu verlangen. Ich glaube man nennt diese Konsistenz ‚letschert‘ – schlaff, lampig eben. Das Brot hat mit Sicherheit weder jemals einen Stein noch einen Ofen, geschweige denn einen Steinofen gesehen. Reklamieren ist ausgeschlossen, schliesslich wissen wir alle, dass der Name mit dem Inhalt nichts zu tun hat. Rein gar nichts. Bauernbrot, Wiesenmilch, Tiefkühllasagne. Da ist weder Bauer noch Wiese noch Tiefkühltruhe drin. Steinofenbrot. Salami war drin. Salami? Normalerweise hat die einen intensiven Geschmack, diese hier hatte gar keinen . M-Budget? Aber lassen wir das Thema – es musste bloss wieder mal gemotzt werden, wo es ums Essen geht, kenne ich absolut keine Gnade. Essen ist Politik! Und diese Beutelschneiderei der Faustfoodbranche geht mir schon lange auf den Wecker. Vor allem in den Bahnhöfen, wo es keine anderen Möglichkeiten gibt.

Bad Bonn Kilbi

Ich war mir sicher, dort dann die ganze Szene anzutreffen. Hm… Ein paar Nasen habe ich gekannt, vielleicht 10 von wahrscheinlich 2000. Und den Briggi aus dem Rheintal kennen gelernt. Bei einem Drink, den er mir ginseelig anbietet. Wir hauen uns ein bisschen gegenseitig auf die Schulter, dann muss er pissen gehen und ward nimmer gesehen. Das war ca. um 18:00 Uhr. Er trug keine Sonnenbrille, da war er eine Ausnahme. Er war auch nicht allzu bleich. Immerhin war das Festival in seinem dritten Tag, viele hatten bei Kälte und Regen seit Donnerstag gezeltet. Vermute ich wenigstens. Die Zeltplätze waren voll.

Unter solch erschwerten Bedingungen mutiert gar mancher zum Rock’n’Roll Zombie, die Freundin zu Kate Moss. Finde den Unterschied.

Jandek

Ich war ja wegen Jandek gekommen. Jandek on Corwood. Ein Phantom seit über 30 Jahren. Eine Legende. Ein Mythos. Muss ich noch mehr sagen? Während Jahren war von Jandek nur soviel bekannt: Ein Inserat, eine Postfachadresse. Und dass er auf diesem (seinem?) Label Platte um Platte raushaut, alle von ihm, sicher eine pro Quartal. Langspielplatten, wohlgemerkt. Und die konnte man über das Postfach bestellen. Wir reden hier über die frühen 80er, auch das sei wohl gemerkt.

Heute erst übrigens sehe ich, es gibt unterdessen einen Film bei Youtube, der allerdings das Mysterium nicht aufklären wird, nehme ich an. Ich habe ihn mir noch nicht angesehen. Hier ist der Link, solange er funktioniert.

Hier schon mal das PS (na ja, eigentlich ein MS): ich hatte damals die ganze Produktion bestellt, im ’88 war das, das waren ungefähr ein Dutzend LPs, davon je zwei Exemplare. Versuchte die zu verkaufen. Ein Stück ging weg, danach war fertig lustig; über 20 Jahre habe ich den Packen mitgezügelt, bis ich 2009 mal die ganzen Kisten auspackte.

Unterdessen habe ich einige nachträglich über Discogs verkauft. Selbstverständlich sind die heute das Mehrfache der 9 Franken wert, die ich damals verlangt hatte. Ein weiteres Beispiel für die breite Gültigkeit des Mottos

Be There Or Be Square

… ja das Leben ist eins der Schwersten, wie auch Donald Duck immer schon wusste.

Live

Um 20:00 Uhr sollte Jandeks Auftritt beginnen. Um 19:30 stand ich schon im Zelt, um ja keine Bewegung des Maestros zu verpassen. Und ward reich belohnt. Der Soundcheck war irgendwie ein lockeres Zusammenstehen auf der Bühne, ein wenig Geräusche machen, Jandek instrumental sozusagen.

Ziemlich auf die Minute dann das Konzert. Vorher war noch ein blondes ätherisches Wesen mit einer etwas ungesunden Körperhaltung und viel zu grossen winzigen Klamotten zum Trio gestossen, das perfekte Nico-Zitat in seiner Ausstrahlung, dem original gelangweilten Rezitieren unverständlicher Texte („Flucht“ „Flucht“ „Flucht“ glaubte ich mal verstanden zu haben, aber dann liess ich die Sorge um Inhalt korrekterweise fahren). Viel Luft in der Stimme. Sie dreht ab und an an Knöpfen, dann wirds halliger oder geräuschiger. Derweil der Gitarrist im Hardrockgewande für flächige Geräusche zuständig ist, die er mittels eines Tonbandechos sowie Hauen und Stechen mit dem Instrument erzeugt. Und mit dem Gitarrenhals den Bühnenboden rechen. Diesen Trick habe ich noch nicht gekannt.

Drei Songs spielen sie, um Punkt 21:00 ist fertig. Kurz vorher hatte sich das Ende angekündigt, durch einen schnellen Blick des Drummers auf seine Uhr. Da war dem Kenner klar: Die hören genau zur vertraglich festgelegten Zeit auf.

Der Drummer übrigens spielte als einziger konventionell, aber auf technisch hohem Niveau. Es ist jetzt blöd, Vergleiche zu ziehen. Erinnerte mich an Koryphäen wie Tobi Schramm oder Lionel Friedli, sind halt beide aus Biel. Darum wisst ihr jetzt vielleicht auf Anhieb nicht grad, wer das ist. Das wird noch.

Jandek nun, er blieb die ganze Stunde über an seinem Fender Bass, und wie soll ich seine Spielweise jetzt beschreiben? Plonk Plonk ………….PlPlPlPlPlonkBrumm… Reibgliss – PloinkPlummPlamm…. reiblinksundrechtsgleichzeitigimKreisherum- gliss – Reib Plonk Plooonk Plnk.

Ein wenig wie Frank Zappa, aber total anders: Jandek arbeitet seit seiner ersten LP an seinem ganz eigenen Sound, die Worte sind total wichtig, aber man muss sie nicht verstehen, eine Melodie brauchts nicht, wozu gibt es denn Klangflächen und Pling Plonk? Ein wenig wie Frank Zappa: Schon nach ein paar Sekunden ist klar, wer da spielt.

Jandek live im Bild

Checkin

Jandek 19:38 Soundcheck

19:38 Uhr

Jandek 19:40 Soundcheck

19:40 Uhr

Jandek 19:47 Uhr

19:47 Uhr

Jandek 19:48 Uhr

19:48 Uhr

Jandek 19:52 Soundcheck or waiting

19:52 Uhr

For real

Concert 20:54 5 minutes to go

20:54 Uhr

Jandek 20:57

20:57 Uhr

Jandek 20:58

20:58 Uhr

20:59 Jandek's gig is over
20:59 Uhr

Da in der Konzertkritik heute morgen im Bund Jandek nicht einmal erwähnt worden ist, musste diese Ergänzung unbedingt sein. Voilà!

Eigentlich hätte ich dafür ja auch meinen Musigblog, vielleicht mache ich dort drüben dann auch noch was, beim Calypso Now Blog

Rückfahrt

Hätte ich das Billet schon in der Tasch gehabt, wäre ich ruckzuck zurück in Biel gewesen. Bis ich allerdings das Ticket der eher kryptischen Software entlockt hatte, war der Zug nach Bern schon weg. Und in Düdingen eine Stunde auf den Zug warten ist nicht so toll. Egal jetzt. Hauptsache für den Veloverlader: Der letzte Zug nach Bern – Biel geht erst um 0:37 Uhr! Das sind für jemand wie mich, der noch mit dem TV-Sendeschluss um 24:00 Uhr aufgewachsen ist, ganz neue, ganz hervorragende Töne.

05/05/2013

Hilfe, die SBB rät mir zum Fliegen!

Filed under: Fahrradmitnahme — Schlagwörter: , , , , — Hotcha @ 13:47

Vor dem Fliegen habe ich immer stärkeren Abscheu. Nicht moralischer Natur – ich finde ganz einfach diese Art des Reisens widerwärtig, diesen ganzen Flugzirkus, diese Pendlerei durch die Lüfte, das Verschwinden des Erlebnisses in Stress, Ärger, Hetze, Gedränge. Noch wichtiger fast: Ich reise einfach zu gerne, als dass ich mich dem angeblich so effizienten zeitsparenden Denken in Destinationen unterziehen könnte.

Ist denn die Gegend zwischen A und B, zwischen Abfahrt und Ziel wirklich so schlimm, dass man sie am Liebsten in Vollnarkose durchquert?

Für mich beginnen die Ferien genau dann, wenn ich hier in den Zug steige. Und sie enden entsprechend auch erst bei der Ankunft zu Hause. Rechne: Das sind genau zwei Tage länger als üblich, wenn sie erst bei Ankunft am Ferienort beginnen.

Nun hätte ich also dieses Jahr gerne mal Ferien in Portugal gemacht. Und mich vertrauensvoll an meine SBB gewendet. Zum ersten Mal gestern.

Der Nummernautomat hatte mir schlechte Karten ausgeteilt. Und mich an eine Schalterbeamtin alten Zuschnitts verwiesen, nur echt mit dem eingebauten Lätsch. Eigentlich hätte ich gerne einen ungefähren Preis gewusst, einfach so eine Grössenordnung, sind es eher 200 oder doch eher 500 Franken, die man rechnen muss. Nun, die Frage stellen heisst sie sozusagen beantworten, so gesehen scheine ich auf ein Wunder zu hoffen. Aber anstatt mir einen ungefähren Betrag anzugeben, begann die Beamtin unter Stöhnen einen detaillierten Fahrplan über Genf Montpellier Port-Bou Barcelona Madrid in allerhand Bildschirmmasken der verschiedensten Eisenbahnen zusammenzusuchen. Um dann schon bald mal einen Rat zu geben: Pour le Portugal, il faut prendre l’avion.

Jo, Pfyfeteckel. Und das bei der SBB. Ich verabschiede mich alsbald von dieser Totengräberin des Öffentlichen Verkehrs unter ungespielt ungläubigem Staunen meinerseits – und der festen Absicht, es dann nochmals im Bahnhof der Hauptstadt zu versuchen, dort habe ich einen Schalter für Auslandsbillete in Erinnerung, mit spezialisiertem Personal.

30 Kilometer fahren, um eine Auskunft zu erhalten? Ich versuche mein Glück vorher noch einmal hier, einen Tag später, andere Schicht, neue Chance. Die jetzige Dame wendet sich unter Stöhnen ihrem Computer zu und beginnt in den verschiedensten Masken einen detaillierten Fahrplan nach Lissabon zusammenzustellen, anders scheint es einfach nicht zu gehen. Aber halt: In Montpellier ist Schluss. Montpellier? Das liegt noch mitten in Frankreich, wenn auch unten. Und dann müsse ich aussteigen und dort am Schalter ein Billet bis wahrscheinlich Gerona kaufen. Aufenthalt 1 Stunde 10 Minuten. Hier im Blog habe ich von einer fast einstündigen Warterei an einem Billetschalter der SNCF berichtet. Das sei dort nicht unüblich. Da scheinen mir 70 Minuten ein wenig spitz kalkuliert! Jetzt ohne Kohl. Immerhin reden wir vom Juli, von der Ankunft eines Schweizer TGV, mit möglicherweise mehreren Passagieren mit dem selben Problem, in der Schlange vor einem französischen Billetschalter.

Von eventuell Gerona aus könne ich dann wieder mit einem in der Schweiz gekauften Billet weiter fahren. Und so würde das noch ein paar Mal gehen, bis ich nach vielleicht sieben Umstiegen in Lissabon sein könnte. Möglicherweise. Noch sind wir nicht weiter in der konkreten Reiseplanung als bis Montpellier. Kann sein, dass der Faden irgendwo noch abbricht. Genaues weiss man noch nicht.

Ich solle doch fliegen!

Um nicht als komischer Kauz dazustehen („Aber heute fliegen doch alle!“), lasse ich ein medizinisches Problem anklingen… Sucht die Dame also weiter, gibt aber zugleich zu bedenken, dass sie heutzutage nicht mal mehr direkte Billete nach Barcelona ausstellen könnten. Da gäbe es nur Schweiz-Spanische Grenze, von dort an müsse man wieder vor Ort schauen.

Wieso kommt mir da plötzlich das Postkutschenzeitalter in den Sinn?

Auf jeden Fall weiss ich nun: Wenn es noch eine brauchbare planbare Verbindung nach Portugal gibt, dann kostet sie eher 500 Franken als 200. Hätten sie mir eigentlich auch direkt sagen können.

Ich wäre gerne nach Portugal in die Ferien gefahren, aber so wie’s ausschaut wird es wieder Bretagne, halt. Schade eigentlich. Aber ich bleibe dran. Eventuell.

27/03/2013

Eine schwere Hand lastet auf der Migros

Filed under: Essen — Schlagwörter: , — Hotcha @ 10:39

Sehr unoriginell, aber so klar, dass wohl niemand es abstreiten würde: Gottlieb Dutti Duttweiler würde sofort einen Stein schmeissen, sähe er heute einen seiner Migrosläden. Seinen legendären Stein, ursprünglich ins Bundeshaus geschmissen, er würde ihn heute in seine eigenen Läden werfen, wutentbrannt.

Und zwar weil es dort kein Franck Aroma mehr gibt.

Historische Einschübe, dann müssts nicht so viel googeln (weil es ist ja das alles Ewigkeiten her…):

Gottlieb Duttweiler ist der Gründer der Migros, fast 100 Jahre ist es jetzt her. Eine Legende des Schweizer Detailhandels, der erste Discounter. Er wollte es nicht nur billig, sondern auch besonders gut machen: Kein Alkohol, kein Tabak, von wegen Volksgesundheit. Die Migros-Realität ist in diesem Bereich heute eine ganz andere: Die Migros vermietet in ihren Läden einfach Flächen an ergänzende Anbieter, Kiosk, Alkoholschwemmen wie Denner (den die Migros unterdessen sogar gekauft hat), und, ganz besonders perfide, sie gründet Tochterfirmen wie Migrolino, und diese sind dann von den ethischen Richtlinien der Migros befreit. Schlaumeier? Nicht nur: Komplizen derjeniger Kunden, denen es nur auf den Preis ankommt und fertig. Auch eine ethische Grundhaltung, irgendwie. Nicht jene des Migros-Gründers, aber das ist ja alles schon lange her, man muss mit der Zeit gehen.

Duttweiler wurde berühmt, weil er mal einen Stein ins Bundeshaus warf, um gegen die Politik des Bundesrats zu protestieren. Etc etc. mehr gibt es in der Wikipedia, sehr gute Darstellung.

Kommen wir zurück zum Franck Aroma. Eines der allerschönsten Produkte überhaupt, schauts euch doch nur mal diese Packung an. Unverändert seit mindestens 6000 Jahren. Schweizer Design. Ursprünglich in Basel fabriziert, heute bei Nestlé. Für einen guten Milchkaffee unverzichtbar! Obwohl ich seit den Italienferien nur noch den blauen Lavazzo trinke, das Päckli kostet 7 Franken (!), mundet mir auch dieser nicht ohne einen Schuss Zichorie von Franck, früher Thomy + Franck, übrigens, das wird noch wichtig werden hier. Diese Daten hatte ich selber vergessen, aber im Artikel „Sparkaffee und Franck-Aroma“ fand ich eine gute Erinnerungsstütze.

In meiner Familie gibt es übrigens eine Vergangenheit als fast-Kaffeesurrogat-Dynastie. Ein Urgrossonkel, der Bruder meines Grossvaters Vater, hatte um die 30er Jahre eine Kaffeesurrogatfabrikation aufgebaut, verkauft wurde glaubs ausschliesslich regional, mein Vater hat noch mit dem Huttli auf dem Rücken Eichelnkaffee ausgetragen. Für den Bankenkredit bürgte unser Grossvater; er war kreditwürdig, obwohl ohne Geld: Erbe des väterlichen Hofes. Und haste nicht gesehen war das Erbe weg, bevor es überhaupt angetreten werden konnte. Weil der Urgrossonkel machte dann mit seinem Kaffeeersatz Konkurs. Und so ist es gekommen, dass unsere Familie in der Folge wegkam von der Scholle. Ich bin darüber natürlich froh, aber für meinen Grossvater war es weniger lustig. Er hatte vorher die Tochter eines Grossbauern zur Frau erhalten, man muss sich mal vorstellen, was das in diesem Milieu nun bedeutet hat, Hof weg, Zukunft ungewiss, die Frau um mehrere Gesellschaftsstufen abgestürzt, das in einem kleinen Dorf, das nebst Landwirtschaft und Gewerbe nur zwei Fabriken aufwies. Mein Grossvater arbeitete dann bis zu seinem Tod mit 72 Jahren in der Fabrik. Ob ihm der Verlust des Hofes je verziehen worden ist, weiss ich nicht – manchmal habe ich das Gefühl, es wurde ihm bis zum Schluss nachgetragen.

Mir selber bleiben aus dieser Episode eine silberne Taschenuhr, ein Foto und zwei Fracks vom Urgrossonkel – und ein Bogen Firmenpapier.

Nicht nur Franck Aroma finde ich in meinem Quartiermigros nicht mehr – auch die Senfgläser von Thomy wurden aus dem Angebot gestrichen. Und auch das Lammragout mit Bein. Alles Zutaten, die es in der Küche einfach braucht. Immerhin gibts den Schabzieger noch, aber wie lange wohl? Denn der Trend ist seit mehreren Jahren offensichtlich: In der Migros haben die Controller die Macht übernommen, sie wagen sich nun immer unverhohlener aus der Deckung. Und Controller kennen nur Zahlen, am liebsten Kennzahlen. Etwa den Umsatz pro Fläche. Und da kann man natürlich mit diesen Traditionsmarken nur verlieren, rechnet er. Denn sie sind billig, unverschämt billig schon fast. So ein Franck Aroma kostet 1.15 für 200 Gramm, und damit komme ich monatelang über die Runden. Der Senf in der Tube, den gibts noch, kostet aber ungefähr das Dreifache der selben Menge im Glas. Das Lammragout mit Bein, wohl fettig, das ist wahr, aber unverzichtbar für einen guten Kichererbseneintopf, kostete 1.20 pro 100 Gramm. Die besseren Stücke, die der Controller nun pusht, kosten das drei- oder vierfache, sind aber nicht mal besser, sogar gänzlich ungeeignet für meine Hausmännerküche. Ich könnte jetzt noch lange fortfahren in meiner Aufzählung, wo ich die schwere Hand des Controlling überall ausgemacht habe in der letzten Zeit, bei der Migros jetzt.

Ah ja, und was kostet nun das Ersatzprodukt für den günstigen Kaffeeersatz von Thomy + Franck? Denn ein solches scheint es zu geben. Die Migros bietet in einer diesen schicken neuen Linien einen Kaffeeersatz aus Zichorien etc. an, die 200 Gramm, die beim Franck Aroma 1.15 kosten (im Coop!), die kosten in der Migros-Darbietung 7 Franken! Und noch 30 Rappen dazu! Die sind bereits dermassen unverschämt geworden, dass sie nicht mal mehr in Preiskosmetik machen. Ihr wisst schon: 6.90, um das Siebni zu vermeiden.

Dafür aber ist Franck Aroma beim Coop Bückware, im Migros ist es auf Augenhöhe. Für 6 Franken oder 500 Prozent Aufpreis.

Des Controllers feuchter Traum, hier könnte er wahr werden – wenn die Kunden denn darauf reinfallen.

Eine Bitte habe ich: Tut das nicht.

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