Nun lese ich ihn auch in der „Zeit“, den neuen Schlöterlig „weisse alte Männer“ – fehlt noch das „privilegierte“, dann ist das Totschlagargument perfekt. Oder?
Ich kenne ihn erst so richtig seit der berühmt-berüchtigen #aufschrei-Debatte, die möglicherweise bald zur Implosion der deutschen Überfliegerpartei Die Piraten beigetragen haben wird, den Kampfbegriff „Privilegierte alte weisse Männer“, er kommt gern im selben Atemzug mit „Women Of Color“ oder „People Of Color“. Kein Monat, wo nicht irgendwo im Netz damit gekämpft wird.
Darf ich sagen, dass es mich graust?
Vor ein paar Jahren habe ich in einem Antiquariat einen Bericht der Unesco von 1960 entdeckt, „Le racisme devant la science“. Ich war ehrlich bass erstaunt, dass die wissenschaftliche Widerlegung des Rassebegriffs so alt ist. Über 50 Jahre ist das nun her. Damals herrschte noch politische Steinzeit. Und doch konnte schon damals jeder lesen, dass der Begriff der Rasse nicht haltbar ist, es keine Rassen gibt. Dass die Unterschiede innerhalb einer Population grösser sind als die Unterschiede zwischen Individuen verschiedener Völker.
Ich mag das hier nicht referieren, ich empfehle einfach mal das Standardwerk von Cavalli-Sforza, „Genes, Peoples and Languages“. Oder googelt euch durchs Netz, dies ist halt der Stand der Forschung.
Es sind wieder mal die gesellschaftlich unglaublich rückständigen USA, denen wir das Comeback des Rassebegriffs auch unter europäischen Intellektuellen verdanken. Dort wird ja die Race immer noch im Pass eingetragen, von dort werden solche Kategorien in der sog. Frauen- und Geschlechterforschung aufgenommen.
Bitte ‚intellektuell‘ nicht mit ‚intelligent‘ oder ‚gescheit‘ gleichsetzen. Intellektuelle sind nicht unbedingt klug, ihr Werkzeug ist das Denken, das ist auch grad alles.
Man kann ein Werkzeug eben auch schlecht oder gar nicht beherrschen.
Wer heute mit Rassen oder gar Farben die Menschen einteilen will, beherrscht sein Werkzeug nicht – er will bloss pöbeln, einen Gegner reizen und vor allem als nicht satisfaktionsfähig ins Abseits stellen.
Da steht ein riesiger Elefant im Raum, warum nur tun alle so, als sähen sie ihn nicht? Wie oft muss ich in letzter Zeit lesen, jemand sei ‚weiss‘. Hahaha – ich kenne viele graue, hellbraune, grünliche, rötliche, ockerfarbene, schwarze, gefleckte und gestreifte Menschen. Weisse Menschen habe ich noch nie im Leben gesehen.
Ausser Donald Duck und seine Familie – die sind tatsächlich alle weiss.
Es hat etwas pubertäres, dieses Revival der Rasse. Es soll provozieren, diskriminieren, seinen eigenen Standpunkt legitimieren. Und dabei zeigt es nur einen Mangel an Argumenten. Häufig wird dieser neue Rassismus übrigens in Blogs verwendet, die strikte Kommentarregeln aufgestellt haben, wo ‚der Gegner‘ nicht oder nur sehr eingeschränkt zu Wort kommen soll.
Ein peinliches Schauspiel.
Links:
Der Kommentar in der Zeit vom 5.9.2013
Wo endet Toleranz, wo beginnt Zensur – carta.info