Veloverlad – ein interessante Blog, glaubzmer

23/01/2015

Keine Zähne, keine Hörner, keine Hufen – sonst aber alles

Filed under: Essen,Unterwegs — Schlagwörter: , — Hotcha @ 11:29

Wenn in Wien, tu wie die Wiener tun – auswärts essen und drüber schreiben. Deshalb habe ich auch ein Benutzerkonto bei www.restauranttester.at; schon zu Anfang der Woche habe ich meiner Begeisterung über eine unterbewertete Szechuan-Beiz Luft gemacht und daraufhin Empfehlung um Empfehlung erhalten, wo ich unbedingt noch hin müsste, dort sei auch ‚authentisch‘. Und habe dann mit schlechtem Gewissen doch nur meine zwei Favoriten besucht, jeden Tag, eine am Mittag, eine am Abend.

Immerhin: Ich habe die Empfehlungen genutzt, mir unbekannte Ecken Wiens anzuschauen. So war ich etwa bei den Kaisermühlen draussen, das sind die vom Fernsehen. Bei Youtube kann man alle Folgen von Kaisermühlen-Blues anschauen, ist offenbar die Österreichische Lindenstrasse. Sehr lustig, wenigstens die allererste Folge. Dann beginnt es sozialkitschig zu werden, Lindenstrasse halt. Kaisermühlen, das Tscharnerguet von Wien. Gärten, Wasser, Ufer, Bäume, riesige Wohnblöcke. Danach Business Kitsch. Das haben sie drauf, die Österreicher. So wie hier jeder seinen einmal erworbenen Berufsabschluss sein Leben lang im Titel führt („Putzerei Ing. Watzalatschek“), so sehen auch die neuen Businessquartiere aus: Viel Glas, Stahl, sehr hoch, ein bisschen verzworgelt auch, Türme, die sich nach oben verjüngen, man muss sich das selber anschauen, es sieht einfach total billig aus, will Eindruck schinden und erweckt doch nur Mitleid.

Dort draussen ist auch das Arbeiterstrandbad, eine herrliche Gegend, Häuschen am Fluss, Boote, das schaut mir aber gar nicht nach Arbeiter aus, sondern eher nach privilegiertem Uferzugang. Und dort draussen liegt das Sichuan 1220, der Wahnsinn, wie der Wiener wohl sagt. Ein riesiger Palast im Pagodenstil mit einem riesigen Garten vorne dran mit riesigem Teich. Die nennen das hier einen Schanigarten. Muss die österreichische Version des Biergartens sein. Und dabei trinken doch alle immer nur Wein. Jedenfalls kriegt man den Eindruck, wenn man die Restaurantkritiken liest, wo immer wieder bemängelt wird, dass die Chinesen einfach keinen anständigen Wein auf die Karten haben.

Da habe ich gleich rechtsumkehrt gemacht, es hätte der schicken glänzenden Limousinen auf dem Parkweg gar nicht bedurft.

Auch das No. 27 an der Ungargasse und Meister Xiao im Gerstenhof draussen, gleich neben dem Altersheim (‚Pensionisten‘ heissen die hier, meine Altersgenossen), beide haben mich schon von aussen abgeschreckt. Man isst dort ganz bestimmt wunderbar. Aber diese Kühle, diese Strenge, diese Leere, diese Distanziertheit – das muss ich nicht mehr haben. Ich habe nämlich das Gegenteil gefunden, aus reinem Zufall, und dort gehe ich jetzt jeden Tag hin. Ich bin nämlich mit der Karte noch nicht durch.

Es ist das Aming Dim Sum Profi an der rechten Wienzeile, beim Naschmarkt. Naschmarkt, das scheint hier ein Treffpunkt der Verfressenen zu sein. Gewürze, Gebäcke und Getränke aus allen kulinarisch relevanten Regionen ist hier das Motto. Auch wenn mich manches ein wenig hochgejazzt dünkt. Die Gewürze etwa, die sind einfach schön präsentiert, in kleinen Plastikschälchen, aber wenn man näher hinschaut, sehen die nicht anders aus als im Supermarkt. Ich vermute die Kilopackungen unterm Ladentisch, aus denen wird jeweils nachgefüllt. Industrieware im Biolook. Der Naschmarkt ist ein Touristenmagnet, die besser angezogenen Wiener gehen hier apérölen. Kann mir nicht gefallen.

Aber der Aming Dim Sum Profi, das ist meine Währung. Ein einfaches Lokal, vielleicht drei Reihen Vierer- und Zweiertische, man sitzt ziemlich nah aufeinander, würden die Anhänger des sogenannten ‚Ambiente‘ nun sagen. Nun, es ist sicher nicht der Ort für ein erstes Date, wo man sich dem Gegenüber im besten Licht präsentieren will, weil alle Umsitzenden hören natürlich die offenkundigen Lügen, die jene mit der rosaroten Brille noch für bare Münze nehmen. Wenn man aber so wie ich zum Essen da ist, zudem keine Menschenseele kennt, dann kann es keinen besseren Chinesen gegen. Den Weitgereisten in mir erinnert es an Chinatown in New York (mehr kenne ich leider nicht).

Dort allerdings habe ich nur das plumpste gegessen, Egg Foo Yong, irgendwelche Noodles, Ente natürlich, ich war ja jung und hatte kein Geld. Hier aber, da esse ich nur das, was ich noch nicht kenne. Highlights bisher: Die Hühnerfüsse ohne Knochen, eine kalte, gut gewürzte Vorspeise. Ich kann es kaum erwarten, das nächste Woche zu Hause zu machen. Dann der Schweinsdarm mit gebratenen Pfefferoni, da habe ich sogar ein Foto gemacht, ausnahmsweise, denn meistens sehen ja diese Food Porn Pix ziemlich daneben aus.

Schweinsdarm wie in China

Schweinsdarm mit gegrillten Pfefferoni

Was war noch? Die Innereienmischung, auch kalt, auch gut gewürzt, mit dem Innenleben von allerhand Tieren. Der Schweinsohrensalat, die Ohren in ganz feinen Streifen, gut gewürzt, der Knorpel noch schön knackig, das war sehr gut, werde ich auch sofort nachkochen in Biel. Die Quallen waren auch nicht schlecht, aber weniger gut als im Sichuan. Dort, im Sichuan, waren auch die Rindersehnen göttlich. Werde ich sofort nachkochen zu Hause. Braucht einfach einen ganzen Haufen Osso Bucco, ohne das Fleisch, eben nur das Zähe am Knochen. In Scheiben geschnitten, gut gewürzt, ich komme ins Träumen, bitte bremst mich hier. Es ist erst 10 Uhr.

So, und damit komme ich zum Ende der intuitiv angelegten Beweisführung: Authentisch chinesisch ist, wenn man: Alles verwertet, was am Tier dran ist, ausser eben – siehe Überschrift. Aber vielleicht haben die einen Weg gefunden, sogar das irgendwie…

Und wohl ist mir beim Aming Dim Sum Profi, unterdessen kann ich den Namen schon auswendig schreiben, weil ich noch jedesmal mit den Tischnachbarn ins Gespräch gekommen bin, ohne im Fall mich in irgend einer Weise ranzuschmeissen. Studentinnen, ein marokkanischer Küchenchef, Bauführer, das ist die Bilanz bis heute, dreimal war ich dort. Das ist doch ganz was andres als diese steifen oder verklemmten oder desinteressierten Mitesser oder Bediener, die sonst so diese Lokale bevölkern.

Ausschnitt aus der Karte von Aming Dim Sum Profi

Ausschnitt aus der Karte von Aming Dim Sum Profi

10:04, schreibe das in meinem Lieblingscafé, dem MacDonalds beim Prater draussen, die haben Wlan, Steckdosen und schöne Kojen. Gut frequentiert, Treffpunkt all jener, die im Moment in der Schule sein müssten, ein wildes Sprachgewirr, nicht alle scheinen etwas zu konsumieren, von Zeit zu Zeit sehe ich einen Angestellten jemanden rausstellen, aber grundsätzlich ist das Klima hier sehr tolerant. Aber es spickt mich immer wiede raus, muss ständig mit CTRL+A – CTRL+C mich absichern gegen Datenverlust. Ich könnte natürlich auch in ein Starbuck. Sind ebenfalls beliebte Arbeitsorte. Aber da sind eher die Leute mit Wollmütze, die früh kommen, lange bleiben, und gerne den Fünfliber zahlen, den dort ein Kaffee kostet. Wenn man bedenkt, dass ein Hauptthema hier im Moment der Kaffeepreis in der Schweiz ist, jetzt, wo der Euro zerfällt. Ein Kaffee in Zürich 5 Euro, hat man mir vorgehalten.

Aber das hat ja die Wahrnehmung so an sich – sie muss selektiv sein, sonst würde man durchdrehen. Sonst wäre es wie permanent auf LSD. Und das soll tödlich sein, kann man lesen.

Der Linkblock noch:

21/01/2015

Ich sitz‘ in Wien und fress‘ mir den Ranzen voll, für dreimal nix, dem Beuro sei Dank

Filed under: Essen — Schlagwörter: , — Hotcha @ 00:11

Früher hiess das Ding noch Teuro, aber da kostete er uns ja auch noch so um die 1.50. Jetzt steht der Kurs um die 1 zu 1. Das Hotel, das ich schon im November gebucht, war plötzlich 20 Prozent billiger als zum Buchungszeitpunkt mit runden 1.20 für einen Euro.

Pro Tag verfresse ich jetzt runde 50 Franken, zweimal am Tag schlage ich beim Chinesen zu, Kutteln, Rindersehnen, Hühnerklauen, nichts lass‘ ich aus, ich musste schon den Spar-Laden leerkaufen, die Abteilung Kräuterschnäpse, und auch griechische Aperitive, die ist nun leer, aber ich habe der Sache nicht ganz getraut, beim Mittelstandsdiscounter Zielpunkt war der Schwedenbitter um 30 % eingeschlagen (die Oesterreicher verdrehen im Fall immer die Wörter, da ‚einlangt‘ eine Ware statt dass sie ankommt und dergleichen mehr), blosse 6 Franken 29 hat der Halbliter noch gekostet. Hab‘ ich halt nochmals reingelangt. Schwedenbitter, offiziell Medizin, aber wie jede Kräutermedizin besteht sie zur Hauptsache aus Alkohol, 32 Prozent, fast so viel wie der Ouzo, 38 Prozent. Die industrielle Homöopathie kommt übrigens auf 50% Alkohol, mein Similasan-Schlafmittel mit 25% brauche ich seit einiger Zeit als Putzmittel für die Plättli in der Küche.

So läute ich, noch gesättigt von einem Riesenteller Tofu mit Klebreis, fritiert und an schwarzer Bohnensosse, das Nachtessen ein im Hotelzimmer mit einem kräftigen Schluck Ouzo, und lasse es ausklingen mit der Medizin, am selbigen Ort, nunmehr noch gesättigter von drei Tellern doppelt gegrilltem Schweinebauch.

Man kann ja Zeter und Mordio schreien ob der Ungerechtigkeit, dass die Nationalbank aus heiterem Himmel den Eurokurs freigibt, woraufhin er von seiner künstlich gehaltenen Höhe unvermittelt auf den Boden plumpst. Man sollte aber doch zwischendurch sich überlegen, wer hier Ross, wer Reiter, wer Sattel ist.

Ich habe vor noch nicht allzu langer Zeit begonnen, Sachen aus meiner gewaltigen Sammlung zu verkaufen, Kassetten und Platten. Vor wenigen Jahren stand der Kurs noch bei rund 1.50, dann begann die Talfahrt, hinunter auf 1.25. Schlecht für mich, denn für die Deutschen, Amerikaner und etc. wurde der Einkauf bei mir schnell 15 Prozent teurer. Ich hörte mit dem Verkauf auf, frustriert. Um dann nach einer Denkpause ihn wieder aufzunehmen. Im Unterschied zu vorher aber biete ich nur noch exklusive Raritäten an, die nicht preisfühlig sind, oder dann Sachen, die mir nichts bedeuten, wo mir der Ertrag dann eher Wurst ist. Ich habe gemacht, was auch von den Schweizer Exportfirmen erwartet worden ist: Mich umgestellt. Bin aber natürlich nur ein ganz kleines Fischlein. Allerdings auch nicht hoch entlohnt.

Dann kündigte die Nationalbank an, sie werden den Eurokurs bei 1.20 verteidigen auf Teufel komm raus, und bei Bedarf halt selber als Eurokäufer auftreten, wenn sonst niemand mehr da ist. Und das hat sie auch gemacht, runde drei Jahre lang, und in dieser Zeit Milliarden von billigen Euro zu einem überteuerten Preis angekauft.

Und jetzt das – plötzlich will sie das nicht mehr tun. Und die Finanzchefs und -Chefinnen fallen aus allen Wolken, damit hätten sie nicht gerechnet, hört man. Ja um Himmels Gotts Willen, in welcher Welt leben denn diese hochbezahlten Spezialisten, diese Stadtkämmerer, die Kredite in Schweizer Franken einfach weiter laufen lassen, als ob nicht klar wäre, dass die Herrlichkeit eines Tages ein Ende haben wird?

Deutsch und deutlich: Damit musste auf jeden Fall gerechnet werden. Dass es eintreten wird, war schon sehr lange klar, nur der Zeitpunkt war es nicht.

Und was zeigt uns das wieder einmal? Welche Risiken fallen uns da unweigerlich ein, die extremes Schadenspotential enthalten?

Darüber sollte man vielleicht nachdenken. Aber auch da wird, wenn etwas passiert, das basse Erstaunen ein Flächendeckendes sein.

Ich wohne 30 Kilometer vom Nuklearkraftwerk Mühleberg entfernt. Wenn es da knallt, dann weiss man, man hat keine Chance, wenn man nicht innert einer Dreiviertelstunde zu den Jodtabletten greifen kann, die letztes Jahr in jeden Haushalt geliefert worden sind.

Wo wohnen Sie? Haben Sie ihre Jodtabletten immer „auf Mann“? Hat man ihnen gesagt, Sie sollten die immer dabei haben? Aber man will ja nicht „Kassandra, Kassandra“ rufen. Es wird schon nichts passieren. Da brauchen’s nur den Spezialisten fragen, er wird es bestätigen.

Brauchst keine Angst haben. Wir haben die Risiken analysiert. Der kleine Rest, der ist nix, das ist bloss das Restrisiko. Wie beim Putzen, das Stäublein in der Ecke. Jetzt san’s net so grantlig. So penibel. Ach, ist so ein kleiner Rest. Ein Rest halt. Das, was noch übrig bleibt. Werden wir auch noch wegmachen. Fast.

Noch der obligate Linkblock, damit mich niemand des Erfindens bezichtigt:
Ärzte für Umweltschutz zu Mühleberg und Jodtabletten
zu Similasan Hustentropfen
Rest. Sichuan et. al

26/11/2014

Unsere heimeligen Fleischkonzerne

Filed under: Essen — Hotcha @ 09:47
Rapelli, Ospelt, Bell waren bis vor Kurzem Partner von Carna Grischa

Es gilt die Unschuldsvermutung…

Ach wie gut dass niemand weiss…. Dass das Internet archiviert wird. Carna Grischa, bezichtigt der Falschdeklaration von Fleisch, billiges als teures, aufgetautes als frisches, abgelaufenes als frisches, hat plötzlich keine Partner mehr auf seiner Webseite. Noch im September sah es aber ganz anders aus, da waren die grossen Namen zu finden wie Bell, Rapelli, Ospelt – alle Lieferanten von Grossverteilern.

Und plötzlich sind wieder alle überrascht, dass sowas möglich ist. Fleisch aus Ungarn plötzlich aus der Schweiz stammen sollte. Pferd plötzlich zu Rind wird. Aufgetautes plötzlich Frischfleisch sein soll.
Ein Konkurrent meinte zwar im Nachhinein, er hätte sich immer schon gefragt, wie Carna Grischa ihre günstigen Preise erreichen könnten, wie die denn einkaufen würden. Da frage ich mich natürlich, warum sind die nicht schon lange vorher aufgeflogen? In der Branche wird doch geredet, getratscht, gemutmasst, intrigiert, wie in jeder anderen Branche auch? Und da hätten die Behörden nicht aufgemerkt?

Mir unerklärlich. Ich will ja weder vermuten, die Behörden hätten das einfach als Gerücht abgetan und nicht wenigstens mal die Preislisten kritisch angeschaut, noch dass die Konkurrenten da eben nie drüber geredet hätten aus Angst, sich selber eine Grube zu graben, weil da alle mit drin stecken und eben alle das so machen, wie Carna Grischa ja behauptet hat.

Noch ein Föteli:

Cervela vom Metzger
Blutwurst LeberwurstSchweinebauchpudding

Das waren nun deren drei, sorry. Die Euphorie, wenn ich die leckeren Würste vom Metzger Luginbühl in Biel sehe, die Blut- und Leberwürste haben die Goldmedaille gewonnen und so schmecken sie auch. Mit frischen Gewürzen! Der Gaumen explodiert und lechzt nach mehr, mehr, mehr (Diesen Satz als Refrain singen, bitte, im Stile der Sisters Of Mercy). Die Cervelat, gestern war das mein Znacht, die erste habe ich schon beim Auspacken verschlungen, noch bevor ich das Brot geschnitten und das Bier offen hatte. Was soll ich noch sagen? Die gelben Töpfe sind Schweinebauchpudding, ein Rezept aus dem Chinakochbuch, dort heisst das „zhu rou buding“. Köstlich.

Vielleicht das: Lieber einmal in der Woche Fleisch vom Metzger im Quartier als jeden Tag Fleisch aus dem Grosshandel.

Empfehlung: Mach mal den Geschmackstest. Dann findest vielleicht wie ich, dass diese Grosshandelsfleischdubiositäten entweder einheitlich nach Knorr Aromat etc. schmecken oder gar gänzlich ungeniessbar sind, wie es mir z.B. mit der Chorizo vom Denner passiert ist – nur aggressiv säuerlich-scharf, sonst ist da nix. Gruselig. Ich werde sie heute zurückbringen, denn es prangt der Name Ospelt auf dem Etikett. Essen konnte ich nur einen einzigen Bissen davon.

Disclaimer: Ich habe ein Vorurteil gegen Esswaren vom Grossverteiler und verlasse mich hauptsächlich auf meinen Verstand, meine Geschmacksnerven und Langzeitbeobachtungen. Und habe letzthin ein paar Mal Fleisch vom neuen Denner im Quartier gekauft, weil der Luginbühl mir zu weit weg war. Cervelafüllung erinnert an Sägespäne, musste Rest wegschmeissen; Salami arm an Geschmack, aber reich an Fett, musste Hälfte wegschmeissen; Chorizo siehe oben. Frischfleisch nie, das besteht schon den Augenschein nicht.

Schweinebauch

Schweinebauch: Das gibt’s natürlich nur vom Metzger!

Griebenschmalz

Griebenschmalz über den Dächern von Biel

Am allerschlimmsten fand ich eigentlich die Lieferung von Poulet aus Ungarn, deklariert als Fleisch aus der Schweiz. „Pouletbrüstli“ – schon dieses Wort, diese ranzige Ranschmeisserei an Härzig, Schnüggelig, diese Verniedlichung einer der allergrössten Hühnereien des Fleischmarktes. Da werden doch Hühner mit Riesenbrüsten gezüchtet, so dass ihr Körper ständig vornüber hängt und sie gar nicht mehr gehen können. Dann wird diesen Brüsten in der Fabrik noch mit Hunderten von Spritzen Wasser injiziert, das ist offenkundig erlaubt. Und das wird dann als „Brüstli“ verkauft.

Brüstli, Flügeli, Knusperli, Kotzerli. (Als Refrain im Sloganstil zu singen).

Nachtrag: Chorizo von Ospelt wurden mir rückerstattet im Denner-Laden!

Nachtrag 2: Hier bei Alex Riley kann man sehen, wie die Brüstli mit Wasser aufgepumpt werden, falls es noch Zweifel gibt!

04/07/2014

Morgen zu den Schweinen

Filed under: Essen,Unterwegs — Hotcha @ 21:45

Mein Ferienradius wird zunehmend enger. Eigentlich wäre ich ja gerne nach Portugal gefahren, aber die Zugverbindungen sind unmöglich und unter 500 Franken ist nix. Bus will ich nicht fahren, zu oft hört man von übermüdeten oder sonstwie beeinträchtigten Fahrern. Bleibt praktisch nur noch Frankreich oder Deutschland. Italien war mir beim letzten Mal zu teuer, das Essen nicht der Hammer, eingepackte Früchtegipfeli zum Zmorge? Den Respekt vor meinem grauen Haupt habe ich geschätzt. Aber das kriege ich auch in der Bretagne.

Und so geht es also wieder mal dort hinauf. Zu den Schweinen, den ominösen, die man aber nie zu sehen kriegt. Ihre Pisse und Scheisse allerdings, die ist unübersehbar. Nicht direkt, aber scheints soll die Algenplage mit der grossen Schweinepopulation zusammenhängen, der temporären. Lange sind die ja nicht dort, eine Saison nur, dann sind sie Wurst. Ich lästere nun hier, dabei liebe ich die Andouillette über alles. Schweinearschlöcher, zusammengepappt und mit Fett eingekleidet. Wenn man sich mal dran gewöhnt hat, braucht man seine wöchentliche Dosis. Es gibt sogar eine Vereinigung, die sich der Huldigung dieser wunderbaren Wurst verschrieben hat. Sie heisst: AAAAA.

Ich verarsche euch nicht.

Olivia Mokiejewski, die mit dem frechen Coca-Cola-Film, hat einen Film über die Säuli gedreht. Une vie de cochon.

Das Billet kostet 260 Franken, wenn’s mir recht ist, damit kann man drei Tage lang durch Frankreich brettern, so man einen Platz im TGV kriegt. Das Velo bleibt zu Hause, werde mir so einen komischen Wandergöppel mieten müssen.

Vielleicht in zwei Wochen hier mehr davon. Wenn es die Lastwagenbeiz im Nachbardorf noch gibt, die mit dem offenen Wein auf dem Tisch, den Terrinen und Crudités zum Entrée, Choucroute de mer als Hauptgang und der Apfeltorte zum Dessert.

Platz.

02/07/2014

Hamburger Hell oder wie ich Diealektik kann

Filed under: Essen — Hotcha @ 18:23

Am Wochenende habe ich an der Bieler Barbarie den besten Hamburger seit 45 Jahren gegessen. Diesen, den ersten Hamburger meines Lebens habe ich 1969 in London gehabt, jawoll, und der kam aus einem fahrenden Wägelchen aus einem Sud, unvergessen. Und nun eben an der Barbarie. Mit Fleisch vom Metzger Häberli und Brötli von der Rüfenacht-Dynastie. Und wo ich heute beim Häberli vorbeikomme, lobe ich ihn kurz zur immer offenen Tür hinein, worauf er mit einem spitzbübischen „Das waren dieselben, die ich hier in der Auslage habe“ – ich gestaunt und nach 50 Metern Umkehr gemacht, ihm drei abgekauft. Das Stück 2.60 oder so. Siehe Foto.

Danach habe ich noch Brötchen gesucht. Nirgends Hamburgerbrötchen. Bei keinem Bäcker. Bei Rüfenacht nur auf Bestellung. Einer wusste nicht mal, was Hamburgerbrötchen sind. Nach einem Abstieg in die Unterwelt der Bieler Supermärkte, die die Lebensmittel komischerweise alle im Keller verkaufen, weiss ich nun, wieso das so ist. Hamburgerbrötchen bringen dem Bäcker garantiert kein Brot, nur Arbeit und garantierte Verluste. Hamburgerbrötchen heissen Buns, und die gibts sackweise in den Supermärkten. Was einen Kulinar wie mich nicht sehr anmachen kann. Also habe ich wenigstens die Bunsäcke in den Warenhäusern besonders gut angeschaut, war bei Migros Coop Manor. Und bei Manor habe ich endlich begriffen, was ich im ’68 nie schnallte, was aber so gut tönte, Diealektik, materialistische gar. Oder so ähnlich, Studierte dürfen jetzt korrigieren.

Also, bei Manor schauten die Brötchen am schönsten aus, die Säcke am farbenfrohsten, die Preise nicht höher als bei den historischen Preisbrechern von der Migros. Komisch, nicht? Manor ist doch bekannt für seine eher hohen Preise. Bis ich mir die Säcke näher anschaute. Auf einem glänzte gross: „Ohne Palmöl!“ Palmöl ist in diesen Brötchen also sonst drin? Meine Güte. Bzw. Aw May Goad! (Hamburger Speak hehehe). Allerdings kein Wunder: Ausnahmslos alle Produkte kamen aus Frankreich oder dem Benelux. Aus der EU also. Die es mit der Qualität nicht so eng sieht wie die Schweizer. Es gibt genug Dokumentarfilme über die Möglichkeiten, die die EU-Gesetzgebung bietet, den widerlichsten Mist in einer Lebensmittelverpackung zu verkaufen. Ein Engländer hat sogar mal die Probe aufs Exempel gemacht und ist bei allen Zutaten bis zur untersten zulässigen Sauereigrenze gegangen. „Britain’s really disgusting food“ hiess die Serie, hier ist nur einer davon, per Eilklick für euch rausgeholt. Man muss sich das alles ansehen, es lohnt sich, das lernt Lesen.

Denn ich habe schnurstracks diese Vorspiegelung von Biofood, diesen komischen Manor verlassen und bin halt rüber ins Coop. Und richtig, wie vermutet: Dort ist wenigstens alles aus der Schweiz, und es wird durchgängig Rapsöl verwendet.

Kurz und gut: EU-Ware darf laut Gesetz gruusiger sein als solche aus der Schweiz. Wer nur EU-Ware anbietet, um die Preise zu halten, ist ganz einfach sauteuer, und dort werde ich künftig leider nicht mehr einkaufen können. Denn Lebensmittelhandel und Gastronomie haben als wichtigstes Kapital nun mal das Vertrauen ihrer Kundschaft – Manor hat das verloren, tut mir leid. Per Zufall habe ich in deren schwarze Seele geblickt, und nun ist alles klar, da können die noch lange mit pseudohandwerklichen Lebensmittelinseln dergleichen tun, sie kämen direkt aus Emmental Piemont Toscana etc.

Low Food.

26/06/2014

Bin in St-Maurice

Filed under: Essen,Unterwegs — Hotcha @ 20:32

[das ist halt direkt aus meinem Arbeitsjournal]

19:45 den Ranzen endlich vollschlagen können. In St-Maurice ist das gar nicht so einfach. Ich wäre lieber in Martigny geblieben, wohin es mich per Irrtum verschlagen hat. Aber das ist eine lange Geschichte. Auf jeden Fall hat es dort Dutzende interessanter Beizen gehabt, sogar einen Fastfood-Chinesen, der gar nicht so übel ausgesehen hat. Viele Leute auf Stühlen, in Gassen auf Plätzen und Terrassen. Da scheint Leben. In St-Maurice irgendwie die pure Depression. Vielleicht erfahre ich morgen mehr darüber. Ob das eine dieser vom Militär verlassenen Städte ist?

Auf jeden Fall habe ich sicher während einer Stunde Runden gedreht, Menükarten ausgecheckt, in düstere Höhlen geschaut (Beizen Pubs Restaurants), Hölle Hölle Hölle, tut mir leid. Am Bahnhof war ich kurz versucht, für einen geschätzten Totalbetrag von 40 Franken mich auf die Cuisine du terroir valaisan einzulassen. Habe das Restaurant betreten, allerdings schon im Vorgarten, wo eine nicht allzu abgefuckte Grossfamilie irgendwas lokales durchhechelte, dort überkam mich schon ein metaphysisches Gruseln – es passte alles einfach nicht zu den grossen Worten von ‚Spécialités du Valais‘, ’notre boucher local‘ blabla – und dann drinnen wieder das nackte Grauen, düster, ein Mann in Kochjacke am Kreuzworträtsel lösen, eine subtil keifende Frau hinter der Bar, ich nix wie weg. (Gut, die Kochjacke habe ich mir glaubs eingebildet, er sah einfach aus wie einer von dort). Niemand hatte meinen Gruss erwidert. Die Beiz sonst total leer. Um 19 Uhr. An einem Donnerstag. Selten war ein Fake so offensichtlich.

Der lokale Asiate dann mit einer langen Riemen von Karte, sicher 99 Gerichte. Wie soll da irgend etwas frisch sein? Setchuan war auch aufgeführt, ich war kurz versucht, der Berichterstattung halber dort zu essen, aber was soll ich mich einiger träfen Tiefschläge wegen, zu denen ich mich als Rechercheur in China-Cuisine nun mal berufen fühlte, zu Tode frustrieren lassen? Auch dort – obzwar geöffnet, alles dunkel. Und natürlich leer. Gerichte um die 18 Franken. Manche lernens einfach nie. Unverkennbar in der Todesspirale.

Tastatur klemmt schon wieder . Pause. Speichern. Datenverlust droht. Foto vom schlussendlich gewählten Restaurant. War irgendwie geil. Der macht den Beizern Feuer unterm Arsch, bloss merken die das nicht. Zwei Kebab! Im selbstgemachten Brot, Spitze. Drei Bier (portugiesisch, kalt)! 25 Franken. Vollgefressen.
Ein schlechtes Foto eines geilen Kebab
Der Name ist die Provokation: Au pouce GOURMAND! Drinnen hängen die Kabel überall rum, es ist einfach herrlich. Dabei sagen sie auf der Webseite, es sei frisch renoviert. Muss unbedingt mal mit Mehmet da hinfahren.

Warum ich schlussendlich dort gegessen habe, ist ganz einfach. Habe den Besitzer gefragt, ob die Falafel hausgemacht seien. Er hat mich fast ausgelacht, nein, natürlich nicht. Ehrlichkeit währt einfach am Längsten.

10/11/2013

Schlachtplatte

Filed under: Essen — Hotcha @ 09:18

Die meisten haben schon fertig gegessen, das sehen wir sofort beim Eintreten. Tief die Diele, nur fünf Tische, alle voll besetzt, bis auf den einen direkt neben dem Eingang, wo nur ein offenkundiger Habitué sitzt und grad in dem Moment die dicke Blutwurst schneidet.

Bitte Herrgott mach‘ dass wir hier auch noch essen können, nachmittags um drei.

Am Schluss waren’s dann:

  • Krautsalat mit Specksauce
  • Eine Platte mit Adrio und fein gemahlenem Kartoffelbrei
  • Eine Platte mit Blutwurst und Apfelmus
  • Eine Platte mit Bratwurst und Sauerkraut
  • irgendwo waren noch Teigwaren dabei, Cravättli
  • ah, das war glaub’s beim Prägu
  • Bier, Wein, Café Lutz

Mit dem Autobus eine halbe Stunde von Biel entfernt, den Rückweg empfehle ich zu Fuss, geht ja alles hinunter, bis es dann bei Orvin wieder für eine gute halbe Stunde ansteigt, dann mit dem Bähnli runter nach Biel.

Geöffnet Donnerstag bis Sonntag, es hat auch ein Massenlager mit 25 Plätzen, eine wunderbare Aussicht auf die Aare, Büren und das Berner Oberland.

Ich bring‘ kein Wort mehr raus, sorry.

Papp!

PS: damit ihr nicht Google-Strom verschwenden müsst, habe ich es im Nachhinein doch noch oben verlinkt, wie ihr seht. Aber wehe ich will nächstes Mal dort essen und es ist alles besetzt wegen diesem Tipp hier.

30/10/2013

Griessbrei in St. Louis

Filed under: Essen,Unterwegs — Schlagwörter: , , , — Hotcha @ 08:03

Darmbakterien, MRSA-Erreger (im Volksmund auch Spitalkäfer – multiresistente Bakterien), dann aber auch Hundescheisse, Spöifer, Köderlig, Grüne – das tummelt sich alles auf den Böden unserer Züge. Deshalb solle man niemals eine Tasche auf den Boden stellen, die dann später auf Stühle gelegt, aufs Bett geworfen, auf einen Tisch gehoben wird. Irgendwie einsichtig und doch überraschend, oder nicht? Wer denkt denn schon an sowas?

Vis-à-vis von mir, die Dame im Basler Trämli inspiriert sich sichtlich vom Daig, also den oberen paar Dutzend der Basler Bourgeoisie. Soll ich es ihr wohl sagen? Da nimmt sie aus ihrem Säckli ein Heft „NZZ Residence“ hervor, ganz offensichtlich die gehobene Variante von „Schöner Wohnen“. Sie würde besser „Heim und Keim“ lesen, vielleicht stellte sie dann ihr über alle Massen gediegenes Papiertäschli aus der Edelboutique Irgendwas, Paris nicht auf den Fussboden.

Hösch!

Ich verfahre immer noch mein 2-Wochen-Ferien-GA – heute wollte ich mal ganz ganz früh auf die Piste, um 6 Uhr war ich schon am Bahnhof und in einen Bummler nach Neuchâtel-Yverdon-Morges gestiegen. Nur hatte ich dummerweise meine ganzen Geräte nicht aufgeladen über Nacht, und in diesen Zügen wird mit Steckdosen noch gegeizt. Ich fand jedenfalls keine. Und musste deshalb in Neuchâtel aussteigen, um einen Zug mit Auflademöglichkeit zu finden. Das war nicht ganz einfach. In allen Regionalzügen: Kein Strom.

Und so landete ich dann in Basel, frisch aufgeladen. Immer noch in aller Frühe. Wohin jetzt? Ins Tram nach St. Louis, grad an der Grenze. Noch eine halbe Stunde Fussweg, und man steht mitten im irgendwie elsässischen Städtchen. Grad hinter der Grenze regiert noch der Depro, geschlossene Restaurants, ein paar Bewohner führen ihren Hund aus, meist nur notdürftig bekleidet, im Trainer, hinten drauf steht noch ‚Novartis‘.

Im Städtchen ein richtig schöner Buchladen mit Papeterie, Filmen, CD, eine gute Auswahl. Sie hebt sich angenehm ab von den Panikbuchläden in der Schweiz, die mit Engels- und sonstiger Esoliteratur zu überleben versuchen. Im Inneren Zettel, man solle sie doch durch Einkäufe unterstützen, sie würden bald von ihrer Kette ausgegliedert und durch die Angestellten übernommen, Einkäufe sicherten Arbeitsplätze. Fast wäre ich eingeknickt und hätte die Memoiren von Salman Rushdie gekauft, aber die französische Übersetzung kann mich nicht richtig packen. Oder George A. Romeros ‚Zombies – The Dawn Of The Living Dead‘ für nur 9.99 € stelle ich wieder zurück ins Regal – jetzt habe ich den doch grad vor ein paar Tagen anderswo gefunden.

Stunden scheinen vergangen – ich komme an einem elsässer Markt vorbei und kaufe frisches Geflügel, um dann aber endlich am Ziel meiner Wünsche anzulangen: Eine richtige französische Beiz, ein Wirtshaus, Leute sitzen draussen an der Sonne, weitere bilden eine kleinere Traube am Tresen. Da will ich essen, auf der Tafel steht auch Osso Bucco angeschrieben.

Eine hohe Decke, ein recht grosser Saal, effiziente Damen im Service und ein imposanter Wirt, der die meisten Gäste persönlich begrüsst. Es ist 11 Uhr, die Tische werden für das Mittagessen gedeckt, der riesige Flachbildfernseher mit dem Regionalprogramm angeworfen, zwischendurch ein Schwätzchen mit einem der Gäste, die immer mal wieder zum Rauchen auf die sonnige Terrasse raustreten, alle schon älter, dem Apéro zugetan, die Jackenärmel gern auf Halbmast raufgekrempelt, der frischen Herbstluft zum Trotz. Das ist das Restaurant La Poste in St. Louis, Frankreich – in komfortabler Gehdistanz vom Basler Zoll.

Das wird hier jetzt zu lang, Essen kennen wir ja alle, ihr wisst unterdessen auch was ich gern habe: Alles was aufwendig lange gekocht oder gebraten oder geschmort werden muss. Hier bin ich voll auf meine Rechnung gekommen: Das Entrée war ein Kruditätsteller mit ausgezeichnetem Schinken, und dann der Hammer: Osso Bucco, etwa 4 der Pfoten, lange geschmort, schon fast ein wenig karamelisiert, und dazu Semoule de blé, Griessbrei! Aber so wunderbar fein, ein wenig wie Polenta, aber cremiger. Eine Überraschung, ja eine Inspiration.

Wieder mal Das Kochbuch für den hauswirtschaftlichen Unterricht aus dem Regal ziehen. Unbedingt.

PS: habe das im Migros Restaurant Grenchen fertig geschrieben, zwischen zwei Zügen. Als ich den letzten Schluck Kafi runterschütte und mich eilig ans Aufschliessen meines Velos mache, kommt schon eine alte Frau auf die Terrasse und weist mich zurecht: „Und de wägruume, do mues me wägruume!“

Das Wort hat Marc, Stude. Im Hintergrund: Besagte Terrasse.

25/10/2013

In die Pfanne gehauen

Filed under: Essen,Unterwegs — Schlagwörter: — Hotcha @ 13:43

Viele gute Erinnerungen verbinden mich mit der deutschen Küche. Angefangen bei den Schäufele in Nürnberg mit babykopfgrossem Kloss dazu, der Wirt bot jedem 100 DM, der ihn aufisst. Die Währung, die scheinbar viele wiederhaben wollen, steht auch für die Epoche – das war in den 80ern. Für uns kleine Schweizerlein, auf Tour in West- und Ostdeutschland, war die dortige Küche immer wieder für eine Offenbarung gut. Und sei es auch die berüchtigte Brühwurst auf DDR-Autobahnen für 1 DM – unser Schlagzeuger war danach eine ganze Nacht lang ernsthaft krank, ich habe die Geschichte auf meinem Musikblog mal erzählt.

Doch nicht nur schlechtes Essen wurde gekotzt, auch gutes. Weil Mass halten ist nicht mein Ding, es wurde mir mal das Goldfischsyndrom attestiert (frisst so lange es hat, kann dadurch zum Platzen gebracht werden). Balkanplatte ist mein grosser Favorit, verschiedenste Sorten Fleisch, Reis und Pommes Frites! Wir hatten auch schon mal unser Essen am Tisch stehend, in der Kälte draussen, turnend sozusagen eingenommen. Warum? Weil die Balkanplatte so fein und üppig war, dass wir fortlaufend Kalorien verbrauchen wollten, um den Genuss so richtig auszudehnen.

Ich bin also vom Fach.

Mein liebster Nachbar ist Mehmet, er vom Balkangrillhouse Bözingen. Bei ihm esse ich häufig, in den Sommerferien schon fast täglich. Dadurch habe ich guten Einblick in die Möglichkeiten und Grenzen eines Restaurantkochs. Das ist bei uns immer wieder unerschöpfliches Gesprächsthema: Wo kauft man die besten Pommes ein, wer verkauft anständiges Lammfleisch zu einem günstigen Preis, wer frisches Gemüse.

Das Wohl unserer Gäste liegt uns sehr am Herzen. Deshalb legen wir großen Wert auf Service und Gastfreundschaft. (Aus der Webseite des Restaurants Dionysos Rheinfelden).

Das sagen sie alle, die griechischen Restaurants in Deutschland. Die müssen alle denselben Werbetexter haben.

Dann sollte aber folgendes nicht passieren:

  • Ich erblicke fritierte Sardinen auf der Liste der Vorspeisen (€ 4.90). Sardinen, da kann ich nie widerstehen. Zur Sicherheit frage ich nach, ob es sie denn heute auch gäbe. Der Kellner, welcher übrigens den Geruch kalten Schweisses ausdünstet: „Alles was auf der Karte ist gibt es auch. Was nicht auf der Karte ist gibt es nicht“. Paff! Ok. Ich war gerade mal 10 Minuten im Lokal.
  • Da ich auch Lust auf den Bauernsalat und das selbst gebackene Brot habe, bestelle ich diese, nachdem ich mich vorher beim Keller vergewissert hatte, dass die Sardinen mir nicht schon im Vorfeld den Magen füllen würden. Wieviele Sardinen es denn sein würden? „Das weiss ich nicht, wenn Koch Lust hat, sind es viele, wenn keine Lust, sind es weniger“. Schladaing!

Als ich mich beim Abrechnen am Schluss noch neugierig erkundige, ob die sechs Sardellen nun viel oder wenig waren, weiss er es plötzlich ganz genau: „Es sind immer sechs, weil dann kann man dekorieren drei links und drei rechts. Mit allem ist das so, Fisch, Crevetten.“

Aber genug des armen Teufels – er scheint seinen Beruf wirklich nicht zu mögen, das will ich ihm nicht verdenken, ich stehe immer noch ganz intuitiv auf der Seite des Ausgebeuteten, des Lohnabhängigen, ich sentimentaler Trottel.

Lasst uns nun über das Essen sprechen.

Die Fische habe ich ja bereits erwähnt. Etwas tranig, wenig gesalzen, aber dafür gibt es ja das Salz auf dem Tisch. Sechs Stück, fingerlang (bei mir 7 cm). Ich mag das. Mit 4.90 knapp an der Grenze zur entlarvenden 5. Gleichzeitig wird mir ein bauernartiger Salat gebracht, wenig gewürzt, wenig Essig, viel billiges Öl, sicherlich nicht aus Oliven rausgepresst. Griechenland = Oliven, wir entsinnen uns?

Vorher einen feinen Ouzo, den hatte ich vergessen, sorry. Und das Hefeweizen. Perfekt. Und absolut notwendig, um das nun folgende runterzuspülen. Folgte nämlich ein Teller mit etwas schrumpligen Frites, einem Hämpfelchen Reis, dieser tadellos, und etwa sieben Stücken Fleisch, darunter ein billig wirkendes Lammkotelettchen. Und ein weisser schwerer Haufen ohne rechten Geschmack, wohl das Tsatsiki Zaziki Du ficksch mi. Letzteres gedacht über den Mann in der Küche, dem seine Griechità wohl völlig einerlei ist, so was unstolzes gibt es sonst nur noch in der Käseabteilung der Migros, diese Käseattrappen ohne Geschmack, drauf steht wahlweise Emmentaler, Appenzeller, Greyerzer und was der heiligen Namen mehr sind. Schindluder unter dem Deckmantel einer Nationalküche hier wie dort.

Fatalerweise lag über all dem der Geruch von altem Fett.

Nun weiss ich von meinem guten Kollegen vom Kebabgrillhouse Bözingen zwei Sachen mit Sicherheit: Es ist möglich, auch bei knappem Budget ausgezeichnete Frites einzukaufen. Er macht das nämlich. Seine Quelle will ich hier nicht preisgeben, aber es handelt sich um einen Discounter, er hat nach umfangreichen Tests sich für die von Aldi entschieden. Ich bin kein Freund von Discountern, aber ich muss zugeben, eine gute Wahl.

Zweitens weiss ich, wie wichtig ein regelmässiger Oelwechsel ist. Und das ist nicht billig, für den Betrag konnte ich jeweils meinen alten VW-Bus volltanken.

Kurz und gut: Wer mit grossen Worten um sich wirft, sollte diese nicht durch Taten strafen. Und ich habe möglicherweise für eine Weile genug von Experimenten dieser Art. Aber noch muss ich mein Ferienabo amortisieren, eine Woche bleibt mir. Ob es mich nochmals nach Rheinfelden zieht, diesmal zum beliebten Chinesen oder zum andern Griechen, das bleibt jetzt noch offen, solange ich noch den dumpfen, leicht bitteren Nachgeschmack des Altöls in der Kehle habe.

Doch da kommt Biel in Sicht – jetzt sofort nach Hause zu einem ganz dicken ganz süssen ganz grossen Espresso vom Italienerladen an der Ecke.

21/10/2013

Burka gesucht

Filed under: Essen,Fahrradmitnahme,Tessin — Hotcha @ 14:41

Das ist jetzt schön blöd: Auf dem Weg ins Tessin habe ich meine welsche Sonntagszeitung im Zug entsorgt, heute Montag morgen. Dabei wollte ich doch noch der aus den Augenwinkeln gelesenen Bemerkung auf den Grund gehen, die SP Frauen Schweiz hätten eine differenzierte Haltung zum Burkaverbot gefunden. Man wolle nun einfach die Männer strafrechtlich belangen.

Damit hätte die Burkahysterie wohl eine neue Absurdität geworfen. Denn würde das nicht bedeuten, dass hinter jeder anstössig gekleideten Frau ein Mann steht? Cherchez l’homme… Denn wird die Burka für den Mann getragen, gilt das wohl in verstärktem Masse für Minis, Hotpants, Brust- und Arschpolster, Brust- und Vaginastraffungen etc. Dann hätte Frau ja keinen freien Willen, sondern sie wäre eben eine ‚Puppet On A String‘.

Lange habe ich auf der Seite der Tribune Le Matin nach dem entsprechenden Artikel gesucht – ich glaube, es stund im Interview mit dem Fribourgischen Bischof, ein angenehm gelassener Mensch. Google half dann, im Nouvelliste kann man es nachlesen. Das ist denen wirklich ernst. Ich hätte es nicht gedacht.

Aber die würden ja auch die Schamhaarrasur verbieten wollen, könnten sie damit bei der Populistik punkten. Solche Sätze gehen mir bei andern auf den Keks, jetzt mach‘ ich’s auch. Total unwitzige und überdehnte Extrapolationen. Sorry. Lösch!

Heute morgen bin ich bis ins Tessin hinunter gefahren, um eventuell mal eine Burka in ihrem natürlichen Lebensraum bewundern zu können. Ohne Erfolg. Dafür aber konnte ich endlich endlich wieder einmal bei La Terrazza Da Teo in Bellinzona einkehren.

Es gab Spaghetti Carbonara mit feinem Köhlergeschmack, danach einen schönen gemischten Salat (fünf Sorten) mit der Original Teo Haus-Sauce, danach Risotto mit merguezdünnen Tessiner Würstli (vier), danach eine Nonnentorte, Kastanien waren schon ausgegangen. Mit dem Merlot 26 Franken. Und einfach grossartig.

Seit ich letztes Jahr fleissig dort eingekehrt bin, hat sich eines geändert: Auf Tripadvisor ist die Terrazza nun als „Sur réservation“ ausgeschildert. Nun, so schlimm ist es wohl nicht, ein Plätzli hat sich noch immer gefunden. Aber sonst hier die Telefonnummer: 091 825 60 64.

Übrigens, Teo fährt auch Velo.

PS: Dank dem Hinweis von Frau Frogg weiss ich um die Existenz der SBB-Ferienpässe. Und habe die Luxusausgabe für 219 Franken gekauft, zwei Wochen freie Fahrt.

Macht euch auf etwas gefasst.

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