Veloverlad – ein interessante Blog, glaubzmer

12/01/2013

Gegrillte Entenzungen, gekochter Schweinsdarm – die echte Wiener Küche

Noch nie hatte ich eine Ferienwoche so minutiös vorbereitet – die ganze Nacht vor der Abreise hab ich mir den Bildschirm um die Ohren geschlagen, um ja kein kulinarisches Highlight Wiens zu verpassen. Beiz um Beiz habe ich ins OneNote gedruckt, mein eigener Restaurantführer am Bildschirmrand.

Gut, es war bei allem Zeitaufwand relativ einfach, weil ich ziemlich rasch auf die total schräge Seite restauranttester.at stiess. Irgendwie Spinner, dachte ich bei mir, obsessive Hobbytester, die sich des Langen und Breiten über den Eingang zur Beiz, die Speisekarte, das Nichtlächeln des Personals, fehlendes Nachfragen, ob Dessert, aufhalten können. Am Schluss wird sich noch die Toilette kontrolliert, und wehe, es ist nur ein gewöhnliches WC. Weiters laden sie dutzende Bilder von der Eingangstür hoch, zwischendurch glückt auch ein Schnappschuss einer Speise, oft unscharf wegen der geheimdienstlichen Mission, aber die Bilder geben halt Punkte.

Punkte wozu? Wer so fragt, hat keine Ahnung von gelungener Motivation, weiss nicht, wie einfach Menschen zu gratis Fronarbeit bereit sind, wenn man ihnen Anerkennung bietet – sie beispielsweise als ‚Experte‘ zu betiteln beginnt, wenn sie nur genug derer Punkte gesammelt.

Noch ein Schlenker gefällig? Gerne doch. Die Experten bewerten doch tatsächlich regelmässig und ganz ernsthaft das abgezapfte Bier im Chinarestaurant. Wien. Grien.

Ich reiste also an mit sicher 50 Restauranttipps im Köcher. Für fünf Tage.

Ohne Velo, natürlich. Wien hat ja erst seit Kurzem einen Fahrradbeauftragten. Da warten wir noch ein bisschen, bis er Wirkung entfaltet. Sie haben dort übrigens, ganz neu, eine Fussgängerbeauftragte. Irgendwo habe ich gelesen, auch eine Hundekegelbeauftragte. Wien, k.u.k., heute noch.

Ich habe noch nie versucht, das Velo in den Railjet der OeBB zu verladen. Wozu auch? Wien ist die Stadt der U-Bahnen, Strassenbahnen, Nahverkehrszüge und der Busse. Bei fast jeder Haltestelle leiert der Lautsprecher adrett zusammengesetzte Textbausteine herunter, an welches Verkehrsmittel man hier nun Anschluss hätte – blöd, ich habe es nicht aufgenommen, weil das wird so richtig hart aneinandergeschnitten, mit verschiedenen Stimmen und Tonfällen, es ist jedesmal ein Zusammenzucken, wenn am Schluss der Durchsage in doppelter Lautstärke noch ertönt „UND AN DIE ZüGE DES REGIONALVERKEHRS!“

Um diesen Teil zu Ende zu bringen, hier die Konsumenteninformationen. Am Montag anreisen, ein Wochenticket für die Kernzone 100 = Stadt Wien = alles was man braucht kaufen, 15 €, danach freier Verkehr auf allen Verkehrsmitteln. Der Hammer, sag ich euch. Die U-Bahnen fahren permament ab ca. 5:00 bis 0:30, ich habe nie länger als 5 Minuten auf eine Bahn gewartet. Die Feinverteilung dann mit dem Tram ist ähnlich effizient, Wartezeit war bei mir maximal 10 Minuten. Und da man sich ja nix zu tun hat, ausser nach Beisln Ausschau halten, deren es an jeder Ecke mehrere hat, ist da überhaupt keine Eile notwendig, kein Druck parat (ich versuche mich übrigens gerne ein wenig in Wiener Grammatik, hätten’s gmerkt?).

Damit wären wir wieder beim Thema. Beizen. Essen. Das einzige, was die Wiener mit Leidenschaft zu betreiben scheinen. Ausser Einkaufen. Oder Bier trinken. Oder granteln. Sie nennen das scheints Schmäh. Euphemismus ist eine Wiener Erfindung. Weil beim Wort Schmäh denken sich alle Auswärtigen an etwas Kulturelles. Dabei – Zürcher sind gegen diese Wiener so richtig ein fröhliches, weltoffenes Völklein. In neuster Zeit scheint das allerdings sogar zu stimmen. Ich muss mir meine Züri-Aversion glaubs langsam abschminken. Schon wieder ein Alleinstellungsmerkmal weniger.

Der Empfangschef im Hotel Cyrus, wo ich zu einem Hammerpreis unterkam, hatte einen Akzent, war wohl kein Original Wiener – richtig freundlich war er, ich kam mir für einmal nicht wie ein Dorfdepp vor, der stumpfsinnig lächelnd auf die Leute zugeht, um wieder und wieder durch kalte Indifferenz abgebügelt zu werden. Auch die kleine Bar gegenüber, Gloria, ein echtes Raucherlokal, konnte mich wieder mit der Welt versöhnen. Ein nettes Inhaberpaar, sie an der Bar, er sorgt für den Umsatz, indem er sich dem Kartenspiel mit den Kunden hingibt. Und sie haben richtig schnelles Wlan. Und Budweiser vom Fass.

Das ist die Laxenburgerstrasse. Im 10. Bezirk. Nicht grad das Wien des Opernballs; der grösste Laden war ein Sexshop mit wirklich tollen Ganzkörperpijamas in Rosa, getigert oder mit Löchern überall, um nur 49 Euro. Es hat nicht viel gefehlt – vielleicht nächstes Mal dann.

Und dann Schallplatten Brigitte. Ein schöner Laden, noch voll im Schuss, obwohl laut Zettel an der Tür schon seit einiger Zeit geschlossen, Schlager und volkstümlicher Schlager in allen Fenstern, und in der Mitte dieses Schild.

Michael Jackson Singles lagernd

Dieses Quartier musste mir einfach gefallen. Da haben sich zwei gesucht und gefunden.

Viele Wettlokale. Sportwetten an jeder Ecke. Die Filiale der Stadtbibliothek im Bezirk ist spezialisiert auf fremdsprachige Literatur. Serbisch, kroatisch, türkisch. Der Saturn am Columbusplatz: riesig, vor allem Wasch- und andere Haushaltsmaschinen, Kids, die sich um die neusten Pads scharen, ein paar uninteressante CD und DVD. Der Mainstream des Mainstreams.

Im selben Gebäude der neuste Gag der Wiener Gastronomie: ein Running Sushi. Schlappe, nässende rosa und grüne Teilchen laufen den ganzen Tag an einem Fliessband an den paar Gästen vorbei, die nur den Arm ausstrecken brauchen, um sich soviel zu fischen wie sie mögen, zu einem lächerlichen Pauschalpreis. Es war grad Grippesaison in Wien in dieser Woche. Hoffentlich sind die ungeschützten Sushi nicht krank geworden, so nah, so oft im Kreise gedreht.

Ja, das Quartier ist Hardcore. Aber es geht sich noch härter – eine Station weiter, Endstation der U-Bahn, Reumannplatz. Dort hatte ich ein eher unwohles Gefühl, im Dunkeln, schlecht beleuchtete Ecken. Es war grad Überfallsaison in Wien – Vergewaltigungen und sonstige Gewalt in der U-Bahn, der videoüberwachten, Handtaschenräuberpärchen, so stand es jedenfalls in der Zeitung. Allerdings gibt es in Wien nur Boulevardzeitungen, wenigstens fast. Da ist unser Blick ein gehobenes Intelligenzblatt dagegen. Nicht eine einzige Meldung, die frei von Ressentiments, Hetze oder ideologischer Verdrehung wäre. Unglaublich.

Seid Ihr noch da? Nun, im Titel war ja nie die Rede von Engelszungen.

Kommen wir zu den Entenzungen. Ich habe die ganzen Tage in Wien nie anders als asiatisch gegegessen. Und ich war nur in zwei Restaurants zweimal. Halt, im Wok & More dreimal. Die Berichte in restauranttester.at würdet ihr am besten selbst nachlesen. Dort wo noch nicht alles gesagt war habe ich mich zu Wort gemeldet. Habe dafür den B.B. wieder hervor geholt. Am Ende des Beitrags hier stehen dann die Links.

Nur eins noch: Ich wollte es auf restauranttester.at nicht so offen schreiben, aber der Schweinedarm hatte tatsächlich noch diesen leichten Geruch von Darmausgang. Vor allem dann, wenn ich Rosette kaute. He, das ist überhaupt kein Problem. Es war alles geputzt und sauber. Aber das ist halt wie mit dem Zigarettenrauch. Den bringt man auch nicht mehr weg.

Hier war es gut

Wok & More am Karlsplatz, fein
Die Entenzungen…
Mein erster Wiener Chinese, zeitlich gesehen
Die Top-Empfehlung von mir!
Das Hotel

Noch was:


Ist es Zufall, dass in der Gegend ein sogenannter Plasmapunkt war, ein wenig abseits in einer Seitengasse, klandestin die Tür verschlossen, kein Klingelschild, wohl nur auf Anmeldung. Und in der U-Bahn diese Plakate hingen, wo an den Heldenmut der Spender appeliert wurde und gleichzeitig eine Aufwandsentschädigung „für Ihre Zeit“ von 20 Euro ausgelobt war, und dass die Plakate ausgerechnet in den härteren Gegenden zu finden waren? Ein Argument war auch noch, dass man dann grad gratis ärztlich untersucht ist.

Das härteste in Wien aber ist sowie der alte Lugner mit seiner Katzi. Die Nachfolgerin von Mausi. Der Mann hat seinen eigenen Stadtteil, die Lugner City. Mit eigener Haltestelle. Das muss man gesehen haben. Das Foto, wenn der Link denn bleibt, ist in der Lugner City aufgenommen. Trash as trash can.

Ich glaube, ich liebe diese Stadt.

PS: Im Zug, zurück in der Schweiz, der erste Zeitungsartikel im 20 Minuten: Designerin und Model Blanda Eggenschwiler (27) ist frisch verliebt. Ich weiss, es liegt an mir, wenn sie nicht kenne. Designerin? Ah, da steht’s ja: Blanda stellt heute Abend im Club Cabaret ihre Kollektion von selber designten Handyhüllen vor.

14/11/2012

Bellinzona im Winter: Willy Ritschard spinnt.

Filed under: Unterwegs — Schlagwörter: , , , — Hotcha @ 08:59

Bellinzona im Winter ist wahrscheinlich fast schlimmer als Lyss das ganze Jahr. Ruhig, tot, wo im Sommer eine grosse Pizzeria lockte, zeigt sich heute ein leerer Vorplatz, der zu einem Pub gehört. Die hatten offenbar einfach unter dem Vordach mit zusätzlichem Zelt gewirtet. Zum Glück habe ich dort nie gegessen. In einem Pub essen, eine schauderhafte Vorstellung.

Fast so schlimm wie ein Speisewagen der SBB von Starbucks. Die sollen ja bald kommen. Liebe SBB, dann lasst die Speisewagen lieber weiterhin unbedient mitfahren, so wie heute morgen auf der Rückreise, über Olten nach Biel.

Die ich mit Willy Ritschard antrat. So heisst der Zug von Bombardier und Pininfarina, der wahrscheinlich mit grossem Pomp durch einweihungsfrohe Notablen einer gerührten Öffentlichkeit übergeben worden ist.

«Willy Ritschard, Sohn des Ernst und der Anna Ritschard, volksnah, Sozialdemokrat, liebt das Wandern, liebt Gespräche.»

Dies der Refrain des grandiosen Ohrwurms der Zürcher Hertz, 1982 als Single erschienen, der Text soll aus der offiziellen Biographie des damaligen Bundesrats stammen.

Es ist halt so eine Sache mit den Denkmälern. In Frankreich sieht man ja fast in jedem Dorf diese ehemals edlen Tafeln, „Mort pour la France“, darauf die Namen der gefallenen Söhne im ersten und zweiten Weltkrieg. Und öfters als erwartet sind solche anrührenden Ehrenbezeugungen in einem schlechten Zustand, nicht nur ungepflegt, sondern kaputt, Buchstaben fehlen. Oder ist das in Italien? Oder in Deutschland? In der Schweiz?

In der Schweiz kann es ja nicht sein. Schindluder mit der publikumswirksam eingeweihten Erinnerungsstätte wird diskreter betrieben.

Ich denke noch heute angewidert an die Verschleuderung des Legats des Bieler Bäckermeisters Ganz durch die Migros zurück. Dieser noble Mann hat über Jahrzehnte junge Kunst gesammelt und unterstützt und dann seine umfangreiche Sammlung der Migros vermacht. Während Jahren konnte man im Migros Restaurant Madretsch Bieler Kunst aus dem Nachlass Ganz bewundern. Und ich rede hier nicht von Helgen, sondern von Werken unterdessen arrivierter Künstler.

Ganz rotiert bestimmt in seinem Grab. Oder er ist bereits zurück gekommen und hat Rache genommen. Ich weiss nicht um das persönliche Schicksal der Migroskader, die nach dem Umbau des Restaurants die Werke so definitiv entsorgten, dass auf spätere Nachfrage einer Zeitung die Migros nicht sagen konnte, wo Ganz‘ Erbe abgeblieben ist. Da wird wohl mancher sein Schnäppchen gemacht haben. Und Ganz, der seinem Nachlass Öffentlichkeit garantieren wollte, vermodert vergessen und desavouiert. Dermassen vergessen, dass ich nicht mal mehr seinen Namen im Netz finden kann. Darum kann es übrigens sein, dass ich diesen falsch in Erinnerung habe. Die Verluderung seiner Nachlasses durch die Migros aber, die habe ich noch sehr gut im Kopf.

Warum wohl fällt mir diese Geschichte jetzt ein, hier im Zug „Willy Ritschard“ der SBB? Wahrscheinlich, weil sie mir sowieso immer präsent ist, wenn ich ein Migros-Restaurant sehe. Oder generell Kunst im Öffentlichen Raum. Immer wieder hört man in diesem Zusammenhang von plötzlich fehlenden Kostbarkeiten. Sei es. Zurück zu Willy.

Da stehen ja immer so schöne Sprüche in diesen Zügen.

“ Der liebe Gott hat die Welt erschaffen aus dem Nichts, und das schimmert halt immer ein wenig durch. Willy Ritschard“

Das steht hier. Ich tippe zwar eher auf Peter Bichsel als Autor des träfen Zitats. Bichsel, der so manche Ritschard-Rede geschrieben hat.

„Besserwisser gibt es bekanntlich nur einen einzigen Bessermacher. Willy Ritschard“

Das steht auf der anderen Seite des Gangs. Da muss Bichsel irgendwie ein Blackout gehabt haben. Oder versteht jemand diesen Satz?

Ein kurzes Googeln bringt es an den Tag. Der Satz ist aus irgendeinem Grund verstümmelt, es fehlt ein wichtiger Teil. Komisch. Bin ich der erste, der die Sprüche in den Zügen liest? Ist etwas nicht in Ordnung mit mir? Ist das Absicht, um den Besserwisser, der das liest, sofort als Besserwisser zu entlarven, weil er es ja eben besser weiss (bzw. ergoogelt)?

Wahrscheinlich wurde da mal ein Panel ausgewechselt und ein Satzteil beim neu beschriften einfach vergessen. Die Beschriftung hat man vielleicht in China billig neu machen lassen. Niemand hat mal kurz kontrolliert.

Denn nach der Einweihung ist ja so ein Denkmal nur noch ein Kostenfaktor.

Eigentlich sollte mir das ja egal sein. Ist es aber nicht. Denn wenn das Denkmal nur bei der Einweihung interessiert, dann sind mir die Kosten für einen einmaligen Akt zu hoch, der vermutlich vor allem der Beweihräucherung der Einweihenden dient. Denn bezahlt wurde es auch aus meinem Geld.

Steuergeld.

Und es ist mir nicht egal, weil ich solche Heucheleien unerträglich finde.

P.S.: in Olten umgestiegen in den Zug C.F. Ramuz. Ich konnte es mir nicht verkneifen, einen kurzen Blick auf das erstbeste Zitat zu werfen. Und wurde nicht überrascht. Aber wir wollen jetzt nicht auch noch fehlende Buchstaben monieren, das wäre dann doch zu kleinlich. Oder?

PPS: In Facebook einen Gruss von Terrazza Da Teo erhalten, „Danke für den Besuch“ – leider war nur über Mittag geöffnet, da langte es mir nicht für eine der famosen Pizzas/Pizzae/Pizzi wieauchimmer. Die sehr herzliche Begrüssung aber, wie ein Mitglied der Familie, das hat entschädigt.

Bei Tripadvisor habe ich die Pizzeria schon mal gelobt, die Fotos dürftet ihr kennen. Auch das Hotel Moderno, wo ich diesmal wieder zum unschlagbaren Preis sehr gut logierte. Wehe, ich komme das nächste Mal hin und es ist alles durch Leser dieses Blog belegt!

30/09/2012

„Eine Schande ist das, eine Schande für ein Land wie Frankreich“.

Filed under: Essen,Fahrradmitnahme,Unterwegs — Schlagwörter: — Hotcha @ 00:00

„C’est une honte, c’est une honte pour un pays comme la France“.

Betretenes Schweigen rund herum. Eine Herde Schafe kann nicht so geduldig sein wie wir hier, die wir in Saint-Louis vor dem Billetschalter warten, warten, warten – seit 40 Minuten schon stehe ich hier an, und ich bin etwa der Fünfte in der Herde. Die Herde wartet darauf, ein Zugsbillet kaufen zu können. Als geübter Bahnfahrer habe ich es wie so manche zuerst am Automaten versucht. Ich bin ja kein Depp, aber auf die erste Frage des Automaten, wann ich fahren will, um 13 oder um 14 Uhr, habe ich mal auf gut Glück eine der beiden Möglichkeiten ausgewählt. „Sorry, für diese Verbindung habe ich kein Billet“, so sinngemäss der Automat. Die zweite Möglichkeit führt ebenfalls in eine Sackgasse. Sicher mache ich etwas falsch. Aber egal, der Automat nimmt nur Münzen, auch für richtig hohe Beträge – so wenigstens erfahre ich später aus den Gesprächsbrocken, die in der Herde sporadisch ausgetauscht werden. Und wer hat schon am Anfang der Reise so viel Münz im Sack?

Kurz, nach 50 Minuten habe ich dann mein Billet – zum Glück musste ich keinen Zug überspringen, war 55 Minuten zu früh am Bahnhof. Genau genommen also nur 5 Minuten zu früh. Die Franzosen sind sich das offenbar gewohnt, die Dame hinterm Schalter hatte sogar gemeint, das sei noch gar nichts, es könne je nach dem schon mal eine Stunde dauern, bis man an die Reihe kommt.

Man stelle sich mal vor: Da werden Milliarden in die Bahn gesteckt, und dann wegen ein paar Milliönchen, die ein effizienteres Verkaufssystem wohl kostet, bleiben die Kunden aus.

Sollte man meinen.

Wieder einmal trügt der Schein. Denn im Unterschied zur Schweiz verkauft Frankreich seine Billette auch im Zug. Gegen eine Gebühr von 4 €. Für einen Schweizer, der Zuschläge von 100 € für den Billetkauf im Zug gewohnt ist, ein Klacks, eine Offenbarung, ein Lichtblick in der Hölle, wo sogar Charon neuerdings 25 € für die Überfahrt nimmt.

Beim nächsten Mal mache ich es also besser: In Montbéliard steht grad ein Zug auf den Gleisen, die Nase der Lok zeigt gen Schweiz, ich will heim, also eile ich, Velo unterm Arm, die Treppe hinauf, grad als der Zug abfährt. Ich rufe irgendwas Unartikuliertes, der Sinn ist ja aus dem Zusammenhang klar ersichtlich, und das erste Wunder des Tages: Der Zug stoppt! Hält für mich nochmals an!! Unglaublich.


Dann suche ich den Zugführer. Denn so lautet die Regel: Du musst dem Kontrolleur aktiv sagen, du hättest kein Billet, bevor er auf Kontrollgang vorbeikommt. Ich bin zwar im falschen Zug, wie er mir erklärt, aber ich komme auch so in die Schweiz, ein wenig komplizierter zwar, aber ich habe ja Zeit. Und er verkauft mir einen Regionenpass für 12 €, gültig den ganzen Tag. Sollte ich da nicht noch ein bisschen herumkutschieren, statt nun hier in Besançon im tristen Bahnhof diesen Beitrag zu schreiben? Drei Stunden noch, dann geht der Zug nach La Chaux-de-Fonds. Aber da jetzt grad Mittag ist, suche ich mir doch mal ein Plat du jour in einem der wenigen Restaurants in der Umgebung, welches nicht tot ausschaut.


3 Stunden später – 18 € ärmer, um eine Enttäuschung reicher.


Es ist einfach immer wieder verblüffend, wie vor allem die Nahrungsszene auf die suggestive Kraft des Wortes baut. Und es funktioniert oft. Wenn der Bäcker „saftige Berliner“ anschreibt, kann ich nur schwer tief innen drin dagegen halten. Und realitätsgerecht das „saftig“ durch das eher zutreffende „ölig“ bzw. „fettig“ bzw. „fetttriefend“ ersetzen.


So habe ich auch gewusst, dass das Plat Du Jour auf der Tafel vor einer Bäckerei kaum jemals einen Bauernhof gesehen hat, obwohl da stand: „Poulet fermier, frites, € 8.80“ – aber weit und breit war sonst nix anmächeliges, Baustellen, soweit das Auge reicht, etwas weiter vorne bot eine Metzgerei faltige Grillpoulets mit fettigen Kartoffeln für nur 7 € an – aber auf diese nach Fischkleister stinkenden Vögel falle ich nicht mehr rein, seit ich in Le Landeron vor zwei Jahren bei einem dieser fliegenden Hähnchengrillstationen einen halben Vogel gekauft hatte – Camping Blues. Irgendwo muss ich noch ein Beweisfoto gespeichert haben. Kurz, das Pouletbrüstli ohne Haut schmeckte nach altem Öl, dafür waren die Pommes Frites besser als die in der Schweiz allgegenwärtigen Tiefkühl-Frites, die wahrscheinlich ja aus Kartoffelstaub zusammengepappt werden, merkt ja keiner.


Das war ja fast schon eine Bildungsreise, bilanziere ich hier schon mal. Gestern hatte ich in einem Bistro zwei Weisswein, einmal den billigen, danach den teureren. Die Pointe lohnt fast das Schreiben nicht mehr: Natürlich war der billige besser. Grund: es war ein Tischwein, der teurere war mit A.O.C. angeschrieben. Heisst doch logischerweise, ein Tischwein ohne Herkunftsbezeichnung darf nach geschmacklichen Kriterien zusammengemixt werden, wo hingegen der Herkunftswein sich auf die Trauben aus der Region beschränken muss.

So war ich in der Bäckerei zumindest vom Wein nicht enttäuscht, ausdrücklich hatte ich den „Vin ordinaire“ bestellt.


Das alles war erst die Rückfahrt. Vielleicht habe ich nächstens sogar Lust, auch die Hinfahrt und den Aufenthalt zu beschreiben. Sollte ich, ich habe nämlich eine gute Adresse, wo in Saint-Louis man gut und günstig isst. Hat viele Übergwändli dort am Mittag, ein wichtiges Kriterium. Und wo in Montbéliard man günstig und familiär nächtigt, nach einem ausgiebigen Nachtessen. Auch dort hatte es viele Übergwändli.

Aber eigentlich weiss ich gar nicht, ob hier überhaupt jemand liest. Statistiken pflege ich nämlich keine anzulegen und anzuschauen, also schreibt hier mal was rein, vertelli!

29/06/2012

Live dabei: Von Bellinzona ins Rheintal

Filed under: Fahrradmitnahme,Tessin,Unterwegs — Schlagwörter: , , — Hotcha @ 06:27
Sie sind hier schon richtig, Server went down, will be fixed soon – Sie werden vorübergehend auf diesen meinen neuen Blog umgeleitet – Calypso Now etc. will be up again soon

07:30

Die Hotelbar ist total leer, still. Sonst ist hier bereits ab 6:00 ein rechter Betrieb, Eingeborene beim Espresso, Gestikulieren, Multitasken (Zeitung durchblättern, Gipfeli mampfen, gleichzeitig telefonieren). Es sei Ferien, alles geschlossen, er werde nachher auch schliessen, sagt der Patron.

08:30

Ich versuche meine Reservation im Postauto vorzuverlegen – was will ich hier noch, die Stadt ist wie ausgestorben.

Info:

Für das Postauto muss man reservieren, es nimmt Velos mit! Zwei Stunden dauert die Fahrt nach Chur, über irgend einen Pass hier. Nachtrag: Es ist der San Bernardino.

08:34

Zu viele Rollkofferschlepper warten hier auf den Bus, ich lege mich doch lieber noch ein Stündchen hier am gemütlichen altertümlichen Bahnhof auf ein Bänklein oder in eine Blumenrabatte (ui, der Geruch – Ammoniak, Pisse?)

Das schöne an den alten Bahnhöfen: Die haben noch richtige WC-Anlagen, gratis!

9:30

Super – diesmal hat es noch mehr Rollkoffer, die auf das Postauto warten. Und eine ganze Schulklasse, Neunteler auf Abschlussreise offensichtlich. Die sich schon blonde Sorgen machen, ob wohl alle Platz finden würden. Die Lehrerin sagt ihnen, was sie tun müssen: „Dir müend aifach sofort d’Plätz bsetze!“ Schöne Aussichten…

Wir wuchten unsere Gepäckstücke in den Bauch des Busses, währenddem die Schulklasse den Bus stürmt. Ich hänge noch mein Velo hinten an, es hat übrigens Platz für vier oder fünf Velos in der Aufhängevorrichtung. Komme als letzter zum Bus hinein, der Chauffeur, gestresst, will nicht mal mein Billet sehen, ihm langt meine mündliche Bestätigung. Da sehe ich, oh Wunder, gleich zu vorderst einen freien Platz neben einem der Schüler. Ich setze mich sofort hin, worauf „Do isch aber scho bsetzt“, und ich nur „Was bsetzt?“, und mache definitiv klar, dass ich hier sitzen bleiben würde. Hahaha.

Die Lehrerin: „Wir haben hier reserviert“, und ich „Sicher nicht“… Bleibe sitzen. Höre ein paar Schlämperlige, zuerst von der Lehrerin, dann von den Kindern, so im Stil „Alte Sack, sicher 50, näi, 60“ – hahaha. Und „es git Lüt, für diä häts kä Platz uff däre Wält“… Na ja, bei der vorbildlichen Lehrerin kein Wunder.

Zum Glück bin ich als sporadischer Pendler durch überlastete Bahnhöfe (Biel, Bern) abgehärtet. Hehehe.

09:48

Danach aber ist Ruhe, die Kinder holen ihren Schlaf nach. Der Schüler neben mir hat sich nach hinten zu seinen Kollegen verzogen. Na ja. Mich hat er nicht gestört. Nochmals he he he?

12:00

Chur. Suche ein Restaurant. Aber irgendwie behagen mir die Angebote nicht. Hinterm Bahnhof, ein bloss alternatives Restaurant, so mit Sprossen auf irgendwelchen Schäumchen, aber sicher auch Fleisch, um doch bei der Wahrheit zu bleiben, aber halt nicht währschaft, das passt mir überhaupt nicht – glücklicherweise ist alles reserviert, sicher 30 oder mehr Plätze in einem lauschigen Gärtlein, so bin des Entscheids enthoben.

Aufgrund von Kritiken auf tripadvisor.fr hatte ich mich ursprünglich für das Hotel Drei Könige interessiert, aber dann sehe ich, auch dort müsste man reservieren. Und der Speiseplan an dem Tag war mir dann doch zu gewöhnlich, siehe Bild.

12:09

Ich nehme den Zug nach Sargans. Von dort aus will ich bis Altstätten fahren, ca. 50 Km auf dem Rheindamm, Höhendifferenz 80 m.

12:40

Kehre im Hotel Ritterhof Sargans ein, der Garten gefällt mir, auf der Tafel draussen ist ein Menü mit Aelplerhörnli und Apfelmus angeschrieben. Teigwaren sind immer gut vor einer langen Fahrt. Meine Ansprüche sind auch nicht allzu gross in dem Moment. Die Webseite voller Platitüden lese ich erst später, übrigens. ‚Seele baumeln lassen‘, ‚behagliches Ambiente‘, ‚gediegene Athmosphäre‘, ‚kulinarische Höhepunkte‘ – da hat jemand den Mund sehr voll genommen, lies weiter….

13:00


Die baumelnde Seele fühlt sich verköstigt und ist vor allem sehr zufrieden mit der freundlichen Bedienung. Die Küche gibt eher zu Kritik Anlass, das habts ja kommen sehen. Suppe fein, aber deutlich versalzen. Salat frisch, aber einfach ein paar Frisé-Blätter, übergossen mit einer crèmigweissen Sauce, hopp hopp. Apfelmus schmeckt so wie jenes aus der Dose. Ich will ja nichts unterstellen, ich hätte fragen können, aber wenn es schon so schmeckt…. Die Teigwaren etwas verkocht, der Koch hat das Nachgaren nicht einberechnet. Kartoffeln sind auch drin, gut so. Ein paar Schinkenstücke lassen sich ausmachen in der grosszügigen Menge heller Sauce. Ich tippe auf Carbonara-Sauce aus dem Päckli. Kurz – eine gute Idee durch lieblose Ausführung unnötig abgewertet.

14:10

Nach einer Stunde Fahrt in der Mittagshitze über einen völlig baumlosen Rheinuferdamm völlig kaputt, wohl ozonoid angeschlagen komme ich in Buchs an – Ende der Fahrt, ich kann nicht mehr. Ruhe mich aus in einer bedenklich desolaten Kleinstadt. Ein stickig stinkiger Bahnhof, Übelkeit steigt hoch. Eine ruhige bäumchenbestandene Einkaufsstrasse, viele Snacks, Imbisse und dergleichen mit Bänken draussen, ein paar Leute verlieren sich vor ihrer Billigkonsumation, Kebab, Pizza, Eistee, Bier – ruhig, zu ruhig, eher trist.

Höhepunkt ist der Tschibo-Laden mit geilen Ipod-Zubehören, Boom-Boxen, violette Ipad-Hüllen für 14.90 – hätte ich einen solchen, hätte ich die ganze Produktelinie gekauft, inklusive eine schreiend farbige, einrollbare Gummitastatur – Pimp Up My Apple, Designer Jobs stürbe tausend Tode. Fehlt noch ein Tschibo-Kleber, um den penetrant leuchtenden Apfel auf dem Bildschirm abzudecken.

15:00

Endlich der Zug nach Altstätten – ich verdurste, der Bahnhof scheint ohne anständige Wasserversorgung, einzig ein dünnstrahliges Bassin bei den Veloständern, belagert von einer ganzen Schulklasse, die ihre Wasserflaschen zu füllen versucht.

15:30

Finde im Brockenhaus Altstätten, gleich neben dem Bahnhof, drei Vintage American Optical Fliegerbrillen, höchsten 60er Jahre, wenn nicht noch älter. Und das, nachdem ich für meine vor einem halben Jahr verzweifelt weltweit Ersatzteile (Bügel) gesucht und mich mit Replikas zufrieden geben musste. Nun schwimme ich in einem Ersatzteillager. Es gibt eine Gerechtigkeit auf der Welt. Glaubzmer.

25/06/2012

Liveblogging ist der neue Journalismus?

Filed under: Fahrradmitnahme,Tessin,Unterwegs — Schlagwörter: — Hotcha @ 10:45

Habe ich heute morgen am Radio gehört. Gut, die Aussage ist sicher arg verkürzt wiedergegeben, sie fiel im Verlauf eines längeren Gesprächs auf Radio Romande mit einem Redakteur von Le Monde, die eine Art Akademie für neuen Journalismus ins Netz werfen.

11:30

Komme vom Zahnarzt, wo ich mir die Fäden habe ziehen lassen. Muss auf’s WC. Beschliesse, im Café Brésil auf dem Bieler Bahnhofplatz eine Cola zu trinken und zu pissen. Eigentlich in umgekehrter Reihenfolge, doch an der WC-Tür prangt unübersehbar ein filzgeschriebenes Schild: WC 2 Franken für Passanten. Kein Problem, ich will ja was bestellen. Doch die Tür ist verschlossen, meine Frage nach dem Schlüssel wird zuerst mit einem Hinweis auf die Kosten beantwortet, „WC kostet 2 Franken“, posaunt die Buffethilfe durch das Lokal. „Ich will ja was bestellen….“ „Was wollen Sie bestellen?“, gellt es wieder. „Nachher, jetzt muss ich mal“ – doch den Schlüssel würde ich erst kriegen, wenn ich jetzt vor der WC-Tür stehend eine Bestellung abgeben täte. Wo sind wir denn? Ich verlasse das Lokal, bei Guitol’s Atomic Café, gleich nebenan, darf ich zuerst pissen und nachher bestellen

12:00

Pisse noch mal, verlasse dann das Atomic. Kaufe ein Sandwich für unterwegs, in der Bäckerei auf dem Bahnhofplatz. Vollkorn mit Rohschinken – nicht schlecht, zwei Scheiben Rohschinken, Schnittsalat, sonst aber nicht viel mehr. Das kann man mit wenig Aufwand besser machen. Zum Glück habe ich noch ein Tomaten- und ein Olivenbrötli dazu gekauft, die waren mir schon letzte Woche willkommener Proviant, noch am Abend nach Ankunft im Hotel. Heute dieselbe Reise

12:15

Verlade das Velo mit den zwei glücklicherweise wasserdichten Saccochen, gleichzeitig kommt der Rollstuhlfahrer, der jeweils sehr lautstark mit allen Buschauffeuren, Kondukteuren und sonstigem SBB-Personal schwatzt: „Salü, Housi, ou wider do“, brüllt es über das ganze Perron. Ein sehr kommunikativer Mensch. Manchmal auch peinlich, wenn er über die „Ussländer“ herzieht, nachdem er jemanden zuerst in ein Gespräch verwickelt hat.

12:25

Zug fährt, unterwegs nach Bern

12:40

Wo kommen bloss all die Leute her, die in Lyss zusteigen? Wo wollen die bloss hin?

12:46

Ankunft in Bern – am Sieben Ab fährt der Zug nach Brig

12:55

Da ich weiss, dass nun bis Bellinzona keine schlaue Beiz mehr auftaucht, halte ich Ausschau nach einem Kaffee. Ein Segafredo bietet allerhand moderne Kaffeemixgetränke an, diese bescheuerten, aus den USA importierten Modekaffees. Ich muss eine Zeitlang suchen, bis ich in der Mitte der Karte einen gewöhnlichen Kaffee entdecke, Lungo heisst er. Das bestelle ich, und gleichzeitig erschrecke ich – was wird das für ein Gesöff sein, das Lungo heisst? Sicher wässrig. Ich rufe der Bestellung hinterher, er soll nur eine Mezza Lungo machen, vorher zurückziehen.

Keine Antwort. Heisst das nun, er hat es nicht gehört? Ich sehe, der Kaffee wird nicht zurückgezogen. Als es ans Einkassieren geht, reklamiere ich, er habe ja nicht zurückgezogen. Stellt sich heraus, der Kaffeemaschinenbediener hat das Wasser vorher abgestellt. Wieder mal typisch: Man fragt, sagt, bestellt etwas. Antwort kommt keine. Man wiederholt seine Frage, Sage, Bestellung. „Jaja ich habe auch nur zwei Hände“, kommt dann die Antwort, mit Garantie. „Ja, aber kein Maul“, ist man versucht zurückzublaffen.

13:00

Wuchte mich mit meiner glücklicherweise relativ geringen Bagage, dem Velo und dem Kaffee in den Zug. Pisse zuerst mal. Man weiss ja nie, ob dann nicht plötzlich stundenlang besetzt ist.

13:11

Wo bleiben die Rentnerehepaare hier im Zug? So entfällt leider das immer wieder schöne Schauspiel, Wandersleute beginnen ihre Uhren anzustarren, im Minutentakt wird die Verspätung kommentiert. Nichts dergleichen. Würde ich nicht live bloggen, wäre es mir vermutlich nicht aufgefallen: Wir sind mit 4 Minuten Verspätung losgefahren. Kein Wunder, haben die Züge in Brig regelmässig längere Verspätungen.

13:13

Gleich lege ich den Blog weg, um ein bisschen im erst gestern eingekauften Les Strauss-Kahn weiter zu lesen. Auf dem Kindle. Spart mir wieder mal mindestens zwei Kilo Gepäck, ich werde ja eine ganze Woche im Tessin sein, fernab jeglicher Lesekultur. Bellinzona hat zwar zwei Buchhandlungen, darunter die legendäre Libreria Casagrande, aber liest offenbar nur italienisch. Ich halt nicht.

13:25

Da die 3G-Verbindung nun schon mal steht, schaue ich schnell noch bei 6-vor-9 vorbei. Sechs ‚handverlesene‘ Links. Wie so oft wird kalter Käse serviert, den Spiegel-Artikel über Lothar Matthäus habe ich schon am Freitag über Rivva gelesen. Zudem stelle ich mir unter ‚handverlesenen Links‘ etwas anderes vor als Hinweise auf Artikel in Spiegel, Stern, Taz, Heise oder gar Verlinkungen von Videos. Von sechs Links zeigt heute nur genau einer auf einen Blog, magere Ausbeute, aber so ist es in letzter Zeit oft.
Bei Rivva ist es nicht viel besser. Auch dort wird immer mehr auf die grossen Verlage verlinkt. Als ob ich nicht selber in der Lage wäre, periodisch die einschlägigen Adressen von Spiegel Stern pipapo abzuklappern. Die Lage scheint wirklich verzweifelt: Am Samstag etwa war dort an prominentester Stelle, ganz oben, ein Blog verlinkt, wo eine Karin Friedli ihre Absicht kund tut, nun jeden Tag einen Gegenstand loszuwerden. Spannend…. Ri vadis?

Wenn mal was interessantes auftaucht, verschwindet es gleich wieder, so scheint es. Das war am Wochenende bei Rivva angezeigt, als ich es lesen wollte, schon gelöscht. Warum wohl? Habe es dann im Google-Cache gelesen, jetzt verstehe ich noch weniger, warum es gelöscht worden ist. Hype? Teaser? Honeypot?

13:45

Die Verbindung wird kritisch, immer wieder fällt sie ins langsame Edge zurück. Sind halt in den Bergen, bei Spiez.Spiez Wie das wohl die Live bloggenden Journalisten machen werden, in so einem Fall, Bericht von einem Bahnreisli mit Alt-Bundesrat Adolf Ogi etwa (der in letzter Zeit plötzlich wieder extrem präsent ist, ist wohl was im Busch?)?. – Glücklicherweise macht die Webcam des Notebook kleinste Bilder, ab 3 Kilo. Das hier ist fast doppelt so gross, mit 5 KB.

14:15

Wir kommen in Brig an. Vorher noch schnell beim Mitreisenden mit dem Sony-Reader vorbeigeschaut, um PDF auf dem Gerät auszuchecken. Er hat leider keine. Noch schnell Pissen vor dem Aussteigen.
Will am Bahnhof ein Wasser kaufen. Die Bäckerei im Gebäude hat leider nur Mineral um die 3 Franken. Zudem aus dem Kühlschrank. Muss ich noch mehr pissen. Nein danke. Sowieso, der Preis ist jenseits. Sollen sie an die Japaner verkaufen. Sehe zwar grad keine hier. Ausnahmsweise. Für sie muss die Gegend einfach paradiesisch sein. Kunststück, mir geht es ja genau gleich.

14:23

Unterwegs mit der Matterhorn Oberland Bahn nach Göschenen, das wird jetzt etwa 2 Stunden durch die Berge ruckeln, mit einer nur sporadisch funktionierenden Edge-Verbindung, Kriechspur ins Internet. Mal schauen, ob ich da weiter live bloggen kann.
Unterwegs mit der MOB

15:24

Während Dörfli um Dörfli vorbei döst, lese ich in ‚Les Strauss-Kahn‘ – momentan ist DSK abgehalfterter Wirtschaftsminister der Regierung Jospin. Jospins Versprechen, keine Minister unter Anklage weiter zu beschäftigen, wurde eingehalten. Anne Sinclair kauft einen königlichen Palast in Marrakech und lässt ihn über zwei Jahre umbauen. Es muss ein ganz wunderbares Anwesen geworden sein, mit einer kleinen Dienerschaft rund ums Jahr, Brunnen, Becken, Garten – und das alles mitten in der Medina. Atemberaubend muss es auf die noblen Gäste aus Paris gewirkt haben. Ein Trostpreis für ihren Dominique, um sein Comeback in angenehmer Athmosphäre abzuwarten.

Während dieser Zeit werden seine jungen, gewieften Berater in einer PR-Agentur parkiert, eingestellt von den Besitzern, DSK zu Gefallen. Eine Investition in die Zukunft, der Mann ist schliesslich noch nicht abgeschrieben, gestolpert über eine simple Formalie, sozusagen, etwas aus der tristen Sphäre der Kleingeister.

Liest man dies, wie sich ein Klüngel auf die Machtübernahme vorbereitet, ihren Chef vergöttert, sich durch die Nähe selber Bedeutung verschafft – erstaunlich ist dies alles nicht, so läuft es oft, aber total schockierend ist es doch. Wir lesen hier nämlich über Sozialisten. Deren Sozialismus scheint nicht sehr politisch, sondern es ist der Sozialismus einer Carla Bruni: Chic gauchiste. Lifestyle.
Bruni hat ja nach ihrer Heirat mit dem Mann mit den hohen Schuhen für ihren damaligen Sozialimus wenig gute Worte gefunden: Es sei halt ein Cliquending gewesen. Als ob wir das nicht gewusst hätten.

Unsympathische Leute allesamt.

16:14

Man hat den Eindruck, der Zug fahre durch Gebirgstäler, über wilde Bergbäche, vorbei an artenreichen Wiesen, wie ich sie als Kind überall angetroffen habe, um Biel herum. Vielleicht müsste ich wieder mal spazieren gehen, vielleicht sehen ja die Wiesen bei uns auch so aus?

Hier ist typisches Heidiland, „in wenigen Minuten treffen wir in Andermatt ein“. Nass und neblig, dicke Schwaden auf den Bergkuppen wurden zu zähem Brei hier im Tal, Windjackenzeit. Die Kreuze, die an manchem Stein- oder Holzhaus hängen, erinnern uns daran, das ist hier eine Hochburg des Aberglaubens. War es nicht im Wallis, dass kürzlich ein Lehrer seine Stelle verlor, weil er das Kreuz im Schulzimmer abgehängt hatte?

16:47

Ankunft im feuchtkalten Göschenen, der Zug ins Tessin wartet schon, hier drin auch abgestandene Kälte. Ich höre grade von anderen Passagieren, das WC ist zugeklebt. Gut, habe ich noch bei der MOB profitiert.

Wir warten offensichtlich auf den Bus – die Normalstrecke ist ja unterbrochen, der Gotthard wird mit Bussen befahren. Ich bin mit der Bergbahn gefahren, damit ich das Velo mitnehmen kann. Eine andere garantierte Möglichkeit gibt es zurzeit nicht! Ich fahre jetzt diese Strecke zum dritten Mal, der Umweg schreckt mich nicht mehr, es lässt sich halt angenehm lesen, bloggen, träumen, schlafen während dieser fünfeinhalb Stunden.

17:09

Airolo, wir sind wieder in der Zivilisation angelangt. Die ersten Coiffeusen steigen ein: Shorts, Ballerinas, gestrecktes Haar, Tasche in der Armbeuge. Gibt es tatsächlich soviele Arbeitsplätze im Frisörgewerbe?

17:20

Keine Ahnung, wo wir genau sind, aber ich muss mein Glücksgefühl unbedingt hier herausjauchzen: Tessin, deutlich wärmer, alles wird gut.

Im August muss für ein paar Tage nach Avenches und Posieux, ist grad ein Mail eingetrudelt. Scheint nicht einfach zu sein, dort ein günstiges Hotel zu finden. 500 Franken für 4 Übernachtungen ist schon schwer teuer, heute werde ich genau die Hälfte zahlen müssen (gut, noch 20 Franken weniger, 240/4 Nächte….). Vor allem scheint es nicht einfach zu sein, übers Netz ein Bed&Breakfast dort zu finden, ein erster Versuch wirft vor allem Klickfängerseiten aus („Hotels 1 – 5 Sterne“ – in Posieux oder Avenches? Geht’s noch plumper, um mich auf eine Nullresultatsseite zu locken?)

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