Dieser Beitrag wurde durch Sponsoring ermöglicht, Endre hat mir dafür durch seine Frau ein Bier bezahlt.
Grad erst vor ein paar Tagen habe ich unzweifelhaft festgestellt, dass die Platte für die Einsame Insel auf einem tausendfach verramschten Billiglabel erschienen ist, dessen Produktionen seit Jahren die Brockenhäuser verstopfen. Ein absoluter Glücksfall jetzt für die Leser und Lesenden dieses Blogs. Denn jetzt holts euch wieder den Plattenspieler vom Estrich, zehn oder zwanzig Franken in Sack und rüber ins nächste Brockenhaus – ihr werdet garantiert fündig!
Dass die Klassikproduktion der 50er und 60er Jahre aus mehr als Karajan, Rubinstein und Deutsche Grammophon besteht, das schreibe ich jetzt da schon mal hin, damit ihr auch sicher weiter lest.
Es trug sich also zu, dass ich beim Aufräumen auf ein Dreierpack CD von Brilliant Classics stiess, die ich ganz offensichtlich einfach des tiefen Preises wegen mal im Vorbeigehen gekauft. Arthur Grumiaux und Clara Haskil, Ludwig van Beethoven (1770-1827) Violin Sonatas Complete, Recording Vienna 1956/57, Licensed from Decca Music Group. Dann habe ich mir die mal angehört und war von der ersten Sonate weg hin und weg. Violinsonaten, das habe ich nicht gewusst, sind, vor allem bei Ohrenmerk aufs Klavier, so wie Katharina Jung.
Hä?
(Eben die, die mir via „Dein Whats-app-Nachrichten Serviceteam“ ein Mail schrieb: „ich bin echt total gei[…]“ (Nachricht durch das Serviceteam gekürzt).)
Klavier ist das perfekte strukturierende Instrument, ich könnte da stundenlang zuhören. Geige brauche ich eher nicht.
Dann kam die Sache mit der „Discothèque idéale de Diapason“ mit Mozart’s Kammermusik (kommt jetzt da eigentlich noch der Apostroph, man weiss es fang’s überhaupt nicht mehr, ihr Nail’s Studio’s!!!). Die hatte ich, widersprüchlicherweise, gekauft, um mir die Streichquartette des Juilliard Quartet anzuhören, hochgelobt überall. Ich glaube aber, ich habe das bis heute noch nicht getan, denn ich blieb bei Lili Kraus hängen, die dort mit Triosonaten umfangreich vertreten ist. Und die haben mich wieder gepackt, wie vorher die ungleich berühmtere Clara Haskil, weiter oben.
Und dann ist mir siedendheiss, ich lüge nicht, eingefallen, dass ich doch mal mehrere Platten einer Lili Kraus im Brockenhaus gekauft und bei einem Aufräumen wieder zurück gebracht hatte – wer ist denn schon Lili Kraus, zudem waren sie erst noch auf einem Billiglabel, das sah man sofort. Nicht mal angehört habe ich sie mir, oder höchstens an mir vorbeirauschen lassen. Habe dann, sofort, die Brockenhäuser abgeklappert und auf Anhieb mehrere ihrer Platten wieder gefunden. Offenbar bin ich nicht der einzige, der sich vom äusseren Schein trügen liess. Habe seither auch festgestellt, Lili Kraus gehört zum festen Bestand jedes Brockenhauses. Ein Glücksfall.
Lili Kraus spielt Mozart, Mozart, Mozart, auch Beethoven und Schubert, aber vor allem Mozart. Pianosonaten, Violinsonaten, Trios, Klavierkonzerte, aber auch die Violinsonaten Beethovens hat sie komplett aufgenommen – und alles passt perfekt. Ein Kritiker irgendwo im Netz schrieb was von, ach, ich muss das direkt zitieren: „Lili Kraus, c’est d’abord un jeu élégant et sensible, avec un sens exceptionnel de l’équilibre; un pianisme sans chichi, sans manière, sans prétention, toujours simple mais néanmoins jamais dépourvu de vitalité et d’imagination. Avec un sens de la nuance et une musicalité jamais prise en défaut, elle nous transmet une indicible passion : celle de la vie, du naturel, de la poésie, celle du plaisir musical indéfectible.
Merveilleuse Lili Kraus, qui jouait avec son coeur au bout des doigts (comme Clara Haskil avec son âme, pour reprendre une formule de l’un de mes précédents commentaires). Un coffret qui s’inscrit donc en indispensable pour tout amateur de piano. “ Das in einer Kritik des Muss-man-unbedingt-haben-Koffers „Lili Kraus – The Complete Parlophone, Ducretet-Thomson, Les Discophiles Français Recordings“. Der Koffer ist nicht nur extrem umfangreich, sondern auch sehr gut gemastert, ohne die Artefakte, die häufig beim Entrauschen entstehen und die Instrumente dann wie einen Synthesizer klingen lassen, sogar die Vorkriegsaufnahmen, 78-tourig, klingen superb, das Grundrauschen des Schellack wurde nicht zu Tode unterdrückt. Der Koffer war übrigens früher billiger, 37 Euro, bei diesen Boxen darf man nicht zuwarten.
Eine umfangreiche Biografie liegt der Box bei, sogar noch mit Literatur- und Quellenangaben. Ich kann hier nicht noch die Biografie referieren. Aber eines festhalten: Lili Kraus kommt aus Ungarn, über Österreich und Holland nach Java, wo sie während des Krieges mit ihrer Familie, zwei Kinder, ein Mann, interniert wird. Nach dem Krieg dann sind die Stationen Australien und die USA, wo sie bis zu ihrem Tod 1986 lebt, aber immer noch auf Konzertreisen geht, doch sie ist typischerweise eben auch Lehrerin. Bei einem Familien- kann man sich ein Nomadenleben à la Rubinstein auch schlecht vorstellen. Ihre Aufnahmen erscheinen in den 50er und 60er Jahren vor allem auf den Billiglabels der Schallplattenclubs, MMS, Vox, die Ableger in mehreren Ländern Europas und natürlich den USA haben. Riesenauflagen sind das, mit dem Geschmäckle des Ramsches, siehe meine oben geschilderten Vorurteile. Welche Blamage für mich.
Ich habe dann das Genre weiter verfolgt. Und bin auf Annie Fischer gestossen. Keine lange Rede jetzt mehr, auch sie ist vor allem eine Interpretin der Wiener Klassik, hat aber viel weniger Aufnahmen gemacht, ganz einfach, weil sie das nicht gemocht hat. Ich glaube, für sie gilt dasselbe wie für Lili Kraus – unprätentiös, ‚Straight Edge‘-Klassik sozusagen. Und dann ist mir plötzlich Ingrid Haebler wieder eingefallen. Auch sie findet man oft in den Brockenhäusern, auch sie spielt vor allem Mozart, etwas Schubert und dann noch die Violinsonaten Beethovens. Der schwarze Riesenkoffer von Ex Libris mit allen Klavierkonzerten Mozarts vor allem ist ein Grossod, man findet ihn nicht ganz so häufig, aber wenn, dann ist er wie neu. Ex Libris, typisch, da wurde oft wie wild eingekauft – und dann in den Schrank gestellt. Kurz, den Koffer mit glaubs 11 LP habe ich tatsächlich gefunden und gekauft. Den Rest dann bei Youtube in guter Qualität. DownloadHelper ist dein Freund!
Liest hier noch jemand mit?
Ich erwähne noch im Vorbeigehen die Französin Marcelle Meyer (Scarlatti, Rameau). Die gehört da sicher mit rein in diese Garde der zu Unrecht etwas vergessenen Pianistinnen. Und insbesondere die Russin Maria Yudina, eine ziemlich grimmig dreinschauende Frau, die sich nicht der Gnade Stalins erfreute, heisst es, aber als Klavierlehrerin überleben konnte. Das mag jetzt Mythomanie sein, googelt selber mal rum, meine Zeit ist um, aber ich empfehle noch von ihr die Bach-Bearbeitungen des durchgeknallten Franz Liszt, das gab es mal in den Russenarchiven von Brilliant Classics, heute wahrscheinlich unbezahlbar.
Für alle hier aufgeführten Namen gilt: try Youtube. Denn meistens handelt es sich um historische Aufnahmen, der Unterschied zwischen CD und MP3 ist hier eventuell zu verkraften. Müssts selber wissen. Ich poste die Sachen lieber – bei Amazon.fr.
Verfolgt übrigens auch immer die Querverbindungen, die sich jeweils auftun. Ein eigenes Universum, diese historischen Aufnahmen – oft ziehe ich sie den zeitgenössischen vor, die mit Klarheit langweilen und mit spitzen Höhen nerven.