Veloverlad – ein interessante Blog, glaubzmer

27/03/2013

Eine schwere Hand lastet auf der Migros

Filed under: Essen — Schlagwörter: , — Hotcha @ 10:39

Sehr unoriginell, aber so klar, dass wohl niemand es abstreiten würde: Gottlieb Dutti Duttweiler würde sofort einen Stein schmeissen, sähe er heute einen seiner Migrosläden. Seinen legendären Stein, ursprünglich ins Bundeshaus geschmissen, er würde ihn heute in seine eigenen Läden werfen, wutentbrannt.

Und zwar weil es dort kein Franck Aroma mehr gibt.

Historische Einschübe, dann müssts nicht so viel googeln (weil es ist ja das alles Ewigkeiten her…):

Gottlieb Duttweiler ist der Gründer der Migros, fast 100 Jahre ist es jetzt her. Eine Legende des Schweizer Detailhandels, der erste Discounter. Er wollte es nicht nur billig, sondern auch besonders gut machen: Kein Alkohol, kein Tabak, von wegen Volksgesundheit. Die Migros-Realität ist in diesem Bereich heute eine ganz andere: Die Migros vermietet in ihren Läden einfach Flächen an ergänzende Anbieter, Kiosk, Alkoholschwemmen wie Denner (den die Migros unterdessen sogar gekauft hat), und, ganz besonders perfide, sie gründet Tochterfirmen wie Migrolino, und diese sind dann von den ethischen Richtlinien der Migros befreit. Schlaumeier? Nicht nur: Komplizen derjeniger Kunden, denen es nur auf den Preis ankommt und fertig. Auch eine ethische Grundhaltung, irgendwie. Nicht jene des Migros-Gründers, aber das ist ja alles schon lange her, man muss mit der Zeit gehen.

Duttweiler wurde berühmt, weil er mal einen Stein ins Bundeshaus warf, um gegen die Politik des Bundesrats zu protestieren. Etc etc. mehr gibt es in der Wikipedia, sehr gute Darstellung.

Kommen wir zurück zum Franck Aroma. Eines der allerschönsten Produkte überhaupt, schauts euch doch nur mal diese Packung an. Unverändert seit mindestens 6000 Jahren. Schweizer Design. Ursprünglich in Basel fabriziert, heute bei Nestlé. Für einen guten Milchkaffee unverzichtbar! Obwohl ich seit den Italienferien nur noch den blauen Lavazzo trinke, das Päckli kostet 7 Franken (!), mundet mir auch dieser nicht ohne einen Schuss Zichorie von Franck, früher Thomy + Franck, übrigens, das wird noch wichtig werden hier. Diese Daten hatte ich selber vergessen, aber im Artikel „Sparkaffee und Franck-Aroma“ fand ich eine gute Erinnerungsstütze.

In meiner Familie gibt es übrigens eine Vergangenheit als fast-Kaffeesurrogat-Dynastie. Ein Urgrossonkel, der Bruder meines Grossvaters Vater, hatte um die 30er Jahre eine Kaffeesurrogatfabrikation aufgebaut, verkauft wurde glaubs ausschliesslich regional, mein Vater hat noch mit dem Huttli auf dem Rücken Eichelnkaffee ausgetragen. Für den Bankenkredit bürgte unser Grossvater; er war kreditwürdig, obwohl ohne Geld: Erbe des väterlichen Hofes. Und haste nicht gesehen war das Erbe weg, bevor es überhaupt angetreten werden konnte. Weil der Urgrossonkel machte dann mit seinem Kaffeeersatz Konkurs. Und so ist es gekommen, dass unsere Familie in der Folge wegkam von der Scholle. Ich bin darüber natürlich froh, aber für meinen Grossvater war es weniger lustig. Er hatte vorher die Tochter eines Grossbauern zur Frau erhalten, man muss sich mal vorstellen, was das in diesem Milieu nun bedeutet hat, Hof weg, Zukunft ungewiss, die Frau um mehrere Gesellschaftsstufen abgestürzt, das in einem kleinen Dorf, das nebst Landwirtschaft und Gewerbe nur zwei Fabriken aufwies. Mein Grossvater arbeitete dann bis zu seinem Tod mit 72 Jahren in der Fabrik. Ob ihm der Verlust des Hofes je verziehen worden ist, weiss ich nicht – manchmal habe ich das Gefühl, es wurde ihm bis zum Schluss nachgetragen.

Mir selber bleiben aus dieser Episode eine silberne Taschenuhr, ein Foto und zwei Fracks vom Urgrossonkel – und ein Bogen Firmenpapier.

Nicht nur Franck Aroma finde ich in meinem Quartiermigros nicht mehr – auch die Senfgläser von Thomy wurden aus dem Angebot gestrichen. Und auch das Lammragout mit Bein. Alles Zutaten, die es in der Küche einfach braucht. Immerhin gibts den Schabzieger noch, aber wie lange wohl? Denn der Trend ist seit mehreren Jahren offensichtlich: In der Migros haben die Controller die Macht übernommen, sie wagen sich nun immer unverhohlener aus der Deckung. Und Controller kennen nur Zahlen, am liebsten Kennzahlen. Etwa den Umsatz pro Fläche. Und da kann man natürlich mit diesen Traditionsmarken nur verlieren, rechnet er. Denn sie sind billig, unverschämt billig schon fast. So ein Franck Aroma kostet 1.15 für 200 Gramm, und damit komme ich monatelang über die Runden. Der Senf in der Tube, den gibts noch, kostet aber ungefähr das Dreifache der selben Menge im Glas. Das Lammragout mit Bein, wohl fettig, das ist wahr, aber unverzichtbar für einen guten Kichererbseneintopf, kostete 1.20 pro 100 Gramm. Die besseren Stücke, die der Controller nun pusht, kosten das drei- oder vierfache, sind aber nicht mal besser, sogar gänzlich ungeeignet für meine Hausmännerküche. Ich könnte jetzt noch lange fortfahren in meiner Aufzählung, wo ich die schwere Hand des Controlling überall ausgemacht habe in der letzten Zeit, bei der Migros jetzt.

Ah ja, und was kostet nun das Ersatzprodukt für den günstigen Kaffeeersatz von Thomy + Franck? Denn ein solches scheint es zu geben. Die Migros bietet in einer diesen schicken neuen Linien einen Kaffeeersatz aus Zichorien etc. an, die 200 Gramm, die beim Franck Aroma 1.15 kosten (im Coop!), die kosten in der Migros-Darbietung 7 Franken! Und noch 30 Rappen dazu! Die sind bereits dermassen unverschämt geworden, dass sie nicht mal mehr in Preiskosmetik machen. Ihr wisst schon: 6.90, um das Siebni zu vermeiden.

Dafür aber ist Franck Aroma beim Coop Bückware, im Migros ist es auf Augenhöhe. Für 6 Franken oder 500 Prozent Aufpreis.

Des Controllers feuchter Traum, hier könnte er wahr werden – wenn die Kunden denn darauf reinfallen.

Eine Bitte habe ich: Tut das nicht.

02/02/2013

Starbucks oder Eduscho?

Filed under: Essen,Unterwegs — Schlagwörter: , , , , , , , , — Hotcha @ 17:35

Die Frage stellen heisst sie beantworten, oder? Man braucht sich nur mal die Fotos ansehen. Ok, sie sind nicht sehr gut, sie sind eigentlich sogar schlecht, aber ihr wisst ja, was da drauf wäre, hätte ich die Stimmung tatsächlich einfangen können.

Ich will es aber noch ausdeutschen, damit ihr mich versteht. Also: Auf dem Bild sieht man ein Starbucks und gleich daneben ein Eduscho…. Es geht also nicht um Raten, was da zu sehen ist, sondern einzuschätzen, welches ich bevorzuge.

Wo der eine Laden alles daran setzt, seinen Kunden das Gefühl von Abrahams Schoss zu vermitteln, verunsichert der andere durch ständig wechselndes Angebot. Leider ist nie etwas für mich dabei. Gut, beim Laptopzubehör, kürzlich, da bin ich fast schwach geworden. Diese violetten und rosa Schutzhüllen, biegsame Gummitastaturen in den selben Farben, Computermäuse mit adretten Öhrchen, die hatten es mir wirklich ernsthaft angetan. Aber glücklicherweise bin ich darüber hinaus, alles haben zu müssen. In einen meiner zahllosen Accounts habe ich ein Foto meiner Wohnung eingestellt, wer es zufälligerweise mal gesehen hat, weiss um meine Platzprobleme.

Alles klar, wo meine Sympathien liegen?

Selbstverständlich habe ich hier einfach der Überschrift halber einen Gegensatz aufgebaut, der so nicht existiert. Denn leider ist Eduscho nicht auf längeres Verweilen eingerichtet. Der wirkliche Antipode von Starbucks heisst zumindest hier in Wien MacDonalds. Und mein Lieblingsladen findet sich am Bahnhof Praterstern.

Wenigstens in Österreich bieten alle MacDos gratis Wlan an – und zwar ziemlich tifiges. Nicht nur das: Zum Teil bemühen sie sich auch um echte Gastfreundschaft. Ich habe dort schon stundenlang frisch gekaufte CD gerippt, um sie dann auf der Heimfahrt auf dem Smartphone hören zu können. Und dabei auch festgestellt, dass die kunstledernen Sitzecken nicht nur mir den Wartesaal ersetzen, den die Bahnen ja immer weniger zur Verfügung stellen. Neben mir etwa sass eine vierköpfige Lerngruppe, Schülerinnen. An einem Tisch schlief ein Mann. Und so habe ich mir diese Woche angewöhnt, dort jeden Morgen mindestens eine Stunde lang zu ‚arbeiten‘ – Blogs und Zeitungen lesen vor allem. Unvorsichtigerweise manchmal auch zu mailen, zugegeben. Unvorsichtigerweise? Nun, es hätte genügt, dass dort jemand mit Backtrack den Router belauscht. Werde auf jeden Fall meine Passwörter ändern, wenn ich wieder zu Hause bin.

Ihr lest richtig, ich bin schon wieder in Wien. Ich war ja dermassen begeistert, letztes Mal, dass ich sofort nach einer Gelegenheit suchte, die Zeit hier zu verlängern.

Und so habe ich einen Besuch in der Ostschweiz dazu genutzt, den Heimweg nach Biel über einen kleinen Umweg von einigen hundert Kilometern zu nehmen. Der Umweg nimmt zwar eine Woche in Anspruch, kostet aber dank oebb.at nur zweimal 29 €! Geheimtipp… Und die Hotels verlangen immer noch nur rund 200 € die Woche, mein neues Lieblingsetablissement Cyrus sogar noch weniger – inklusive ein wunderbares Brotfrühstück.

Wieder bin ich ohne Rad unterwegs, habe aber in den Buchhandlungen gesehen, dass es um Wien herum sehr schöne Velostrecken gibt, vielleicht schreibe ich mal im Sommer über entsprechende Erfahrungen. Schliesslich habe ich sogar Verwandte an der ungarischen Grenze, die liegt nur ein paar Kilometer von hier.

Vorher noch kurz der ultimative Restauranttipp, bevor ich heute wieder zurückreise. Habe jetzt ein paar mal in diesem Sichuan-Restaurant gegessen, und ich muss der gnä‘ Leserschaft hier unbedingt den Umweg dorthin ans Herz legen. Ich will ja nicht lästern, aber oftmals hat man das Gefühl, die wichtigste Qualifikation eines asiatischen Koches sei seine Herkunft. Wir Langnasen können ja die Küche eh nicht bewerten, mangels Vergleich mit dem Original.

Bei Sichuan steht nun wirklich ein gelernter Koch am Herd, die Bouquets der verschiedenen Gerichte sind eindrücklich, weit weg von jeglichem Einheitsgeschmack, zum Teil von einer köstlichen Schärfe, dezent und doch nachhaltig, ich werde das extrem vermissen in der Schweiz. Kann sein, dass ich für unsere Asienküche endgültig verloren bin. Ich bin sogar so weit, dass ich extra einen Kochkurs besuchen würde, einen der Richtung Sichuan. Rindszunge, Schweinszunge, Rindersehnen und Hühnerklauen kann man ja bei uns einfach auftreiben. Schwieriger wird es mit diesen getrockneten Zutaten, die Sojamilchstreifen etwa, Seetang, Wasserlilien – alles Sachen, die man vor ein paar Jahren noch leicht finden konnte. Ob ich wohl jedes Mal nach Basel fahren muss um einzukaufen? Ihr hört von mir.

Und zum Abschluss, bevor ich das da fertig geschrieben und im MacDonalds hochgeladen, war ich nochmals bei den Klauen und Därmen. Insgesamt waren das jetzt dreimal. Und ich beteuere: Auf keinen Fall verpassen!

Beim Durchlesen noch fällt mir ein, eventuell gab es diese Tastaturen etc. nicht bei Eduscho, sondern bei Tschibo. Aber dann hätte sich der Titel ja nicht gereimt mit dem Foto, dem tollen.

12/01/2013

Gegrillte Entenzungen, gekochter Schweinsdarm – die echte Wiener Küche

Noch nie hatte ich eine Ferienwoche so minutiös vorbereitet – die ganze Nacht vor der Abreise hab ich mir den Bildschirm um die Ohren geschlagen, um ja kein kulinarisches Highlight Wiens zu verpassen. Beiz um Beiz habe ich ins OneNote gedruckt, mein eigener Restaurantführer am Bildschirmrand.

Gut, es war bei allem Zeitaufwand relativ einfach, weil ich ziemlich rasch auf die total schräge Seite restauranttester.at stiess. Irgendwie Spinner, dachte ich bei mir, obsessive Hobbytester, die sich des Langen und Breiten über den Eingang zur Beiz, die Speisekarte, das Nichtlächeln des Personals, fehlendes Nachfragen, ob Dessert, aufhalten können. Am Schluss wird sich noch die Toilette kontrolliert, und wehe, es ist nur ein gewöhnliches WC. Weiters laden sie dutzende Bilder von der Eingangstür hoch, zwischendurch glückt auch ein Schnappschuss einer Speise, oft unscharf wegen der geheimdienstlichen Mission, aber die Bilder geben halt Punkte.

Punkte wozu? Wer so fragt, hat keine Ahnung von gelungener Motivation, weiss nicht, wie einfach Menschen zu gratis Fronarbeit bereit sind, wenn man ihnen Anerkennung bietet – sie beispielsweise als ‚Experte‘ zu betiteln beginnt, wenn sie nur genug derer Punkte gesammelt.

Noch ein Schlenker gefällig? Gerne doch. Die Experten bewerten doch tatsächlich regelmässig und ganz ernsthaft das abgezapfte Bier im Chinarestaurant. Wien. Grien.

Ich reiste also an mit sicher 50 Restauranttipps im Köcher. Für fünf Tage.

Ohne Velo, natürlich. Wien hat ja erst seit Kurzem einen Fahrradbeauftragten. Da warten wir noch ein bisschen, bis er Wirkung entfaltet. Sie haben dort übrigens, ganz neu, eine Fussgängerbeauftragte. Irgendwo habe ich gelesen, auch eine Hundekegelbeauftragte. Wien, k.u.k., heute noch.

Ich habe noch nie versucht, das Velo in den Railjet der OeBB zu verladen. Wozu auch? Wien ist die Stadt der U-Bahnen, Strassenbahnen, Nahverkehrszüge und der Busse. Bei fast jeder Haltestelle leiert der Lautsprecher adrett zusammengesetzte Textbausteine herunter, an welches Verkehrsmittel man hier nun Anschluss hätte – blöd, ich habe es nicht aufgenommen, weil das wird so richtig hart aneinandergeschnitten, mit verschiedenen Stimmen und Tonfällen, es ist jedesmal ein Zusammenzucken, wenn am Schluss der Durchsage in doppelter Lautstärke noch ertönt „UND AN DIE ZüGE DES REGIONALVERKEHRS!“

Um diesen Teil zu Ende zu bringen, hier die Konsumenteninformationen. Am Montag anreisen, ein Wochenticket für die Kernzone 100 = Stadt Wien = alles was man braucht kaufen, 15 €, danach freier Verkehr auf allen Verkehrsmitteln. Der Hammer, sag ich euch. Die U-Bahnen fahren permament ab ca. 5:00 bis 0:30, ich habe nie länger als 5 Minuten auf eine Bahn gewartet. Die Feinverteilung dann mit dem Tram ist ähnlich effizient, Wartezeit war bei mir maximal 10 Minuten. Und da man sich ja nix zu tun hat, ausser nach Beisln Ausschau halten, deren es an jeder Ecke mehrere hat, ist da überhaupt keine Eile notwendig, kein Druck parat (ich versuche mich übrigens gerne ein wenig in Wiener Grammatik, hätten’s gmerkt?).

Damit wären wir wieder beim Thema. Beizen. Essen. Das einzige, was die Wiener mit Leidenschaft zu betreiben scheinen. Ausser Einkaufen. Oder Bier trinken. Oder granteln. Sie nennen das scheints Schmäh. Euphemismus ist eine Wiener Erfindung. Weil beim Wort Schmäh denken sich alle Auswärtigen an etwas Kulturelles. Dabei – Zürcher sind gegen diese Wiener so richtig ein fröhliches, weltoffenes Völklein. In neuster Zeit scheint das allerdings sogar zu stimmen. Ich muss mir meine Züri-Aversion glaubs langsam abschminken. Schon wieder ein Alleinstellungsmerkmal weniger.

Der Empfangschef im Hotel Cyrus, wo ich zu einem Hammerpreis unterkam, hatte einen Akzent, war wohl kein Original Wiener – richtig freundlich war er, ich kam mir für einmal nicht wie ein Dorfdepp vor, der stumpfsinnig lächelnd auf die Leute zugeht, um wieder und wieder durch kalte Indifferenz abgebügelt zu werden. Auch die kleine Bar gegenüber, Gloria, ein echtes Raucherlokal, konnte mich wieder mit der Welt versöhnen. Ein nettes Inhaberpaar, sie an der Bar, er sorgt für den Umsatz, indem er sich dem Kartenspiel mit den Kunden hingibt. Und sie haben richtig schnelles Wlan. Und Budweiser vom Fass.

Das ist die Laxenburgerstrasse. Im 10. Bezirk. Nicht grad das Wien des Opernballs; der grösste Laden war ein Sexshop mit wirklich tollen Ganzkörperpijamas in Rosa, getigert oder mit Löchern überall, um nur 49 Euro. Es hat nicht viel gefehlt – vielleicht nächstes Mal dann.

Und dann Schallplatten Brigitte. Ein schöner Laden, noch voll im Schuss, obwohl laut Zettel an der Tür schon seit einiger Zeit geschlossen, Schlager und volkstümlicher Schlager in allen Fenstern, und in der Mitte dieses Schild.

Michael Jackson Singles lagernd

Dieses Quartier musste mir einfach gefallen. Da haben sich zwei gesucht und gefunden.

Viele Wettlokale. Sportwetten an jeder Ecke. Die Filiale der Stadtbibliothek im Bezirk ist spezialisiert auf fremdsprachige Literatur. Serbisch, kroatisch, türkisch. Der Saturn am Columbusplatz: riesig, vor allem Wasch- und andere Haushaltsmaschinen, Kids, die sich um die neusten Pads scharen, ein paar uninteressante CD und DVD. Der Mainstream des Mainstreams.

Im selben Gebäude der neuste Gag der Wiener Gastronomie: ein Running Sushi. Schlappe, nässende rosa und grüne Teilchen laufen den ganzen Tag an einem Fliessband an den paar Gästen vorbei, die nur den Arm ausstrecken brauchen, um sich soviel zu fischen wie sie mögen, zu einem lächerlichen Pauschalpreis. Es war grad Grippesaison in Wien in dieser Woche. Hoffentlich sind die ungeschützten Sushi nicht krank geworden, so nah, so oft im Kreise gedreht.

Ja, das Quartier ist Hardcore. Aber es geht sich noch härter – eine Station weiter, Endstation der U-Bahn, Reumannplatz. Dort hatte ich ein eher unwohles Gefühl, im Dunkeln, schlecht beleuchtete Ecken. Es war grad Überfallsaison in Wien – Vergewaltigungen und sonstige Gewalt in der U-Bahn, der videoüberwachten, Handtaschenräuberpärchen, so stand es jedenfalls in der Zeitung. Allerdings gibt es in Wien nur Boulevardzeitungen, wenigstens fast. Da ist unser Blick ein gehobenes Intelligenzblatt dagegen. Nicht eine einzige Meldung, die frei von Ressentiments, Hetze oder ideologischer Verdrehung wäre. Unglaublich.

Seid Ihr noch da? Nun, im Titel war ja nie die Rede von Engelszungen.

Kommen wir zu den Entenzungen. Ich habe die ganzen Tage in Wien nie anders als asiatisch gegegessen. Und ich war nur in zwei Restaurants zweimal. Halt, im Wok & More dreimal. Die Berichte in restauranttester.at würdet ihr am besten selbst nachlesen. Dort wo noch nicht alles gesagt war habe ich mich zu Wort gemeldet. Habe dafür den B.B. wieder hervor geholt. Am Ende des Beitrags hier stehen dann die Links.

Nur eins noch: Ich wollte es auf restauranttester.at nicht so offen schreiben, aber der Schweinedarm hatte tatsächlich noch diesen leichten Geruch von Darmausgang. Vor allem dann, wenn ich Rosette kaute. He, das ist überhaupt kein Problem. Es war alles geputzt und sauber. Aber das ist halt wie mit dem Zigarettenrauch. Den bringt man auch nicht mehr weg.

Hier war es gut

Wok & More am Karlsplatz, fein
Die Entenzungen…
Mein erster Wiener Chinese, zeitlich gesehen
Die Top-Empfehlung von mir!
Das Hotel

Noch was:


Ist es Zufall, dass in der Gegend ein sogenannter Plasmapunkt war, ein wenig abseits in einer Seitengasse, klandestin die Tür verschlossen, kein Klingelschild, wohl nur auf Anmeldung. Und in der U-Bahn diese Plakate hingen, wo an den Heldenmut der Spender appeliert wurde und gleichzeitig eine Aufwandsentschädigung „für Ihre Zeit“ von 20 Euro ausgelobt war, und dass die Plakate ausgerechnet in den härteren Gegenden zu finden waren? Ein Argument war auch noch, dass man dann grad gratis ärztlich untersucht ist.

Das härteste in Wien aber ist sowie der alte Lugner mit seiner Katzi. Die Nachfolgerin von Mausi. Der Mann hat seinen eigenen Stadtteil, die Lugner City. Mit eigener Haltestelle. Das muss man gesehen haben. Das Foto, wenn der Link denn bleibt, ist in der Lugner City aufgenommen. Trash as trash can.

Ich glaube, ich liebe diese Stadt.

PS: Im Zug, zurück in der Schweiz, der erste Zeitungsartikel im 20 Minuten: Designerin und Model Blanda Eggenschwiler (27) ist frisch verliebt. Ich weiss, es liegt an mir, wenn sie nicht kenne. Designerin? Ah, da steht’s ja: Blanda stellt heute Abend im Club Cabaret ihre Kollektion von selber designten Handyhüllen vor.

30/09/2012

„Eine Schande ist das, eine Schande für ein Land wie Frankreich“.

Filed under: Essen,Fahrradmitnahme,Unterwegs — Schlagwörter: — Hotcha @ 00:00

„C’est une honte, c’est une honte pour un pays comme la France“.

Betretenes Schweigen rund herum. Eine Herde Schafe kann nicht so geduldig sein wie wir hier, die wir in Saint-Louis vor dem Billetschalter warten, warten, warten – seit 40 Minuten schon stehe ich hier an, und ich bin etwa der Fünfte in der Herde. Die Herde wartet darauf, ein Zugsbillet kaufen zu können. Als geübter Bahnfahrer habe ich es wie so manche zuerst am Automaten versucht. Ich bin ja kein Depp, aber auf die erste Frage des Automaten, wann ich fahren will, um 13 oder um 14 Uhr, habe ich mal auf gut Glück eine der beiden Möglichkeiten ausgewählt. „Sorry, für diese Verbindung habe ich kein Billet“, so sinngemäss der Automat. Die zweite Möglichkeit führt ebenfalls in eine Sackgasse. Sicher mache ich etwas falsch. Aber egal, der Automat nimmt nur Münzen, auch für richtig hohe Beträge – so wenigstens erfahre ich später aus den Gesprächsbrocken, die in der Herde sporadisch ausgetauscht werden. Und wer hat schon am Anfang der Reise so viel Münz im Sack?

Kurz, nach 50 Minuten habe ich dann mein Billet – zum Glück musste ich keinen Zug überspringen, war 55 Minuten zu früh am Bahnhof. Genau genommen also nur 5 Minuten zu früh. Die Franzosen sind sich das offenbar gewohnt, die Dame hinterm Schalter hatte sogar gemeint, das sei noch gar nichts, es könne je nach dem schon mal eine Stunde dauern, bis man an die Reihe kommt.

Man stelle sich mal vor: Da werden Milliarden in die Bahn gesteckt, und dann wegen ein paar Milliönchen, die ein effizienteres Verkaufssystem wohl kostet, bleiben die Kunden aus.

Sollte man meinen.

Wieder einmal trügt der Schein. Denn im Unterschied zur Schweiz verkauft Frankreich seine Billette auch im Zug. Gegen eine Gebühr von 4 €. Für einen Schweizer, der Zuschläge von 100 € für den Billetkauf im Zug gewohnt ist, ein Klacks, eine Offenbarung, ein Lichtblick in der Hölle, wo sogar Charon neuerdings 25 € für die Überfahrt nimmt.

Beim nächsten Mal mache ich es also besser: In Montbéliard steht grad ein Zug auf den Gleisen, die Nase der Lok zeigt gen Schweiz, ich will heim, also eile ich, Velo unterm Arm, die Treppe hinauf, grad als der Zug abfährt. Ich rufe irgendwas Unartikuliertes, der Sinn ist ja aus dem Zusammenhang klar ersichtlich, und das erste Wunder des Tages: Der Zug stoppt! Hält für mich nochmals an!! Unglaublich.


Dann suche ich den Zugführer. Denn so lautet die Regel: Du musst dem Kontrolleur aktiv sagen, du hättest kein Billet, bevor er auf Kontrollgang vorbeikommt. Ich bin zwar im falschen Zug, wie er mir erklärt, aber ich komme auch so in die Schweiz, ein wenig komplizierter zwar, aber ich habe ja Zeit. Und er verkauft mir einen Regionenpass für 12 €, gültig den ganzen Tag. Sollte ich da nicht noch ein bisschen herumkutschieren, statt nun hier in Besançon im tristen Bahnhof diesen Beitrag zu schreiben? Drei Stunden noch, dann geht der Zug nach La Chaux-de-Fonds. Aber da jetzt grad Mittag ist, suche ich mir doch mal ein Plat du jour in einem der wenigen Restaurants in der Umgebung, welches nicht tot ausschaut.


3 Stunden später – 18 € ärmer, um eine Enttäuschung reicher.


Es ist einfach immer wieder verblüffend, wie vor allem die Nahrungsszene auf die suggestive Kraft des Wortes baut. Und es funktioniert oft. Wenn der Bäcker „saftige Berliner“ anschreibt, kann ich nur schwer tief innen drin dagegen halten. Und realitätsgerecht das „saftig“ durch das eher zutreffende „ölig“ bzw. „fettig“ bzw. „fetttriefend“ ersetzen.


So habe ich auch gewusst, dass das Plat Du Jour auf der Tafel vor einer Bäckerei kaum jemals einen Bauernhof gesehen hat, obwohl da stand: „Poulet fermier, frites, € 8.80“ – aber weit und breit war sonst nix anmächeliges, Baustellen, soweit das Auge reicht, etwas weiter vorne bot eine Metzgerei faltige Grillpoulets mit fettigen Kartoffeln für nur 7 € an – aber auf diese nach Fischkleister stinkenden Vögel falle ich nicht mehr rein, seit ich in Le Landeron vor zwei Jahren bei einem dieser fliegenden Hähnchengrillstationen einen halben Vogel gekauft hatte – Camping Blues. Irgendwo muss ich noch ein Beweisfoto gespeichert haben. Kurz, das Pouletbrüstli ohne Haut schmeckte nach altem Öl, dafür waren die Pommes Frites besser als die in der Schweiz allgegenwärtigen Tiefkühl-Frites, die wahrscheinlich ja aus Kartoffelstaub zusammengepappt werden, merkt ja keiner.


Das war ja fast schon eine Bildungsreise, bilanziere ich hier schon mal. Gestern hatte ich in einem Bistro zwei Weisswein, einmal den billigen, danach den teureren. Die Pointe lohnt fast das Schreiben nicht mehr: Natürlich war der billige besser. Grund: es war ein Tischwein, der teurere war mit A.O.C. angeschrieben. Heisst doch logischerweise, ein Tischwein ohne Herkunftsbezeichnung darf nach geschmacklichen Kriterien zusammengemixt werden, wo hingegen der Herkunftswein sich auf die Trauben aus der Region beschränken muss.

So war ich in der Bäckerei zumindest vom Wein nicht enttäuscht, ausdrücklich hatte ich den „Vin ordinaire“ bestellt.


Das alles war erst die Rückfahrt. Vielleicht habe ich nächstens sogar Lust, auch die Hinfahrt und den Aufenthalt zu beschreiben. Sollte ich, ich habe nämlich eine gute Adresse, wo in Saint-Louis man gut und günstig isst. Hat viele Übergwändli dort am Mittag, ein wichtiges Kriterium. Und wo in Montbéliard man günstig und familiär nächtigt, nach einem ausgiebigen Nachtessen. Auch dort hatte es viele Übergwändli.

Aber eigentlich weiss ich gar nicht, ob hier überhaupt jemand liest. Statistiken pflege ich nämlich keine anzulegen und anzuschauen, also schreibt hier mal was rein, vertelli!

27/06/2012

Gestern begeistert, heute schon verwöhnt

Filed under: Essen,Tessin — Hotcha @ 10:00

Gestern abend habe ich zum zweiten Mal innerhalb einer Woche die Spaghetti Frutta Di Mare bestellt, aber ich wusste schon vorher, sie würden mir nicht mehr so schmecken wie beim ersten Mal. Damals war ich noch enthusiastisch. Ich war schon oft enthusiastisch, hier in Bellinzona.

Lôro

Vor einigen Wochen habe ich die erste Tessiner Beiz entdeckt, die mich umhaute. In der Höhe, halbwegs wenigstens, über Giubiasco, Richtung Valle Morobbia, das Dorf heisst Lôro, eine wirklich schöne Beiz, ein heller gekalkter Bungalow aus den 60er Jahren, Pergola, üppiger Parkplatz, die Gäste allesamt vom Typ Strassenarbeiter. Es wird viel gebaut dort oben… Zuerst Teigwaren, Salat, dann Kaninchen mit Polenta, war glaubs um die 15 Franken. Fein. Charmante Bedienung, die gerne französisch spricht. Ich auch.

Ehrlich gesagt vermeide ich es im Tessin deutsch zu sprechen – wird schon einen Grund haben, wir wollen jetzt nicht grübeln. Lieber noch radebreche ich in einem sehr ungefähren italienisch, für mich ist das einfach, ich hoffe, dem Gegenüber geht es genau so.

Wenn ich heute an dieses Essen, diese Offenbarung zurück denke, merke ich, ich bin unterdessen schon viiieeel weiter. Ich brauche einen stärkeren Kick.

Hotel Gamper, Bellinzona

Den hatte ich wie gesagt bei den Spaghetti Frutta Di Mare im Hotel Gamper, Bellinzona. Hin und weg war ich. Sie sind auch sehr gut, es gibt Viel, viele Moules und Vongole, eine sämige Tomatensauce klebt über dem Ganzen, alles ist sehr würzig. Drei Käfer waren auch drin, einer davon richtig gross, sogar die Zangen waren ein wenig essbar.

Spaghetti Frutta Di Mare, Hotel Gamper, Bellinzona

Dass das Brot altbacken war, der Wein sauer, die Rechnung eher hoch, das hat mich alles nicht gestört. Wobei, was heisst schon eher hoch? Um die 50 Franken waren es, mit einem anständig grossen Mischsalat, einem Grappa zum Abschluss – nicht ungewöhnlich, dass man hier soviel für ein Nachtessen ausgibt. Dafür isst man dann auch wirklich zufrieden – es sei denn, man sei verwöhnt.

Terrazza Da Toni, Bellinzona

Menü bei Terrazza da ToniDie Verwöhnung setzte ein, als ich die Terrazza Da Toni entdeckte. Eine relativ simple Beiz, winzige Küche, deren Tür zur grossen Terrasse aber immer geöffnet ist, viele Stammgäste, die ein „Salve Toni“ in den engen Raum hineinrufen, sich in grösseren und kleineren Gruppen an die gemütlichen Terrassentische setzen, und Zack, schon wird vom freundlichen, manchmal gar herzlichen Personal aufgedeckt. Zu Mittag gibts entweder die Pizza des Tages, mit 3 dl Getränk nur 15 Franken. Nur, weil Toni macht wahrscheinlich die beste Pizza am Ort, in seiner kleinen Küche, magisch.

Ich hatte jeweils immer das Menü, 19 Franken für zwei Entrées, Teigwaren und Salat, einen Hauptgang, manchmal währschaft, wie das Foto hier zeigt, da drehe ich durch. Das Dessert schaffe ich nicht immer, manchmal aber ist auch das Dessert unglaublich fein, so letzthin Vanilleglacé mit heisser Aprikosencrème!
Pizza bei Terrazza da Toni
Nachdem ich auf tripadvisor.fr über die Pizzen bei Toni gelesen hatte, musste ich sie versuchen. Am Donnerstag abend wars, als wäre es erst vor 5 Minuten gewesen. Ich hatte die beste Pizza meines langen Lebens.

Das erste mal, dass ich eine wirklich genau richtig gebackene Calzone sehe. Und die Füllung nicht einfach lieblos nach dem Motto „Masse Masse Masse der Kunde merkt ja eh nix, Calzone-Esser sind ja nur an der Menge interessiert“.

Wenn ich das noch ausführen darf: Wie oft schon war ich nach dem Aufschneider der meist doch eher blässlichen Calzone enttäuscht, darin vor allem einen grossen grossen Haufen billigen Schinkens mit Büchsenchampignons und zähem Käse vorzufinden. Sicher, ab und zu mit einem Ei, meistens mit zwei, drei Sardellen, die einzige Zutat, die dem Haufen Geschmack verleiht.

Bei Toni hingegen: Die Füllung gerade richtig, das meiste ist heisse Luft. Messer reinstecken, tief einatmen, schwärmen. Bei 40 cm Länge genug auch für den grössten Hunger. Glücklicherweise musste ich an dem Tag das Mittagessen überspringen, jetzt haben die bei Toni das Gefühl, ich sei ein grossartiger Esser, ein anständiger Mann eben, ein guter Charakter. Nur ein kleiner Rest ist übrig geblieben. Foto siehe unten. Ob ich das je wieder schaffe? Denn bald bald bald werde ich wieder auf der Terrazza sitzen, so ca. in einer halben Stunde!
Pizza bei Terrazza da Toni - der Rest

Deshalb noch schnell: Fazit

Was mich vor drei, vier Wochen noch zu lauten Jubelarien verleitet hätte, prüfe ich heute mit kritischem Auge: ein in Sauce ertränkter Salat, eine nur schon leicht gummige Pizza, eine nur schon ein wenig dubiose Fleischsauce, gewöhnliche Golden Frites – schon ist das Restaurant auf meiner Negativliste, es wird höchstens noch aufgesucht, wenn Toni geschlossen hat. Was leider an den Abenden unter der Woche der Fall ist.

So, aber nun muss ich husch husch hin zur Terrazza. Ich freue mich schon riesig. Bin auf Entzug. Glaubzmer.

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