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27/03/2013

Eine schwere Hand lastet auf der Migros

Filed under: Essen — Schlagwörter: , — Hotcha @ 10:39

Sehr unoriginell, aber so klar, dass wohl niemand es abstreiten würde: Gottlieb Dutti Duttweiler würde sofort einen Stein schmeissen, sähe er heute einen seiner Migrosläden. Seinen legendären Stein, ursprünglich ins Bundeshaus geschmissen, er würde ihn heute in seine eigenen Läden werfen, wutentbrannt.

Und zwar weil es dort kein Franck Aroma mehr gibt.

Historische Einschübe, dann müssts nicht so viel googeln (weil es ist ja das alles Ewigkeiten her…):

Gottlieb Duttweiler ist der Gründer der Migros, fast 100 Jahre ist es jetzt her. Eine Legende des Schweizer Detailhandels, der erste Discounter. Er wollte es nicht nur billig, sondern auch besonders gut machen: Kein Alkohol, kein Tabak, von wegen Volksgesundheit. Die Migros-Realität ist in diesem Bereich heute eine ganz andere: Die Migros vermietet in ihren Läden einfach Flächen an ergänzende Anbieter, Kiosk, Alkoholschwemmen wie Denner (den die Migros unterdessen sogar gekauft hat), und, ganz besonders perfide, sie gründet Tochterfirmen wie Migrolino, und diese sind dann von den ethischen Richtlinien der Migros befreit. Schlaumeier? Nicht nur: Komplizen derjeniger Kunden, denen es nur auf den Preis ankommt und fertig. Auch eine ethische Grundhaltung, irgendwie. Nicht jene des Migros-Gründers, aber das ist ja alles schon lange her, man muss mit der Zeit gehen.

Duttweiler wurde berühmt, weil er mal einen Stein ins Bundeshaus warf, um gegen die Politik des Bundesrats zu protestieren. Etc etc. mehr gibt es in der Wikipedia, sehr gute Darstellung.

Kommen wir zurück zum Franck Aroma. Eines der allerschönsten Produkte überhaupt, schauts euch doch nur mal diese Packung an. Unverändert seit mindestens 6000 Jahren. Schweizer Design. Ursprünglich in Basel fabriziert, heute bei Nestlé. Für einen guten Milchkaffee unverzichtbar! Obwohl ich seit den Italienferien nur noch den blauen Lavazzo trinke, das Päckli kostet 7 Franken (!), mundet mir auch dieser nicht ohne einen Schuss Zichorie von Franck, früher Thomy + Franck, übrigens, das wird noch wichtig werden hier. Diese Daten hatte ich selber vergessen, aber im Artikel „Sparkaffee und Franck-Aroma“ fand ich eine gute Erinnerungsstütze.

In meiner Familie gibt es übrigens eine Vergangenheit als fast-Kaffeesurrogat-Dynastie. Ein Urgrossonkel, der Bruder meines Grossvaters Vater, hatte um die 30er Jahre eine Kaffeesurrogatfabrikation aufgebaut, verkauft wurde glaubs ausschliesslich regional, mein Vater hat noch mit dem Huttli auf dem Rücken Eichelnkaffee ausgetragen. Für den Bankenkredit bürgte unser Grossvater; er war kreditwürdig, obwohl ohne Geld: Erbe des väterlichen Hofes. Und haste nicht gesehen war das Erbe weg, bevor es überhaupt angetreten werden konnte. Weil der Urgrossonkel machte dann mit seinem Kaffeeersatz Konkurs. Und so ist es gekommen, dass unsere Familie in der Folge wegkam von der Scholle. Ich bin darüber natürlich froh, aber für meinen Grossvater war es weniger lustig. Er hatte vorher die Tochter eines Grossbauern zur Frau erhalten, man muss sich mal vorstellen, was das in diesem Milieu nun bedeutet hat, Hof weg, Zukunft ungewiss, die Frau um mehrere Gesellschaftsstufen abgestürzt, das in einem kleinen Dorf, das nebst Landwirtschaft und Gewerbe nur zwei Fabriken aufwies. Mein Grossvater arbeitete dann bis zu seinem Tod mit 72 Jahren in der Fabrik. Ob ihm der Verlust des Hofes je verziehen worden ist, weiss ich nicht – manchmal habe ich das Gefühl, es wurde ihm bis zum Schluss nachgetragen.

Mir selber bleiben aus dieser Episode eine silberne Taschenuhr, ein Foto und zwei Fracks vom Urgrossonkel – und ein Bogen Firmenpapier.

Nicht nur Franck Aroma finde ich in meinem Quartiermigros nicht mehr – auch die Senfgläser von Thomy wurden aus dem Angebot gestrichen. Und auch das Lammragout mit Bein. Alles Zutaten, die es in der Küche einfach braucht. Immerhin gibts den Schabzieger noch, aber wie lange wohl? Denn der Trend ist seit mehreren Jahren offensichtlich: In der Migros haben die Controller die Macht übernommen, sie wagen sich nun immer unverhohlener aus der Deckung. Und Controller kennen nur Zahlen, am liebsten Kennzahlen. Etwa den Umsatz pro Fläche. Und da kann man natürlich mit diesen Traditionsmarken nur verlieren, rechnet er. Denn sie sind billig, unverschämt billig schon fast. So ein Franck Aroma kostet 1.15 für 200 Gramm, und damit komme ich monatelang über die Runden. Der Senf in der Tube, den gibts noch, kostet aber ungefähr das Dreifache der selben Menge im Glas. Das Lammragout mit Bein, wohl fettig, das ist wahr, aber unverzichtbar für einen guten Kichererbseneintopf, kostete 1.20 pro 100 Gramm. Die besseren Stücke, die der Controller nun pusht, kosten das drei- oder vierfache, sind aber nicht mal besser, sogar gänzlich ungeeignet für meine Hausmännerküche. Ich könnte jetzt noch lange fortfahren in meiner Aufzählung, wo ich die schwere Hand des Controlling überall ausgemacht habe in der letzten Zeit, bei der Migros jetzt.

Ah ja, und was kostet nun das Ersatzprodukt für den günstigen Kaffeeersatz von Thomy + Franck? Denn ein solches scheint es zu geben. Die Migros bietet in einer diesen schicken neuen Linien einen Kaffeeersatz aus Zichorien etc. an, die 200 Gramm, die beim Franck Aroma 1.15 kosten (im Coop!), die kosten in der Migros-Darbietung 7 Franken! Und noch 30 Rappen dazu! Die sind bereits dermassen unverschämt geworden, dass sie nicht mal mehr in Preiskosmetik machen. Ihr wisst schon: 6.90, um das Siebni zu vermeiden.

Dafür aber ist Franck Aroma beim Coop Bückware, im Migros ist es auf Augenhöhe. Für 6 Franken oder 500 Prozent Aufpreis.

Des Controllers feuchter Traum, hier könnte er wahr werden – wenn die Kunden denn darauf reinfallen.

Eine Bitte habe ich: Tut das nicht.

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